Harter Winter
Die Wölfe sind enttäuscht – genauso wie die vielen Kinder und Jugendlichen, die in Bruneck Hockey spielen oder eislaufen. Sie alle warten ungeduldig auf das neue Eisstadion. Aber nachdem die Ausschreibung leer ausging, steht man wieder am Anfang.
von Silke Hinterwaldner
Carlo Calderan ist mit seinem Latein am Ende. „Natürlich“, sagt der Architekt aus Bozen, „handelt es sich bei diesem Eisstadion um ein sehr großes Gebäude. Aber ein Großteil davon besteht aus Beton- und Stahlbauelementen. Mit den Kosten ständig im Blick haben wir bereits sehr vieles reduziert. So kompliziert wäre das nicht zu bauen.“
Sein Architekturbüro Cez Calderan Zanovello hat im Juni 2015 die Ausschreibung für den Neubau der Eissportanlage in Bruneck gewonnen. Damals hatten sich immerhin 70 Büros am Wettbewerb beteiligt, um eine Eishalle für 3.000 Personen bauen zu können. Damals rechnete man damit, dass dieser Bau bereits in der laufenden Saison bespielt werden kann.
Davon ist man heute meilenweit entfernt. Das liegt ganz bestimmt auch an der veränderten wirtschaftlichen Situation: War die Bauwirtschaft vor 2015 noch in Krise und ständig auf der Suche nach attraktiven Aufträgen, so boomt der Sektor mittlerweile wieder. Das hat zur Folge, dass sich Baufirmen die Aufträge aussuchen können.
Jetzt ist es so: Das Eisstadion in Bruneck ist ein Großauftrag, der auf europäischer Ebene ausgeschrieben wurde. Aber die Ausschreibung ging leer aus – obwohl man im Sommer vergangenen Jahres nach Protesten des Kollegiums der Bauunternehmer bereits einmal nachgebessert hatte. In Bruneck war man nun davon ausgegangen, dass sich zumindest eine der großen lokalen Baufirmen an der neuen Ausschreibung beteiligt. Aber Fehlanzeige.
Dieser Auftrag, so erklärten die Bauunternehmer, sei ein Nullsummenspiel. Wenn man den Zuschlag bekommt und baut, könne man nicht damit rechnen, etwas daran zu verdienen. Und das will und kann sich ein Unternehmen nicht leisten.
Die Materie ist komplex. Allein die Teilnahme an einer solchen Ausschreibung verursacht dem Bauunternehmen Kosten in der Höhe von 40.000 bis 50.000 Euro. „Die Landesregierung ist daher gefordert, den Ausschreibungsmodus zu überdenken“, sagt Bernd Ausserhofer, „die Wahnsinnsbürokratie schlägt sich freilich im Preis nieder. Auch wenn es ungemein schwierig sein wird, den Ablauf neu zu gestalten, so müssen doch Möglichkeiten gefunden werden, die Dinge wieder einfacher zu gestalten und zu formulieren.“ Der parteilose Gemeinderat in Bruneck hat die verstrickte Geschichte rund um den Neubau des Eisstadions von Anfang an mit Interesse verfolgt. Wie viele Eissportfans ist auch er enttäuscht, dass die Umsetzung des Projektes so lange auf sich warten lässt.
Bernd Ausserhofer weiß, dass dies nicht ganz einfach umsetzbar ist. Aber er schlägt vor, dass die öffentliche Hand antizyklisch investieren sollte. Das würde allen Beteiligten zugute kommen. Er geht davon aus, dass es nach diesen Boomjahren in der Bauwirtschaft in ein bis zwei Jahren wieder zu einem Abschwung kommen wird: Die Zinsen würden wieder steigen und viele Hotelbetriebe haben die Investitionen aufgrund der Unsicherheit rund um das neue Raumordnungsgesetz vorgezogen.
Aber zurück zum Projekt Eisstadion: Wie geht es jetzt weiter?
