Keine Kohle für Doro
Bei der Biathlon-WM 2020 in Antholz wird es für Südtirol zu einem Marketing-GAU kommen. Weil Land und die damalige SMG in Sachen Athletensponsoring versagt haben. Die Hintergründe.
von Artur Oberhofer
Der Marketing-GAU wird spätestens am 14. Februar 2020 eintreten, wenn bei der Biathlon WM in Antholz der erste Damenbewerb, der Sprintwettkampf, ausgetragen wird.
Dorothea Wierer, die stolze Südtirolerin, wird bei ihrer Heim-WM, in der bis auf den letzten ausverkauften Südtirol-Arena, also in ihrem Heimattal und vor einem Millionenpublikum vor den TV-Geräten, nicht mit dem Südtirol-Logo auf der Stirn, sondern mit dem Livigno-Logo antreten.
Clever, clever, die Werbestrategen in Livigno, ist man versucht zu sagen.
Doch die traurige Wahrheit ist: Die Super-Biathletin wäre viel lieber mit dem Südtirol-Stempel auf der Stirn an den Start gegangen. Und „Doro“ wäre für die Südtiroler Sportmarketing-Strategen beim Land und bei der SMG (die inzwischen in die IDM einverleibt worden ist) auch zu haben gewesen. Sogar zu annehmbaren Konditionen.
Aber: Man hat Doro nicht haben wollen! „Land und IDM haben die Sache verbockt“, sagt unumwunden ein Insider.
Die TAGESZEITUNG kann die sportpolitische Posse im Fall Land/Doro Wierer jetzt exklusiv und auf der Grundlage von vertraulichen E-Mails und Dokumenten rekonstruieren. Es entsteht das Szenenbild von zwei Institutionen – Land und die ehemalige SMG –, die nicht wissen, was der/die andere tut, die sportmarketingtechnisch kein Konzept haben, die nicht flink und flexibel auf dem schnelllebigen Sportmarkt agieren und reagieren können – und die offenbar völlig überfordert sind.
Die Geschichte, die ein extrem schiefes Licht auf die PR-Strategen von Landes Gnaden wirft, beginnt am 20. November 1015.
Um 20.31 Uhr geht beim damaligen Direktor der Südtirol Marketing Gesellschaft (SMG), Marco Pappalardo, eine E-Mail eines PR-Managers ein, der zahlreiche Top-Athleten betreut: Christof Innerhofer, Nadia Fanchini, Federico Pellegrino usw. Dieser Manager ist auch als PR-Berater der Biathletin Dorothea Wierer tätig.
In der E-Mail teilt der PR-Manager dem SMG-Direktor mit, dass er sich „im Auftrag von Dorothea Wierer“ melde. Der Manager erklärt, seiner Klientin Doro Wierer liege ein Sponsor-Angebot einer Tourismusorganisation von außerhalb Südtirols vor. Daher, so heißt es in der E-Mail, die der TAGESZEITUNG vorliegt, „haben wir gedacht, dass es korrekt ist, wenn wir Sie sofort kontaktieren (…), auch weil die Südtirol-Marke in der vergangenen Saison einer der Sponsoren von Dorothea war“.
Zusammengefasst: Auf ausdrücklichen Wunsch von Dorothea Wierer und aus Korrektheit gegenüber dem Land als bisherigen Sponsor informiert der Manager die SMG, dass der Biathletin ein Angebot einer auswärtigen Tourismusorganisation vorliege. Mehr noch: Der Manager nennt den SMG-Verantwortlichen sogar den Betrag, den der Konkurrent – die Tourismusorganisation Livigno – bietet, so dass Land und SMG mit-matchen können. Nämlich: 40.000 Euro.
Eine zweite E-Mail geht nach Antholz.
Weil Doro Wierer so sehr an ihrem Heimattal hängt, informiert ihr PR-Berater nicht nur die SMG, sondern auch noch das Biathlonkomitee in Antholz bzw. den Tourismusverein Antholzertal über das Angebot aus Livigno.
Der Verwaltungsrat des Tourismusvereins Antholzertal befasst sich denn auch umgehend mit dem „Fall Doro“. Die Antholzer wären auch „sehr interessiert“ an einem Sponsoring von Dorothea Wierer, so heißt es in der Antwort-Mail vom 26. November 2015, und das nicht nur „weil Dorothea aus dem Tal stammt“, sondern weil sie ¡„jung und sympathisch“ sei. „Allerdings“, so die Auskunft, seien „die Kosten für unseren Tourismusverein zu hoch“.
Viel hindernisreicher und komplizierter gestaltet sich die Kommunikation zwischen dem Wierer-Berater und der SMG.
So teilt die Sekretärin von SMG-Direktor Marco Pappalardo dem Manager von Doro Wierer nach einigen Tagen mit, dass er gar nicht zuständig sei. Was das Sponsoring angeht, solle er sich entweder an das Amt für Handel und Dienstleistungen oder an das Sportamt des Landes wenden. Sollte eines der beiden Ämter mit der Kohle für Doro herausrücken, würde die SMG den Gebrauch der Südtirol-Marke natürlich gestatten. „Cordiali saluti.“
Doro Wierer s PR-Berater wendet sich an das Amt für Handel und Dienstleistungen.
