Das Private ist politisch
Im Programm der 69. Berlinale (7. – 17. Februar 2019) tauchen immer wieder private Themen auf und häufig geht es familiäre Beziehungen.
Von Helene Christanell
Das Programm der diesjährigen Berlinale ist komplett. Das Festival hat in dieser Woche die letzten Filme vorgestellt. Im Hauptwettbewerb um den Goldenen und die Silbernen Bären konkurrieren 17 Filme, sechs weitere laufen im Wettbewerb außer Konkurrenz. Sieben der Filme seien unter weiblicher Regie entstanden und zehn unter männlicher Regie, teilten die Organisatoren mit, die zumindest mit der Kuratierung versuchen, mehr Geschlechtergerechtigkeit in der männerdominierten Regie-Szene herzustellen. Damit setzt sich die Berlinale nicht der Kritik aus, die in den letzten Jahren regelmäßig auf die Festivals von Cannes und Venedig einprasselte. Außergewöhnlich ist aber, dass das Rennen um die Bären ganz ohne US-amerikanische Produktionen stattfindet. Der achtfach für den Oscar 2019 nominierte „Vice – Der zweite Mann“ mit Christian Bale in der Hauptrolle läuft außer Konkurrenz. Aus den USA kommen ansonsten nur der Dokumentarfilm „Amazing Grace“ über Aretha Franklin und eine internationale Co-Produktion mit US-Beteiligung, „The Operative“ von Yuval Adler.
„Das Private ist politisch“ sei ein inhaltlicher Schwerpunkt des diesjährigen Festivals, so Direktor Dieter Kosslick. Filmemacher hätten viele private Themen abgehandelt. Familie scheine ein zentrales Thema zu sein. „Wobei Familie in den meisten Fällen schwierige Verhältnisse bedeutet“, sagte Kosslick. Familie sei die Suche nach Geborgenheit, wie sie etwa Lone Scherfigs Eröffnungsfilm „The Kindness of Strangers“ über eine Mutter mit zwei Kindern in New York, aber auch die der deutschen Wettbewerbsbeiträge repräsentierten. Unter diesen ist „Der goldene Handschuh“ von Fatih Akin über Fritz Honka, den berühmt berüchtigten Hamburger Serienmörder aus den Siebzigerjahren. Mit Angela Schanelec ist auch eine Regisseurin der sogenannten Berliner Schule im Bären-Rennen. In ihrem Drama „Ich war zu Hause, aber“ geht es um einen 13-Jährigen, der für eine Woche spurlos verschwindet. Ein unangepasstes kleines Mädchen wiederum steht im Mittelpunkt von Nora Fingscheidts Spielfilmdebüt „Systemsprenger“. Einziger italienischer Beitrag im Hauptwettbewerb ist „La paranza dei bambini“ von Claudio Giovannesi. Im Camorra-Jargon steht „paranza“ für eine kriminelle Gruppe, hier sind es sechs Jugendliche auf der Jagd nach Geld und Macht. So erklärt Roberto Saviano den Titel des Films, der auf seinem gleichnamigen 2016 bei Feltrinelli erschienenen Bestseller beruht. „Ein heutiger und bewegender Film“, heißt es von Seiten des italienischen Verleihs, „ein Film, der imstande ist, realistisch die Folgen unserer Zeit zu interpretieren“.
Es ist die letzte Berlinale unter der Regie ihres langjährigen Direktors Dieter Kosslick. Seit 2001, also seit 18 Jahren, leitet „Mr. Berlinale“ das wichtigste deutsche Filmfestival. Im Mai 2019 wird seine Ära definitiv enden, nachdem es vor allem im letzten Jahr es aus der Filmszene zum Teil heftige Kritik an der Ausrichtung des Festivals gab. Nach ihm übernehmen seine Nachfolger, der Italiener Carlo Chatrian als Programmleiter und Mariette Rissenbeek als Geschäftsführerin.
Für die diesjährige Ausgabe hat sich Kosslick Juliette Binoche als Jurypräsidentin geholt, die er in den letzten Jahren sehr oft über den Roten Teppich begleitet hat. Ihr zur Seite stehen unter anderem die deutsche Schauspielerin Sandra Hüller und die Ehefrau von Musiker Sting, Trudie Styler. Auch an Stars wird es in den nächsten Tagen nicht fehlen: Neben dem britisch-amerikanischen Schauspieler Christian Bale, einem weiteren Briten Bill Nighy und der schottischen Schauspielerin Tilda Swinton werden eine Riege an deutschen Stars wie Lars Eidinger und Franz Rogowski und die Band „Die Toten Hosen“ erwartet, über die eine Dokumentation gezeigt wird.
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