„Mythen der Diktaturen“
Wie die Kunst – auch in Süd-, Nord- und Osttirol und im Trentino – Faschismus und Nationalsozialismus bediente und die Geschichte einer Optantenfamilie: Diese Themen stehen im Mittelpunkt der am Freitag eröffneten Ausstellungen im Landesmuseum für Kultur- und Landesgeschichte auf Schloss Tirol.
Einem besonders schwierigen und komplexen Kapitel der Kunst-, Kultur- und Politikgeschichte – den Jahren der beiden Faschismen Mussolinis und Hitlers – widmet sich die Ausstellung „Mythen der Diktaturen. Kunst in Faschismus und Nationalsozialismus“ der Kuratoren Carl Kraus und Hannes Obermair.
Die systemkonforme Kunst der Dreißiger und Vierziger Jahre des 20. Jahrhunderts entwarf Heldenbilder, beschwor Blut und Boden, rückte „Führer“ und „duce“ ins rechte Licht und verkitschte die „Heimat“ selbst dann noch, als von den Diktatoren, im Zuge der „Option“, die Aussiedlung der Bevölkerung beschlossen wurde. Künstlerinnen und Künstlern bedienten Hitlers und Mussolinis Unrechtsherrschaft, auch in Südtirol, in Nord- und Osttirol und im Trentino, ganz maßgeblich mit Bildern und Narrativen. „Es sind muskulöse Bilder“, formulierte es Hannes Obermair am Freitag, „sie zeigen einen Glanz ohne wirklichen Glanz“. Nur einige wenige stemmten sich dagegen, ihre Werke wurden als „entartet“ verfemt.
Die Ausstellung bietet neue Einblicke in die lokalen Kreisläufe systemischer Kunstpolitik. Mythen, die in den Maximen der Faschismen zum Ausdruck kamen, nährten die Propaganda: Duce/Führer, Helden, Scholle, Heimat, Mutter gehörten zu den Schlagwörtern des Ordnungsdenkens. Die Diktaturen würdigten „entartete Kunst“ herab und grenzten Unerwünschtes radikal aus. Die Ausstellung und ihr Katalog greifen dieses Oppositionspaar auch als deutliche ästhetische Differenz auf. Zudem führt sie erstmals die subtilen und offensichtlichen Bildstrategien und Kunsthaltungen vor Augen, die zu einer fast allgemeinen Unterwerfung der Künste unter die Allmacht von Politik führten. Sie ist eine Wende für die regionale Kunst- und Kulturgeschichte, viele ihrer Kapitel müssen neu geschrieben werden. Zu sehen ist die Schau bis 30. Juni 2019.
Die Ausstellung „Optionskoffer. Die Geschichte der Familie Brugnoli/Bruggnaller“ wurde hingegen von Stefan Dietrich kuratiert und läuft bis 8. Dezember 2019 auf der obersten Plattform des Bergfrieds, im „Turm der Erinnerungen“. 80 Jahre nach der Option erzählt sie die Geschichte der Familie des Josef Brugnoli/Bruggnaller und der Maria Tetter, die 1940 aus Bozen nach Innsbruck zog (mit dabei war gestern auch Tochter Elisabeth Brenner Brugnaller): Der Abwanderungsantrag wurde im November 1939 unterzeichnet. Bruggnaller erwartete sich stabile berufliche Verhältnisse und eine neue Basis für seine achtköpfige Patchworkfamilie. Doch die Zukunft in Nordtirol gestaltete sich schwierig. Mehrfach musste die Familie den Wohnort wechseln. Der enorme Aufwand der Arbeitsfahrzeit zehrte an der Gesundheit des Familienvaters, der 1940 krankheitsbedingt verstarb. Erst jetzt konnte der Familie eine Wohnung in der Innsbrucker Langstraße zugewiesen werden.
Die erhaltenen Dokumente erzählen minuziös die einzelnen Etappen von Auswanderung und Einbürgerung, dem Zwischendepot der Möbel, der Namensänderung, der Wohnungszuweisung an diversen Orten, wirtschaftlichen Nöten, Krankheiten und Todesfall. Die im Original beigestellten Dokumente aus dem Tiroler Landesarchiv machen die Geschichte nachvollziehbar und holen deren Aktualität in die Gegenwart. Auch zu dieser Ausstellung gibt es einen Katalog. „Die Ausstellung thematisiert das Verlassen der Heimat und das Flüchten“, so Stefan Dietrich, „dadurch stellt sie ganz klar einen Gegenwartsbezug her.“
Zwei zeitgenössische künstlerische Interventionen von Julia Frank reagieren auf die Themen beider Ausstellungen.
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