Aufgehobenes Gesetz
In der Generaldebatte erinnerte L’Alto Adige nel cuore daran, dass die Frage ihren Ursprung im ersten Autonomiestatut habe.
Bei der Verabschiedung des Landesgesetzes von 2012 habe man darauf hingewiesen, dass dieses rechtlich nicht standhalten werde, weil es dem Statut widerspreche. Nun sage dies auch die Mehrheit. Die Lösung liege nicht im Streichen, sondern im Ergänzen des Verzeichnisses, damit alle selbst auswählen könnten.
Es seien die Mitte-rechts-Kräfte im Landtag gewesen, welche die Regierung aufgefordert hätten, das Gesetz anzufechten. Danach sei versucht worden, die Frage über eine Durchführungsbestimmung zu lösen, mit der Einsetzung einer paritätischen Kommission zu den Namen. Die Lösung habe den Makel gehabt, dass eine Sprachgruppe über die Namen der anderen hätte entscheiden können. Gerecht wäre es, wenn jede Sprachgruppe über ihre Namen entscheiden könnte. L’Alto Adige nel cuore verwies auf das Verfassungsgerichtsurteil zu San Jen/Fassa, in dem betont werde, dass Italienisch die offizielle Sprache sei und dass Namen der Minderheiten nur beigefügt werden können.
Die Süd-Tiroler Freiheit erinnerte daran, dass die deutschen Ortsnamen derzeit nur geduldet seien. In vielen Situationen, etwa bei Onlinekarten, erscheine Südtirol samt allen Ortsnamen als italienische Provinz. Mit der Abschaffung des Landesgesetzes von 2012 eröffne sich die Möglichkeit für eine wissenschaftlich fundierte und damit einzig friedliche Lösung.
Das Grundübel sei die falsche Auslegung der Zweisprachigkeitspflicht. Namen könne man nicht übersetzen. Das zitierte Urteil zeige, dass auch das Verfassungsgericht uns als Bürger zweiter Kategorie sehe. Deutsch und Ladinisch würden nicht als gleichwertig anerkannt. Die Südtiroler seien keine Italiener, und Südtirol sei nicht Italien. Südtirol habe Toponomastikexperten, diese sollten bei einer Lösung zu Rate gezogen werden. Ebenso sollten die faschistischen Ortsnamensdekrete abgeschafft werden.
Tolomei sei davon ausgegangen, dass sich die Südtiroler irgendwann an seine Namen gewöhnen würden. Ein Unrecht könne nie Recht werden. Die Südtiroler seien mit schuld an der Situation, da sie immer wieder die tolomeischen Namen verwendeten, etwa im Tourismus. Die Gebräuchlichkeit könnte ein Kriterium sein, aber nicht, wenn bereits viele Namen davon ausgenommen würden. Das Ortsnamengesetz sollte übrigens nicht in Verbindung mit den Straßennamen gebracht werden. Es gebe viele einsprachige Straßennamen, die nicht in diese Diskussion gezogen werden sollten. Die Lösung könne nur darin bestehen, dass man Tabula rasa mache und dann definiere, welche Namen richtig seien. Mit der historischen Lösung würden alle Namen von Gemeinden bleiben, in denen mindestens 6 Prozent Italiener leben.
Die Toponomastik sei bisher nie zufriedenstellend gelöst worden, meinten die Freiheitlichen. Die Lösung sollte auf den Willen des Landtags zurückgehen, nicht nur der Landesregierung. Eine Lösung sollte den Minderheitenschutz und die UN-Menschenrechtskonvention berücksichtigen. Namen seien nicht übersetzbar, daher sollte eine amtliche Einnamigkeit angestrebt werden. Es brauche eine gerechte Lösung, die auch international vertretbar sei.
In Aosta, Katalonien oder Wales sei die Wiederherstellung der historisch gewachsenen Namen möglich gewesen. Die Freiheitlichen seien für eine Prozentlösung: Nur jene Orte sollten einen Doppelnamen haben, in denen eine Sprachgruppe einen bestimmten Prozentsatz erreicht. Für die Mikrotoponomastik sollte die UN-Vorgabe der Einnamigkeit gelten. Es gehe nur um die amtliche Ortsnamenregelung, für den täglichen Gebrauch durch die Bürger ändere sich nichts.
Die Grünen stellten eine gewisse Müdigkeit in dieser Debatte fest. Seit Jahrzehnten verharrten Politik und Öffentlichkeit der beiden Seiten auf ihren Situationen, man sei keinen einzigen Schritt weitergekommen.
In anderen Fragen, etwa bei der Aufarbeitung der Geschichte habe man sich genähert, in der Toponomastik nicht. Die SVP habe nie die deutschen Namen nie offiziell machen wollen, mit dem Argument, dass sonst die Frage abgeschlossen sei und alle italienischen Namen blieben. Die italienischen Namen seien nur 8.000 von über 100.000. Das Thema werde immer wieder für Wahlkampfzwecke missbraucht, das gegenständliche Gesetz ein Jahr vor den Wahlen verabschiedet. Nun wolle die SVP ihr eigenes Gesetz zurückziehen, aus Angst, das Verfassungsgericht verpflichte dazu, alle Namen zu übersetzen. Auch der Heimatpflegeverband habe sich dafür ausgesprochen, die deutschen Namen zu legalisieren und anzuerkennen, dass man in einem mehrsprachigen Gebiet lebe.
In der derzeitigen Situation hätte man die große Chance, vom Verfassungsgericht zu hören, wie man sich orientieren solle. Ansonsten mache man einen neuen Versuch und müsse wieder warten, was das Verfassungsgericht dazu sage.
