Unter Alk-Einfluss
Ein Jahre und zwei Monate Haft wegen Tötung im Straßenverkehr für einen (betrunkenen) Bozner, der 2016 einen (betrunkenen) Radfahrer überfuhr. Ein juristischer Grenzfall.
von Thomas Vikoler
Es war 2.45 Uhr in der Nacht und der Radfahrer, der in Bozen eine Party besucht hatte, glaubte mit einem sicheren Verkehrsmittel unterwegs zu sein. Seinem Fahrrad. Doch dann, an der Abzweigung zum Moritzingerweg stadtauswärts in der Nähe des Krankenhauses, passierte es.
Der 26-Jährige aus Siebeneich überquerte die Straße in der Nähe eines Zebrastreifens und wurde von einem entgegenkommenden PKW erfasst. Er krachte mit voller Wucht gegen die Windschutzscheibe und erlag wenig später im nahen Spital seinen schweren Kopfverletzungen.
Gestern, mehr als zweieinhalb Jahre nach dem tödlichen Unfall im Juli 2016, wurde am Landesgericht ein 28-jähriger Bozner zu einem Jahr und zwei Monaten Haft wegen Tötung im Straßenverkehr („omicidio stradale“) verurteilt. Die niedrigistmögliche Strafe im verkürzten Verfahren zu diesem wenige Monate vor den Unfall am Moritzingerweg eingeführten neuen Strafbestand.
Die Besonderheit des Falles: Beide Beteiligte des Unfalls waren betrunken. Beim Autolenker wurden 1,43 Promille gemessen (er gab an, zwei Bier getrunken, aber nichts gegessen zuhaben), beim Radfahrer 0,83 Promille.
Die genaue Dynamik des Zusammenpralls ließ sich nicht rekonstruieren. Laut Gerichtsgutachten war der PKW beim Zusammenprall zwischen 50 und 55 Stundenkilometer unterwegs. Die Reaktionszeit des Lenkers wurde mit 1,1 bis 2,2 Sekunden angegeben. Der Radfahrer machte sich laut Carabinieri-Bericht gleich vier Verstößen gegen die Straßenverkehrsordnung schuldig: Er fuhr gegen die Fahrtrichtung, überfuhr den durchgehenden Mittelstrich, blieb nicht auf Radweg und überquerte die Straße an einer dafür nicht vorgesehenen Stelle.
Allerdings zeigte sich – auch mit Hilfe eines Videos eines Bekannten -, dass das E-Bike des Radfahrers mit eingeschaltetem Vorderlicht unterwegs war. Der entgegenkommende Autofahrer hätte ihn demnach bereits vor dessen „wilder“ Straßenquerung sehen müssen.
Ausschlaggebend für den Schuldspruch war aber der Alkohol, die 1,43 Promille. Denn es handelt sich um Begehungsdelikt und die Verteidigung (Beniamino Migliucci) hätte nachweisen müssen, dass der Autofahrer unter Alk-Einfluss sich genauso verhalten hat wie er es im nüchternen Zustand getan hätte. Eigentlich unmöglich, ein juristischer Grenzfall. Migliucci argumentierte hingegen, dass der Unfall zu vermeiden gewesen wäre, hätte der Radfahrer dem PKW nicht den Weg abgeschnitten.
Doch wer, so befand am Ende Richter Walter Pelino, mit Alkohol im Blut Auto fährt, setzt sich und andere grundsätzlich einem Risiko aus.
Die Versicherung des Autofahrers hat den Hinterbliebenen inzwischen eine Anzahlung von 300.000 Euro Schmerzensgeld gezahlt. Deshalb erhielt der Verurteilte – neben der Mit-Schuld des Opfers – auch den mildernden Umstand der Opfer-Entschädigung.
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