Aber dort hat man entweder nicht verstanden, was der Manager wollte – oder man war heillos überfordert und hat Äpfel mit Birnen verwechselt.
Am Dienstag, 24. November 2015, geht nämlich aus dem Amt für Handel und Dienstleistungen eine E-Mail ab, die ein bürokratisches Kreuzworträtsel darstellt.
Die Argumentation in der E-Mail ist schlicht und ergreifend nicht nachvollziehbar. Daher die E-Mail im (italienischen) Wortlaut:
„… ringraziamo per la Sua Mail con la richiesta dell’athela Dorothea Wierer. Ne abbiamo parlato nel gruppo tecnico di sponsoring e purtroppo Le dobbiamo confermare, che non è possibile formalizzare contratti di sponsorizzazione per l’atleta con aziende ed enti le cui attività siano incompatibili con quella della Provincia (destinazioni turistiche e prodotti contraddistinti dal marchio di qualità); Una destinazione turistica non dell’Alto Adige perció rientra in queste attività.“
Was will die Beamtin dem Manager mitteilen? Dass Doro nicht für eine auswärtige Tourismusorganisation werben darf? Dass sie nicht gleichzeitig ein Südtirol- und ein Livigno-Logo tragen darf (was nie zur Debatte gestanden hat)?
Der Manager versteht in jedem Fall Bahnhof. Laut FISI-Reglement darf sich Doro Wierer sehr wohl selbst einen Main Sponsor suchen. Und warum sollte Doro Wierer keine Werbeverträge mit auswärtigen Tourismusorganisationen schließen können, wo doch das Sponsoring durch die Dachmarke im Sommer 2015 ausgelaufen war? Bis 2105 war die Dachmarke Seitenkopf-Sponsor von Doro Wierer gewesen. Dafür hatte die Biathletin knapp 9.000 Euro pro Jahr kassiert.
Die SMG bzw. das Land hätten also im fernen Jahr 2015 die Möglichkeit gehabt, Kopfsponsor von Dorothea Wierer zu werden. Aus dem direkten Umfeld der Biathletin heißt es: „Doro hätte sich selbst dann für Südtirol entschieden, wenn das Land oder die SMG das Angebot von Livigno – 40.000 Euro plus Prämien – nicht überboten hätte, mit 35.000 Euro wäre der Vertrag unter Dach und Fach gewesen.“
Aber das Land hat Doro nicht wollen – und so kam eben Livigno zum Zug.
Und wie das Leben so spielt: Wenige Tage nachdem das Land der Antholzer Biathletin einen Korb gegeben hatte, feierte Doro Wierer am 3. Dezember 2015 im schwedischen Östersund ihren ersten Weltcupsieg.
Zwei Jahre lang war Livigno der Kopfsponsor von Dorothea Wierer, ehe dann Loacker auf die bildhübsche Antholzerin setzte.
Der kolportierte Sponsorbetrag, den der Südtiroler Süßwarenherstellter an Doro Wierer bezahlte: Rund 60.000 Euro plus Prämien pro Jahr.
Dieser Vertrag lief im letzten Sommer aus. Und wiederum hätten das Land und die IDM die Chance gehabt, die Ausnahmeathletin „heimzuholen“. Hätte man 2015 zum Ehrenschutz der Beteiligten noch sagen können, Doro Wierer hat noch kein Weltcuprennen gewonnen, so hätten Land und IDM spätestens im Vorjahr zuschlagen müssen – vor allem in Hinblick auf die Biathlon-WM 2020 in Antholz.
Weil aber vonseiten des Landes und der IDM wiederum kein Angebot kam, zog Livigno eine Option und sicherte sich erneut für zwei Jahre die Dienste von Dorothea Wierer.
Für die Tourismusorganisation von Livigno erwies sich das Sponsoring von Dorothea Wierer als Volltreffer in jeder Hinsicht. Die geschätzten 100.000 Euro, die Livigno heuer inklusive Prämien an Doro Wierer ausbezahlt hat, waren Peanuts im Vergleich zum erzielten Werbewert.
Denn Experten gehen im Fall von Dorothea Wierer, die heuer im Weltcup, drei WM-Medaillen und die große und eine kleine Kristallkugel gewonnen hat, von einem Return on Investment von 300 aus. Sprich: Für eine Investition von 100.000 Euro hat Livigno einen Werbewert von drei Millionen Euro erzielt.
Die Maßstäbe für diese Kennzahlen sind die Fernsehminuten, in denen das Livigno-Logo beispielsweise in der ARD (mit Spitzen bis zu drei Millionen Zuschauern) und anderen Großsendern zu sehen war. Aber auch die Präsenz in den sozialen Medien. Was die Strategen beim Land und bei der IDM wohl auch unterschätzt haben: Doro Wierer hat zwischen Facebook und Instagram über 500.000 Follower.
Die Antholzerin ist damit eine der wichtigsten Influencerinnen des Landes – wenn nicht die wichtigste.
