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„Eine Ungleichbehandlung“

Die Fremdverpachtung der Almen in Pfitsch sorgt für großen Wirbel. Ein Dutzend Bauern steht unter Ermittlung. Jetzt geht Stefan Messner, der Obmann der Gliederalpe, in die Offensive.

Die Kontroversen zur Fremdverpachtung der Almen in Pfitsch spitzen sich weiter zu.

Wie die TAGESZEITUNG bereits berichtete, hat die Forststation Sterzing 600 bis 700 Hektar Fläche kontrolliert. Die erhobenen Unregelmäßigkeiten wurden in einer 800 Seiten umfassenden Ermittlungsakte zusammengefasst. Der Akt liegt nun zur Überprüfung bei den Staatsanwaltschaften in Padua, Trient und Bozen. Rund ein Dutzend ortsansässiger und norditalienischer Bauern steht unter Ermittlung.

Parallel dazu kämpfen die Gebrüder Karl und Stefan Holzer gegen die Almverpachtungen an die norditalienischen Bauern. Sie haben gegen den Beschluss der Vollversammlung der Interessentschaft zur Verpachtung der Gliederalpe Rekurs bei der Landesregierung eingereicht und auch einen Rekurs beim Verwaltungsgericht hinterlegt.

Stefan Messner ist einer jener, der bei der Fremdverpachtung der Almen in Pfitsch unter Beschuss geraten ist. Der Obmann der Gliederalpe zu den Ermittlungen der Forstbehörde und zu den Vorwürfen von Teilhabern der Interessentschaftsalm.

TAGESZEITUNG Online: Herr Messner, die Forstbehörde in Sterzing hat Ermittlungen durchgeführt. Die Beanstandungen werden nun von den Staatsanwaltschaften Padua, Trient und Bozen überprüft. Was sagen Sie zu den Vorwürfen?

Stefan Messner: Aus unserer Sicht ist die Vorgehensweise der Forststation Sterzing nicht nachvollziehbar und schwerlich mit den gesetzlichen Normen in Konformität zu bringen. Während der beiden vergangenen Alpungsperioden 2017 und 2018 sind innerhalb von zehn Wochen jeweils 30 Kontrollen seitens der Forststation Sterzing durchgeführt worden. Jeder vernünftige Mensch, der von der realen Bewirtschaftung einer Alm eine praktische Erfahrung hat, wird begreifen, dass es für die Almbewirtschafter oftmals gar nicht möglich ist, das gesamte Almvieh über die gesamte Alpungsperiode explizit auf den Weideflächen zu halten. Viele Faktoren können dazu beitragen: Widerspenstige Tiere respektieren keinen Zaun, leere Jungtiere, die rindern, büxen aus, Hunde vertreiben die Tiere, rücksichtslose Mountainbiker, Motocrossfahrer, Freerider, Downhiller, sowie Wanderer beschädigen die Zäune oder lassen Weidegatter offen. So bieten sich den Forstbeamten genügend Gelegenheiten für Strafbescheide. Weil Schafe bei Schönwetterperioden im Hochsommer auf der Suche nach kühleren Lagen auf Domänengrund im Bereich der Gliederscharte und Hochfeilerhütte auf 2.750 Metern Höhe angetroffen wurden, sind gleich mehrere Strafzettel zugestellt worden. Wie Amtsdirektor Florian Blaas vom Amt für Forstverwaltung auf Nachfrage mitteilt, ist dies landesweit beispiellos.

