Die Wut-Mail
Der Meinungsforscher Hermann Atz bezeichnet die Wolf-Studie der Eurac als wissenschaftlich unseriös. Ist es die Retourkutsche dafür, dass ihm ein lukrativer Auftrag durch die Lappen gegangen ist?
von Artur Oberhofer
Es war am vergangenen Dienstag um Punkt 15.58 Uhr, als Hermann Atz – wie er selbst schreibt – „unter Missachtung aller diplomatischen Vorsicht“ in einer E-Mail zum Rundumschlag gegen die Eurac ausholte. Der Bozner Meinungsforscher warf der Eurac in der E-Mail vor, mit der Wolf-Befragung „eine Art Zauberkunststück aufgeführt“ zu haben.
Mit einer „billigen Umfrage“, so Atz, habe die Eurac den Menschen im Land „vorgegaukelt“, ein Meinungsbild zeichnen zu können. In Wahrheit sei das, was die Eurac gemacht habe, „weder wissenschaftlich noch seriös“.
Zur Wolf-Studie der Eurac, aus der beispielsweise hervorgeht, dass 62 Prozent der SüdtirolerInnen keine Angst vor dem Wolf haben, falle ihm – so schreibt Atz in seiner E-Mail – „nur das angebliche Churchill-Zitat von den selbst gefälschten Daten ein“.
Die E-Mail von Herman Atz – starker Tobak!
Denn noch nie hat ein Südtiroler Wissenschaftler Kollegen so brachial attackiert wie Hermann Atz dies am Dienstag getan hat. Dass es ihm weniger darum ging, die Kollegen im Rahmen einer beruflichen Dialektik zu maßregeln, als vielmehr darum, diese in der Öffentlichkeit kleinzumachen, belegt der Umstand, dass die erste Adressatin der E-Mail nicht die Eurac, sondern eine Rai-Redakteurin war.
Dabei hatte sich der Disput – wenn auch in aller Härte – zuallererst auf einer kollegialen Ebene abgespielt.
Die TAGESZEITUNG kann den Streitfall Atz vs. Eurac jetzt im Detail rekonstruieren.
Die Fakten: Auf die geharnischte E-Mail des „lieben Kollegen Atz“ vom vergangenen Dienstag antwortete noch am selben Tag Thomas Streifeneder, der Leiter des Instituts für Regionalentwicklung an der Eurac.
Thomas Streifeneder bedankte sich beim „lieben Herrn“ Atz „für die mit Verve vorgebrachte konstruktive Kritik“ an der Wolf-Studie. Diese Kritik, so der Eurac-Forscher, sei aber auch „harsch und schmerzlich“.
Ziel der Eurac sei es gewesen, die hochemotionale Debatte rund um das Thema Rückkehr des Wolfes nach Südtirol zu versachlichen. Dabei habe die Eurac immer und überall darauf hingewiesen, dass es sich bei der Studie um kein repräsentatives Meinungsbild handle, so Thomas Streifeneder. Darauf, dass manche Medien den Eindruck erweckt haben, dass es sich um eine repräsentative Umfrage handle, habe die Eurac keinen Einfluss.
Thomas Streifeneder nahm in seiner E-Mail ausführlich zu den einzelnen Kritikpunkten, die Hermann Atz in seiner Wut-Mail angeführt hatte, Stellung und lud den Meinungsforscher zu einer persönlichen Aussprache ein.
Immer am Mittwochabend, um 19.18 Uhr, bedankte sich Hermann Atz denn auch beim „lieben Herrn Streifeneder“, für die „ausführliche Reaktion“ auf seine „zugegebenermaßen etwas forsche, aber kollegial gemeinte Stellungnahme“.
Gerne sei er zu einer persönlichen Aussprache bereit.
In der Eurac ging man folglich davon aus, dass damit die größten Differenzen ausgeräumt wären und dass man mit Hermann Atz in weiteren Gesprächen auf einen grünen Zweig kommen könnte.
