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„Nicht die linke Wange hinhalten“

Der SVP-Abgeordnete Manfred Schullian erklärt, was man künftig mit einem Einbrecher machen darf, der den Wohnungseigner mit einem Strohhalm bedroht.

TAGESZEITUNG Online: Herr Schullian, bricht in Italien der Wilde Westen aus?

Manfred Schullian: Es wird derzeit mit Slogans gegen Slogans gearbeitet. Die Opposition spricht vom Wilden Westen, Salvini prägt die Botschaft: „Legittima difesa sempre!“ Man muss dieses Gesetz in zwei Teile splitten. Das geht es zum einen um die Verschärfung der Haftstrafen für Hausfriedensbruch

der Hausfriedensbruch soll künftig mit bis zu vier Jahren Haft bestraft werden …

Richtig, und auf Wohnungseinbruch stehen künftig bis zu sieben Jahre Haft. Damit kann man einverstanden sein, auch wenn zu sagen ist: In Italien würde es häufig reichen, wenn man die bestehenden Bestimmungen anwendet. Verschärft werden auch die Haftstrafen für Taschendiebstahl usw. Problematisch wird es dann mit der Notwehr …

Warum?

Die Notwehr ist ein Prinzip. Ich bin berechtigt, Gewalt anzuwenden, wenn ich meine Unversehrtheit oder die meiner Angehörigen verteidigen bzw. meine Güter schützen will, und zwar in dem Fall, wenn der Angreifer von seinem Tun nicht ablässt und wenn die Gefahr einer aggressiven Handlung durch den Angreifer besteht. In solchen Fällen muss ich also nicht die linke Wange hinhalten, sondern ich kann mich wehren.

Jetzt kommt das „aber“?

Richtig! Denn dieses Recht unterliegt dem Prinzip der Verhältnismäßigkeit. Wenn mir ein Einbrecher einen Plastikstrohhalm an die Kehle hält, kann ich ihn nicht erschießen …

Mit dem neuen Gesetz schon?

Es gibt bereits eine Norm, laut der es unter bestimmten Umständen möglich ist, sich mit Waffengewalt zu wehren. Etwa wenn man mit einer Schusswaffe bedroht wird, wenn also die Verhältnismäßigkeit gegeben ist. Im neuen Gesetz heißt es jetzt allerdings, dass diese Verhältnismäßigkeit immer – „sempre!“ – gegeben sei, wenn jemand in meine Wohnung eindringt, unabhängig ob er nur meine Briefmarkensammlung bedroht oder mich. Der Geist des Gesetzes ist: Im meiner Wohnung kann ich tun, was ich will.

Wie wird sich dieser neue Geist im Gesetz konkret auswirken?

Ich sehe das Gesetz sehr problematisch, weil man damit versucht, eine Rechtsvermutung zu etablieren. Ich denke, dass die Gerichte das Prinzip, das die Verhältnismäßigkeit immer gegeben ist, wenn jemand Hausfriedensbruch verübt, nie akzeptieren können.

Können Sie das ausführen?

Ich bin ja auch für das Recht auf Notwehr, aber dieses Recht darf nicht schrankenlos sein. Man muss jetzt sehen, wie die Gerichte diese neuen Bestimmungen anwenden werden und welche Rechtsprechung sich etabliert. Am Ende wird es wohl der Kassationsgerichtshof sein, der die definitive Richtung vorgibt.

Interview: Artur Oberhofer

 

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