Gelebte Strukturen
Das Kunstforum Neumarkt zeigt mit „Italy“ die südtirolweit erste Einzelausstellung der Münchner Künstlerin Eva Schöffel. Ein Besuch zahlt sich aus.
Von Adina Guarnieri
Streng reduziert sind die Materialien und Techniken, die Eva Schöffel verwendet. Die Werkschau im Kunstforum vereint Zeichnungen, Linolschnitte, Objekte und sogenannte Cut Outs (aus Karton herausgearbeitete Linien und Formen). Die Drucke entstehen im Handdruck, sodass es sich, auch im Falle serieller Produktionen, bei jedem Werk um ein Einzelstück handelt. Die Künstlerin bevorzugt direkte Verfahren, bei denen sie ohne Umschweife mit dem Cutter oder mit dem Konturmesser auf das Material einwirken kann. Es entstehen dabei lineare und grafische Arbeiten, die die klare Raumwahrnehmung der Künstlerin zum Ausdruck bringen.
Eva Schöffels Kunst lebt stark vom Unausgesprochenen, das, wie ein ungewisses Etwas, im Hintergrund agiert. Sie trennt das Essenzielle vom Drumherum und die Rückkehr zur Grundstruktur zieht sich wie ein roter Faden durch ihr Schaffen. Oft geht die Künstlerin von realen Erlebnissen aus. So hat sie z.B. die Straße, in der sie aufgewachsen ist, in Karton geschnitten, sie hat aber auch die Skyline von Tokyo oder ein Grenzhäuschen auf Zypern verewigen wollen. Sie interessiert sich für Strukturen und Linien, wie sie ineinanderlaufen und dabei beispielsweise im funktionalen Muster eines Parkplatzes zusammenfinden.
In einer Welt, in der wir vor lauter Bilder und Impressionen praktisch alles und gleichzeitig nichts mitkriegen, bietet uns „Italy“ einen Gegenentwurf. Straßen, Geschäfte und Büros sind künstliche Lebensräume, an die wir uns fast automatisch angepasst haben, eine Art Evolution vom Sonnenlicht hin zur gefilterten Luft der Einkaufszentren. Lichter und Lärm verhindern oft, dass wir unsere Umgebung bewusst wahrnehmen. Schöffel zeigt uns räumliche Grundstrukturen, die uns sehr bekannt und gleichzeitig fremd vorkommen, als könnten sie sich nirgendwo und überall auf der Welt befinden.
Ähnlich ergeht es dem Betrachter bei der Serie „Briefe“. Es handelt sich um Fotografien von Papierstücken, auf denen Feststellungen wie „now“ oder „me“ zu lesen sind. Keine wirklichen Briefe also, sondern kurze Hinweise und Botschaften, die jeder auf seine Weise interpretieren wird. Worte haben in der Vorstellung der Künstlerin eine besondere Bedeutung. So finden wir in ihren Werken oft vereinzelte Wörter wie „here“, „west“ oder „california“. Es sind wenige Buchstaben, die uns räumlich irgendwohin verorten, ohne uns genauere Hinweise zu liefern.
Geografisch verortet uns auch der Titel der Ausstellung: „Italy“. Jeder hat dabei ein anderes Bild vor seinem geistigen Auge. Die Künstlerin selbst spricht über die Italiensehnsucht der Deutschen und von der Erschaffung ideeller Sehnsuchtsräume. Gleichzeitig ist dieser Titel in Südtirol auch irgendwie provokativ, der Südtiroler verbindet mit „Italy“ sicherlich etwas anderes, als eine Künstlerin aus München oder ein Skitourist aus Rom. Müssen wir Räume eigentlich immer benennen? Hört ein gefühlter Raum an einer politisch gezogenen Grenze auf?
Termin: „Italy“ von Eva Schöffel im Kunstforum Unterland in Neumarkt bis 23. Februar. Öffnungszeiten: Di – Sa von 10 – 12 und von 16 – 18 Uhr. Eintritt frei.
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