Land und IDM haben – statt auf Doro – leider auf das falsche Pferd gesetzt: auf die Deutsche Laura Dahlmeier. Dafür, dass die Deutsche das Südtirol-Logo (meist verdeckt durch die hochgezogenen Brille) auf den beiden Kopfseiten trägt, bekommt sie vom Land 65.000 Euro pro Jahr!
Für diese Summe hätten Land und IDM im vergangenen Jahr noch die Stirn von Doro Wierer bekommen!
Eine „technische Arbeitsgruppe“ habe sich für Laura Dahlmeier entscheiden, erklärte der neue Wirtschafts-Landesrat Philipp Achammer jetzt zerknirscht in einer Anfragebeantwortung.
Insider fragen sich vor dem Hintergrund des Falles Doro Wierer: Ja, wer sitzt denn in dieser Arbeitsgruppe, die das kauderwelsche Mail vom 24. November 2015 verfasst bzw. initiiert hat und die nicht auf die Idee gekommen ist, im vergangenen Sommer bei Doro Wierer anzufragen, ob man sie als Kopfsponsor im Hinblick auf die bevorstehende Antholz-WM gewinnen kann? Wer sind diese Experten, die 65.000 Euro für eine kaum sichtbare Kleinwerbung auf der Kopfseite einer bundesdeutschen Athletin ausgeben, wenn sie für dieselbe Summe den ganzen Kopf einer einheimischen Athletin kommen, die als als Werbevehikel in Russland, in Italien (die „Gazzetta dello Sport“ feiert die Gold-Doro wie vor 20 Jahren einen Alberto Tomba), in Deutschland, in Frankreich, in der Schweiz, in Österreich und in Skandinavien taugt?
Nicht von ungefähr strecken jetzt auch potente Unternehmer (Pfanner, Viessmann, Yoka) die Fühler nach der Antholzerin aus. „Doro ist nicht nur eine erfolgreiche Athletin, sondern auch eine Persönlichkeit“, so ein Insider.
Die Mitglieder dieser Arbeitsgruppe werden sich spätestens am 14. Februar 2020 in den Hintern beißen, wenn sie daheim auf der Couch sitzen und mit ansehen müssen, wie Doro Wierer bei ihrer Heim-WM auf der Stirn in die Antholzer Südtirol Arena einläuft – mit dem Livigno-Logo auf der Stirn.
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Kommentare (30)
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tiroler
Typisch für die unfähigen, selbsternannten Experten im topbezahlten Landesdienst, die im freien Markt kläglich versagen würden. Der Organisator des SVP Niedergangs, Yuppie Achi hat natürlich eine Ausrede parat.
besserwisser
der flughafenwirschaftslandesrat wirds mit ein paar schönen sonntagsreden schon wieder richten.
da sind profis am werk … den „kopf“ vom seppi hätte das land in der anfangszeit seiner karriere fast gratis bekommen, aber die profis vom dienst wissen ja wies läuft ….
criticus
Wie zu alten DDR-Zeiten, die Partei gründet Organisationen die sie in der Hand hat und nicht flexibel sind. Macht ja nichts, dafür werden die Funktionäre dieser Organisationen noch fürstlich bezahlt. Versagen sie, dann hat keiner Schuld. Eben wie damals in der DDR.
erich
Jedes Amt hat einen politischen Vorgesetzten, aber seit Kompatscher und Achammer entscheiden nur mehr die Beamten, eben teils ahnungslose Bürokraten.
andreas
Bei der Antwort des Amtes für Handel und Dienstleistungen sollte auch dem Manager aufgefallen sein, dass diese entweder die Frage falsch verstanden haben oder die Anfrage falsch gestellt wurde. Beide Probleme wären mit etwas gutem Willen lösbar gewesen.
Wenn Pappalardo wirklich die Aussage getätigt hat, dass wenn andere das Sponsoring finanzieren, sie die Verwendung des Logos „erlauben“ würden, sagt das recht viel über die Selbstgefälligkeit mancher öffentlichen Institutionen aus.
guyfawkes
Man hatte sich für Dahlmeier entschieden weil diese im wichtigsten Herkunftsland der Touristen eben bekannter ist. Was ist daran so schwer zu verstehen?
Alles andere ist nur billige Polemik.
erich
Für ein teures Logo das niemand sieht.
roberto
Der dorfschlaue Manager wollte mit den üblichen Trick, „die geben mir das was gebt ihr mir dafür“ das Land, die SMG und IDM für blöde verkaufen, weshalb auch die Mitteilungen hinsichtlich von diesen Organisationen und öffentlichen Einrichtungen dementsprechend abgefasst worden sind. Einfach nur lächerlich diese Manager, die im Biathlon Sport ihren Unfug treiben. Beim Dopingfall in Antholz hatte man auch auf den auffälligsten Doktor gesetzt, der schon lange unter Beobachtung stand.
Mit der Antholzer Bauernschläue kommt man eben nicht recht weit, die hohen Berge verschließen den notwendigen Weitblick und wiegen die Dinge in die trügerische Sicherheit 🙂