Späte Rechnung
Für seine mittlerweile 36 Jahre alte Tochter soll Herr A. jetzt 75.000 Euro an Unterhalt bezahlen müssen. Das treibt den Mann, der auch noch für drei weitere Kinder zahlt, an die Grenze zum finanziellen Ruin.
von Silke Hinterwaldner
Irgendwann im Winter des fernen Jahres 1981 kamen sich die beiden näher. Herr A. und Frau B. lebten nur wenige Kilometer voneinander entfernt, sie waren damals noch sehr jung, gerade volljährig geworden und hatten wohl noch nicht ernsthaft geplant eine eigene Familie zu gründen. Und trotzdem passierte es.
Die „kurze Affäre“, wie Herr A. sagt, war zwar bald beendet, aber Monate später kam eine Tochter zur Welt. Nur: Herr A. wusste damals noch nicht, dass er der leibliche Vater des Mädchens war. Zu dieser Zeit musste er gerade seinen Militärdienst absolvieren, danach begann er mit seiner Arbeit in einem Industriebetrieb. Erst Jahre später, als die Tochter bereits sechs oder sieben Jahre alt war, schien offensichtlich, dass das Kind von ihm sei. „Ich habe dann versucht“, sagt Herr A., „eine Beziehung zu meiner Tochter aufzubauen. Aber das hat nicht geklappt.“ In den darauffolgenden Jahren ging jeder seine eigenen Wege. Herr A. heiratete eine andere Frau und wurde noch einmal Vater von drei weiteren Kindern.
Für viele Jahrzehnte schienen die Folgen jener Winternacht beinahe vergessen oder zumindest nicht mehr wirklich wichtig. Herr A. und seine Frau haben sich später getrennt und noch einmal startete ein Versuch der Annäherung zu seinem unehelichen Kind – das damals immerhin schon über 30 Jahre alt war. Aber auch dieser Versuch brachte kein Happy End. Im Gegenteil.
Heute tauschen sich Frau B. und Tochter mit Herrn A. nur noch über die Anwälte aus. Herr A. soll der Mutter seines Kindes 75.000 Euro an Unterhalt zuzüglich weiterer Spesen zahlen, so hat es das Landesgericht in einem Urteil aus dem Jahr 2017 festgeschrieben. Ein Teil des Gehalts, das Ersparte und das Auto des Herrn A. wurden mittlerweile gepfändet. Dabei ist das gemeinsame Kind längst kein Kind mehr. Die Tochter ist 36 Jahre alt. Und der Betroffene sagt: „Es kann doch nicht sein, dass man nach so langer Zeit so viel Geld verlangen kann. Das treibt mich in den finanziellen Ruin.“
Zurück in das Jahr 1982: Nach der Geburt des Kindes stellte die Mutter keinerlei Forderungen an den leiblichen Vater. Sie lebte und arbeitete zunächst im Haus ihrer Eltern, sodass die Tochter gemeinsam mit den Großeltern aufwuchs. Erst Jahre später zogen die junge Mutter und die Tochter aus, um in einer eigenen Wohnung zu leben. Aber noch immer stellten sie keinerlei Forderungen an Herrn A.
In der Tat scheint die Geldfrage erst 2015 wirklich zum Tragen zu kommen. In diesem Jahr, also 33 Jahre nach der Zeugung, musste Herr A. zum Vaterschaftstest. Wie vermutet stellte sich dabei heraus, dass er tatsächlich der leibliche Vater ist. Dann dauerte es nicht lange und „völlig überraschend“, sagt Herr A. trudelte die Aufforderung nach Unterhaltszahlungen ein. War es zunächst noch ein geringerer Betrag so forderte die Mutter vor Gericht dann eine Summe über 86.000 Euro.
Ein Geldbetrag, der Herrn A. schwindeln lässt, schließlich muss er auch noch anderen finanziellen Verpflichtungen nachkommen. Herr A. geht seit vielen Jahren einer geregelten Arbeit nach und verdient mittlerweile gut 2.000 Euro monatlich. Davon muss er fast 900 Euro an Unterhalt für seine drei Kinder aus der geschiedenen Ehe abgeben. „Das mache ich gern, schließlich ist das selbstverständlich für mich“, sagt er. Dazu kommen 360 Euro, die er für seine Mutter aufbringen muss, die seit einiger Zeit im Altersheim lebt.
Und jetzt soll er weitere 75.000 Euro für seine uneheliche Tochter aufbringen. „Das macht mich völlig fertig. Ich bin pleite“, sagt er, „irgendwie muss ich aus diesem Schlamassel wieder herauskommen.“ Nach dem Urteil am Landesgericht 2017 ist er in Berufung gegangen. Mittlerweile wird zwar sein Gehalt nicht mehr gepfändet, aber sein Auto steht immer noch auf einem Stellplatz in Bozen. Und Herr A. wartet schon lange auf den Termin für das Berufungsverfahren, das sich nun schon über eineinhalb Jahre immer wieder verzögert.
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Wann die Verjährungsfrist startet. Und warum der Fall von Herrn A. kein Einzelschicksal ist.
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