„Das kann man zum derzeitigen Zeitpunkt noch nicht sagen“, erklärt Hannes Oberhammer, Leiter der Abteilung Bau-Service in der Stadtgemeinde Bruneck. Und weiter: „Es gibt mittlerweile einige Ideen und Möglichkeiten, wie man weiter vorgehen könnte. Aber es ist noch nichts entschieden.“ Mit einer Entscheidung dazu, wie und wann das Projekt neu ausgeschrieben werden kann, rechnet er in den nächsten Wochen. Eines aber ist jetzt schon klar: Die Rahmenbedingungen, in denen sich Bruneck bewegen kann und muss, sind sehr eng gesteckt. Die Stadtverwaltung hat gleich klargestellt, dass am Preis nicht geschraubt wird. Das Stadion darf nicht teurer werden, obwohl die Baufirmen sagen, dass der Bau für die ausgeschriebenen rund 17 Millionen Euro nicht realisiert werden kann. Für Hannes Oberhammer steht fest: „Dieses Projekt war von Anfang an kein Protzbau.“
Eine Eishalle ist aber ganz bestimmt kein alltägliches Gebäude. Das weiß auch Architekt Calderan. „Das ist eine komplexe Arbeit. Immerhin ist die Halle 100 Meter lang und rund 50 Meter breit“, sagt er. Das wiederum ist eine technische Herausforderung für das Bauunternehmen, das sich an die Arbeit macht. Aber noch ist diese Firma nicht gefunden. „Wir sind natürlich enttäuscht“, sagt Carlo Calderan, „dass sich niemand an der Ausschreibung beteiligt hat. Wir haben sehr viel Energie investiert. Das ist unser Traumprojekt.“ Trotzdem habe man sich um eine einfache und günstige Bauweise bemüht, man hat schlichte Bauteile vorgesehen, um eine schnelle Umsetzung zu ermöglichen. Bislang wurde das Architekturbüro noch nicht mit Umplanungen beauftragt, aber, sagt Calderan, irgendwann wird man sich an einen Tisch setzen müssen, um abzuklären, wie es weitergehen soll. Gemeindepolitiker Bernd Ausserhofer sagt: „Ich persönlich fände es schade, jetzt noch an diesem gefälligen und ausgereiften Projekt Abstriche oder Änderungen vorzunehmen.“
Aber was kann man machen, um eine Baufirma anzulocken? Wie macht man das Bauwerk attraktiv für die Unternehmen? Mit diesen Fragen wird man sich in Bruneck in den kommende Tagen und Wochen verstärkt befassen. Dabei gibt es mehrere Optionen, welche davon tatsächlich realistisch sind, soll noch nicht öffentlich werden. Fest steht aber: Die Curlingbahn wurde zwar erst in einem zweiten Moment in das Projekt integriert, aber daran will Bruneck auf jeden Fall festhalten, auch weil es dafür finanzielle Beiträge vom Land gibt. Und: Es scheint auch durchaus sinnvoll, die Curlinganlage in dieses Projekt zu integrieren, um zu vermeiden, dass andernorts eine neue Bahn gebaut werden muss, die wiederum viel mehr öffentliche Gelder verschlingen würde.
Stichwort Curling: Für diese Anlage sollen rund eine Million Euro an Coni-Geldern fließen. Dies wiederum hat die Verwalter in Bruneck an ihre Grenzen getrieben. Das Verfahren, um für diese Gelder ansuchen zu können scheint so kompliziert, dass man beinahe darauf verzichtet hätte. Auch daran zeigt sich, dass die bürokratischen Hürden oft zu hoch sind.
In der Zwischenzeit sitzen die kleinen und die großen Eissportler weiter in nicht mehr zeitgemäßen Umkleidekabinen. Die Zuschauer stehen (Sitzplätze gibt es in der alten Eishalle nicht) auf den Rängen und haben meistens zu kalt. Patrick Kirchler ist Stadionverwalter in diesem in die Jahre gekommenen Haus.
Immerhin: Das Eisstadion in Bruneck stammt aus dem Jahr 1958, überdacht wurde die Anlage 1990. Seitdem hat man immer wieder Teile aufgehübscht und modernisiert, aber im Kern ist es ein Stadion geblieben, das schon längst nicht mehr den Anforderungen der Zeit entspricht. „Die Situation hier“, sagt Kirchler, „ist grenzwertig. Ganz besonders unfein ist es für die vielen Kinder und Jugendlichen, die wenig Zeit auf dem Eis bekommen und in den ältesten Kabinen untergebracht sind.“ Dabei ist der Eissport eine beliebte Freizeitbeschäftigung in Bruneck. Derzeit spielen rund 200 Kinder in den Jugendhockeymannschaften, 100 Kinder machen Eiskunstlauf. Dazu kommen die Freizeitmannschaften für Eishockey, die Serie A/AHL-Mannschaft, die Eisstockschützen. Und: Sobald die Wölfe auf dem Eis sind, strömen auch die Besucher in das Stadion. Zwischen 500 und 2.000 Zuschauer sehen sich derzeit die Spiele an. Das sind im Schnitt weniger als noch vor zehn Jahren, wo der Ansturm enorm war.
Wenn man so will, kann der Rückgang der Besucherzahlen auch mit dem Warten auf die neue Halle erklärt werden. Denn: So lange es keine neue Eishalle gibt, darf der HC Pustertal sich nicht für die Ebel-Meisterschaft bewerben. Nach der Pleite von KHL Medvescak Zagreb wäre gerade ein Platz frei. Aber der HC Pustertal kann sich darum nicht bemühen, weil ihm ein Stadion fehlt, das die Voraussetzungen dafür mitbringt.
„Wir sind zu 100 Prozent ausgelastet“, sagt Patrick Kirchler, „die Räumlichkeiten sind sogar zu 110 Prozent ausgelastet.“ Als die TAGESZEITUNG den Stadionverwalter gestern Vormittag telefonisch erreichte, fand gerade der Wintersporttag für die Oberschüler dort statt. Dies alles spielt sich in der alten Halle ab, obwohl es „die schlechteste in ganz Südtirol“ ist: zu wenig Parkplätze, keine Sitzplätze, eisige Kälte, an den Seiten offen, kein Komfort.
Mittlerweile ist man beim HC Pustertal frustriert: Wie lange muss man denn noch warten, bis endlich mit den Bauarbeiten für das neue Eisstadion begonnen wird?
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