Umso größer war dann am Donnerstagmorgen die Überraschung, als der Meinungsforscher Atz die Eurac im Morgenmagazin der Rai Südtirol als unseriöses Institut abwatschte, das den SüdtirolerInnen unter dem Mantel der Wissenschaftlichkeit etwas vorgaukle.
Eurac-Direktor Stephan Ortner wollte gestern auf die Polemik nicht weiter eingehen, er sagte auf Anfrage der TAGESZEITUNG nur: „Das, was Herr Atz gemacht hat, ist nicht die feine englische Art.“ Er sei „menschlich verwundert“, dass Atz zuerst mit dem Eurac-Institutsleiter auf kollegialer Ebene diskutiert habe, dann aber am nächsten Tag „mit Kanonen auf die Eurac geschossen“ habe, sagt Ortner.
Er könne sich nicht erklären, warum Hermann Atz dies getan habe.
Die wahren Beweggründe, die Hermann Atz zu seiner Wut-Mail veranlasst haben, dürften ganz banaler, nämlich monetärer Natur sein.
Nach Informationen der TAGESZEITUNG hatte die Eurac im vergangenen Jahr beim Meinungsforschungsinstitut Apollis – dem Institut von Hermann Atz – einen Kostenvoranschlag für die Wolf-Umfrage eingeholt. Der Kostenvoranschlag ging am 26. Februar 2018 bei der Eurac ein – und verschlug den Empfängern die Sprache!
Das Apollis-Institut veranschlagte Kosten in Höhe von sage und schreibe 70.000 Euro.
In der Eurac war man baff. Der Tenor intern: Man werde mit öffentlichen Geldern finanziert, daher könne man eine Ausgabe in dieser Größenordnung nie und nimmer verantworten.
Also beschloss man, auf die inzwischen wissenschaftlich völlig anerkannte Methode einer Facebook-Befragung umzusatteln – und nur die Umfrage unter Touristen auszulagern.
An dieser zweiten Ausschreibung beteiligten sich neben dem Apollis-Institut von Hermann Atz noch die Doxa und Ipsos. Und wiederum kam das Apollis-Institut – weil das teuerste – nicht zum Zug.
Der Meinungs-Unternehmer Hermann Atz war von der Eurac also zwei Mal enttäuscht worden.
Vor dem Hintergrund dieser Fakten und Zahlen erscheint die Wut-Mail des Hermann Atz in einem neuen Licht.
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Kommentare (13)
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atheo
Herr Atz hatte vollkommen recht, die Eurac „Studie“ zu kritisieren. Eine „nicht-repräsentative“ Umfrage ist in der Tat keine wissenschaftliche Umfrage. Statt zu einer Versachlichung der Diskussion beizutragen, wird mit diesem verzerrten Eurac-Meinungsbild subjektiven politischen Überzeugungen der Deckmantel der Objektivität umgehängt. Ein Dankeschön an Herrn Atz: aufgrund welcher persönlicher Motive immer, er hält mit seiner Kritik den Anspruch auf Wissenschaftlichkeit aufrecht.
andreas
Atz erinnert mich an das „Wunder von Mals“, welcher seinen Feldzug gegen Südtirol begonnen hat, als die SMG ihm nach einer Diskreditierung der Marke Südtirol Aufträge entzogen hat.
Es scheint als legt er es darauf an als privates Unternehmen öffentliche Aufträge „erzwingen“ zu wollen, da ihm sonst die Geschäftsgrundlage fehlen würde.
Mit welchen Stundensätze arbeiten die eigentlich, weißt du das?
criticus
EURAC ist die Europäische Akademie Bozen, sie ist Südtirols innovatives Zentrum für Wissenschaft und Weiterbildung, gegründet 1992. Passt! Aber was hat diese Akademie in all den Jahren bahnbrechendes hervorgebracht? Hoffentlich nicht nur eine Studie über Wölfe, die man bei jeden „Hiaterbua und Hiatermadl“ hätte einholen können. Wer bezahlt die Akademiker und wie viel Personen sind da angestellt?