Von Guernica zu Aleppo
Die Ruinen von Aleppo stehen auf den Trümmern von Guernica: Der Berliner Künstler Michael Dyne Mieth interpretierte in der Innsbrucker Hofburg Picassos Meisterwerk Guernica mit einem starken Gegenwartsbezug.
Tageszeitung: Herr Dyne Mieth, Sie interpretieren Picassos ikonisches Gemälde „Guernica“ mit einem starken Gegenwartsbezug
Michael Dyne Mieth: Picassos Arbeit und ihre zentrale Aussage sind leider so aktuell wie zur Zeit ihrer Entstehung. Krieg und Zerstörung sind nach wie vor eine Bedrohung für das Leben von Millionen Menschen. Die Ruinen von Aleppo stehen auf den Trümmern von Guernica. In dieser Hinsicht hat die Menschheit nichts dazugelernt. Deshalb hat meine Interpretation natürlich einen starken Bezug zur Gegenwart. Ich habe bewusst Elemente des Originals übernommen, um auf die Kontinuität von militärischen Konflikten und das damit verbundene Leid hinzuweisen. Dagegen habe ich bspw. den Boden in Form eines Schachbretts dargestellt, um die Dualität von Gut und Böse zu visualisieren. Wer zu den Guten und wer zu den Bösen gehört, ist stets Sache der Sichtweise. Was für die einen Freiheitskämpfer sind, sind für die anderen Terroristen. Die Waffen, die als Blumen getarnt sind, symbolisieren deshalb die zweifelhafte Funktion der Medien und deren Propaganda. Die Wahrheit stirbt bekanntlich im Krieg als erste. Neben dem Einbezug der Gegenwart enthält das Bild eine Warnung für die Zukunft. Die Tränen des Auges stehen für die drohenden Konflikte um Wasser in nicht allzu ferner Zeit.
Seit wann beschäftigen Sie sich mit dieser Ikone der Kunst und was repräsentiert dieses Gemälde für Sie als Künstler?
Anfang der 90er Jahre fing ich mit der Malerei an. Vicente, ein mallorquinischer Künstler und zugleich Vater eines Freundes von mir, unterstützte und motivierte mich, mein künstlerisches Talent weiter zu verfolgen. Als Spanier hatte Picasso einen ganz besonderen Einfluss auf ihn gehabt. Aus diesem Grund habe ich schon sehr früh angefangen, mich mit diesem Ausnahmekünstler zu beschäftigen. Und Guernica? Es ist die Abstraktion des Grauens. Die Anordnung der Elemente, der Stil und seine Figuren fesseln mich, seit ich es das erste Mal gesehen habe. Es ist ein absolutes Meisterwerk.
Sie sind dem Auto über die Leinwand gefahren – wie darf man diesen künstlerischen Akt in Zusammenhang mit Guernica verstehen?
Ich bin ein Berliner und verwende einen Lincoln Continental, um über die Leinwand zu fahren. Kennedy saß in einem solchen Wagen, als er ermordet wurde. Er war für die meisten Menschen eine Symbolfigur. Er stand einerseits für Freiheit und gleichzeitig war er verantwortlich für den Eintritt der USA in den Vietnamkrieg. So wollte ich zum Ausdruck bringen, wie nah Krieg und Frieden beieinander liegen können. Außerdem stehen die Abdrücke für die Spuren der Verwüstung. Es sind die Spuren der weltweiten Militärmaschinerie, die Chaos und Zerstörung in den Städten und dem Leben der Menschen verursachen.
Engagieren Sie sich auch in anderen Friedensprojekten?
Ich bin erst vor ein paar Monaten in Kenia gewesen, um die Auma Obama Sauti Kuu Foundation mit dem von mir initialisierten Projekt „ART AS A PERSPECTIVE“ zu unterstützen. Es ist nicht direkt ein Friedensprojekt. Die Stiftung unterstützt Kinder aus sehr armen Verhältnissen und versucht, ihnen eine Perspektive aufzuzeigen. Ich habe mit einer Gruppe von Kindern und Jugendlichen einen Mal-Workshop durchgeführt. Ich wollte ihnen zeigen, dass man auch mit einfachsten Mitteln Kunst machen kann. Und wer lernt, seine Emotionen auszudrücken, lernt auch, seine Aggressionen zu verarbeiten und zu kanalisieren. Kunst verhindert keine Kriege, aber kann zu einem persönlichen Frieden beitragen.
Sie sind unter anderem bekannt für ein Porträt von Barack Obama, das Teil von Obamas Sammlung geworden ist. Wie kam es dazu?
Bei einer Ausstellung meiner Bilder in Berlin hat die Managerin von Auma Obama, der Schwester von Barack, ein Bild von mir gekauft. Darüber hinaus hat sie die Portraits von Barack, Auma und ihrem Vater in Auftrag gegeben. 2016 in Hannover wählte Barack Obama zwei dieser von mir gemalten Portraits als persönliches Geschenk von seiner Schwester und ihrer Managerin aus. So haben zwei meiner Kunstwerke einen festen Platz im Haus des früheren US-Präsidenten Barack Obama gefunden.
Der Auftritt in der Innsbrucker Hofburg war Ihr erstes Gastspiel als Künstler in Tirol. Haben Sie einen Bezug zu Österreich und Tirol?
Ich habe neben der deutschen auch die österreichische Staatsbürgerschaft. Mein Urgroßvater mütterlicherseits ist von Slowenien nach Graz ausgewandert. Ein Teil meiner Familie lebt in Wien. Aus diesem Grund habe ich natürlich eine besondere Verbindung zu Österreich. Es ist das erste Mal, dass ich in Österreich ausstelle. Dass das ausgerechnet im Museum der Kaiserlichen Hofburg ist, ist für mich eine große und ganz besondere Ehre.
Wie reagierte das österreichischen Publikum auf G18?
Es war eine unglaubliche Herausforderung, eines der bedeutendsten Werke der Moderne neu zu interpretieren. Mit Picasso kann man sich weder messen, noch vergleichen. Alles was ich mir wünschte, war ein offener und ehrlicher Umgang mit meiner Vorstellung von Guernica.
Michael Dyne Mieth
Für das Finale der Ausstellung „Guernica – Ikone des Friedens“ , kuratiert von Serena Baccaclini, in der Innsbrucker Hofburg, hat der Berliner Künstler Michael Dyne Mieth eine zeitgenössische Interpretation des ikonischen Gemäldes von Pablo Picasso erarbeitet. Das Werk „G18“ ist ein Triptychon in den Maßen von 3,50 x 7,77 Metern. Michael Dyne Mieth ist als Künstler für Überraschungen bekannt. Der 2014 als„bester Newcomer des Jahres“ ausgezeichnete Berliner erregte bereits mehrfachweltweites Aufsehen in der Kunstszene, z. B. durch seine mit Kaffee gemaltenBilder in Kalkutta, der Erfindung derKunstrichtung „Mit dem Auto über dieLeinwand“, der „Tapeart“ oder dem Portrait von FriedensnobelpreisträgerBarack Obama. Die Aktion in Innsbruck war ein gemeinsames Projekt desKünstlers mit dem Kunstmagazin MilionArt Kaleidoscope und den Berliner Mäzenen Raik Puhl und Klaus Fischer.
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