Das Ziel habe sich unter dem Druck der patriotischen Kräfte verschoben: Man wolle nun nicht mehr die deutschen Namen anerkennen, sondern ein paar italienische abschaffen. Man erkenne einen imperialistischen Zug, den Willen, ein Gebiet über die Namen zu markieren. Man werde aus dem Dilemma nicht herauskommen, wenn man weiter diese Scheinziele anpeile. Alle italienischen Namen könne man nicht streichen, und wenn man einen Teil streiche, dann bleibe man weiter unter dem Druck der patriotischen Fraktion. Die einzige Lösung wäre die ursprünglich angestrebte: die Anerkennung der deutschen Namen.
Die Landesregierung verwies auf das Urteil zu Sèn Jan. Dieses würde bedeuten, dass alle Namen auf Italienisch übersetzt werden müssten. Im jetzigen juristischen Kontext, ohne Durchführungsbestimmung, würde das Landesgesetz von 2012 vor dem Verfassungsgericht nicht Bestand haben. Die SVP sei nicht für die historische Lösung, denn viele Namen seien heute in Gebrauch.
Bei der in der Sechser-Kommission vorgeschlagenen Lösung hätten beide Sprachgruppen entscheiden können. Bei der Feststellung des Gebrauchs hätte die Mehrheit gezählt, also auch ein Teil der anderen Sprachgruppe. Mit einem solchen Kompromiss, mit einer fairen Regelung, könnte man einen Schlussstrich ziehen, auch wenn die Verfechter der historischen Lösung enttäuscht wären. Die Landesregierung wies auf darauf hin, dass man die Bestimmung zu den Straßennamen (Art. 1-bis) nicht in ein Toponomastikgesetz, sondern in ein Denkmalgesetz schreibe.
Der Übergang zur Artikeldebatte wurde mit 27 Ja und 1 Enthaltung genehmigt.
Art. 1 enthält die Aufhebung des Landesgesetzes von 2012 zu den Ortsnamen.
L’Alto Adige nel cuore plädierte für die Abschaffung des Gesetzes, kritisierte aber die Absicht, deutsche Namen anzuerkennen und italienische abzuschaffen. Das Verfassungsgericht habe das Primat der italienischen Sprache festgestellt, aber dieses Primat stehe nicht in der Verfassung, sondern im Autonomiestatut. Jede Sprachgruppe sollte über ihre Namen entscheiden, um sich hier daheim fühlen zu können.
Die Lega Alto Adige-Südtirol sah in der Abschaffung die Chance für einen Neuanfang. Über dieses Land sollten die Sprachgruppen gemeinsam entscheiden.
Der Artikel wurde mit 25 Ja und 1 Enthaltung genehmigt.
Art. 1-bis legt fest, dass öffentliche Orte nicht nach Personen benannt werden, die vor weniger als zehn Jahren verstorben sind. Die Landesregierung könne nach Anhörung der Abteilung Denkmalpflege Ausnahmen für verdiente Persönlichkeiten gewähren. Diese Bestimmung soll in das Denkmalschutzgesetz geschrieben werden.
L’Alto Adige nel cuore forderte, dass der Direktor der Abteilung Denkmalschutz über die Ausnahme befinden solle.
Die Grünen sprachen sich dagegen aus, die Autonomie der Gemeinden sollte gewahrt werden.
Die Landesregierung präzisierte, dass die Gemeinden ihre Befugnisse weiter ausüben könnten. Es gehe hier nur um die Benennung nach verdienten Persönlichkeiten.
Der Änderungsantrag wurde abgelehnt.
L’Alto Adige nel cuore fand den Abstand von 10 Jahren angemessen.
Die Grünen forderten eine sprachliche Anpassung, damit beide Geschlechter vertreten seien.
Dazu hatte die Landesregierung keine Einwände. Auf die Frage der Süd-Tiroler Freiheit erklärte sie, dass Privathäuser nicht davon betroffen seien.
Der Artikel wurde mit 25 Ja und 2 Enthaltungen genehmigt.
Art. 2 zum Inkrafttreten wurde ohne Debatte genehmigt.
L’Alto Adige nel cuore sprach sich eindeutig für die Abschaffung des Gesetzes von 2012 aus. Mit diesem hätte man der Gebrauch der Namen feststellen müsse, was immer eine Streitfrage geworden wäre. Jede Sprachgruppe sollte über ihre Namen entscheiden. Ergänzen sei die Devise, nicht Streichen – deshalb sollten die deutschen Namen offiziell anerkannt werden.
Die Süd-Tiroler Freiheit kündigte ebenfalls Zustimmung an. Mit der Abschaffung werde der Weg für eine wissenschaftlich fundierte Lösung frei. Nur die historische Lösung könne eine friedliche Lösung sein. Unrecht dürfe nicht zu Recht werden.
Die SVP erklärte, dass man nicht unbedingt begeistert für die Abschaffung stimme. Es sei ein Grundrecht, die eigenen historischen Namen zurückzubekommen, das müsse man weiter anstreben.
Die Freiheitlichen erklärten ihre Zustimmung und verwiesen zur Begründung auf das in der Generaldebatte Gesagte.
Der Gesetzentwurf wurde mit 25 Ja und 1 Enthaltung genehmigt.
Die April-Sitzung war damit beendet.
Ähnliche Artikel
Kommentar abgeben
Du musst dich EINLOGGEN um einen Kommentar abzugeben.