Tiere wurden auf anderen Almen aufgefunden…

Die Gliederalpe besteht aus vier Grundparzellen, die Platteninteressentschaft aus einer. Die beiden grenzen aneinander auf beiden Seiten an. Die beiden Almen verfügen über einen separaten Almkodex. Es wurden 230 Schafen und Ziegen, verteilt auf die fünf Grundparzellen, aufgetrieben, so wie es die örtliche Forstpolizei anordnete. Die Tiere wurden in den beiden Almkodexen vorschriftsmäßig eingetragen. In der Praxis ist es jedoch unvermeidlich, dass sich die Tiere wiederholt auf den hochgelegenen Almflächen begegnen und sich nicht mehr identisch den Eintragungen im Almregister trennen. Obwohl zwischen den beiden Agrargemeinschaften im Grundbuch verbriefte Dienstbarkeiten der Weide existieren, hat die örtliche Forstpolizei auch hier eine Vielzahl an Übertretungsprotokollen an den Südtiroler Sanitätsbetrieb weitergeleitet, mit dem Straftatbestand, dass eine erfolgte Tierbewegung nicht innerhalb sieben Tagen gemeldet wurde.

Ich möchte an dieser Stelle anmerken, dass die Forststation Sterzing in Innerpfitsch, bei anderen Almbewirtschaftern im Zuge von ein bis zwei Kontrollen pro Almperiode, grundlegend andere Bewertungskriterien zur Anwendung bringt. Tiere, die außerhalb der bewilligten Almflächen angetroffen werden, toleriert man.

Dann wird festgehalten, dass diese Tier „gelegentlich auf Exkursionen“ oder auf Privatweiden sind. Und wenn sich Tiere auf Domänengrund befinden, dann wird festgehalten, dass es sich um eine historische Bewirtschaftung handelt. Geeinte Tierherden, die in verschiedenen Almkodexen erfasst sind, betrachtet man dort als vollkommen regelkonform. Kein Strafbescheid ist notwendig. Ist eine solche Ungleichbehandlung bei der Almbewirtschaftung mit den Grundsätzen der öffentlichen Verwaltung vereinbar?

Wie setzen Sie sich nun zur Wehr?

Die Teilhaber der betroffenen Agrargemeinschaften und die Ortsgruppe des Südtiroler Bauernbundes Pfitsch haben bei Landesrat Arnold Schuler, dem Abteilungsdirektor für Forstwirtschaft Mario Broll, dem Landesveterinärdirektor Paolo Zambotto und seinem Stellvertreter Ernst Stifter sowie bei Abteilungsdirektor Martin Pazeller schriftlich interveniert, um in Erfahrung zu bringen, ob diese rigide, selektive Vorgangsweise rechtens ist und ob unter diesen Voraussetzungen die historische Bewirtschaftungsform überhaupt noch möglich ist, bzw. von den Landesämtern und politischen Entscheidungsträgern noch gewollt ist.

Tiere, die auf Südtiroler Almen gemeldet waren, wurden im Zillertal ausfindig gemacht…

Betreffend die Doppelregistrierung der Lavitzalpe ist zu erwähnen, dass die Almflächen durch die Grenzziehung von 1919 zweigeteilt wurden. Es existieren mehrere Erkenntnisse der Tiroler Agrarbehörde, des Tiroler Agrarsenates und des Verwaltungsgerichtshofes von Wien, die unmissverständlich festhalten, dass die Lavitzalpe ein grenzüberschreitendes, historisch einheitlich bewirtschaftetes Weidegebiet ist und diese Bewirtschaftungsform von den Mitgliedern der Lavitzalpe beizubehalten ist. Auch die zuständige Südtiroler Landesstelle, das Amt für bäuerliches Eigentum, schließt sich dieser Auffassung vollinhaltlich an. In diesem Sinne wurden zur Absicherung im Jahre 2007 in landesübergreifender Abstimmung das Tiroler Flurverfassungslandesgesetz von 1996 in Nordtirol bzw. das Landesgesetz Nr. 2 von 1959 in Südtirol novelliert. Gemäß Entscheidung von 2001 der Europäischen Gemeinschaft sind die gealpten Tiere in Almregistern bindend zu erheben, dementsprechend haben die gesetzlichen Vertreter der Agrargemeinschaft, sowohl den Nordtiroler und Südtiroler Verwaltungsstellen die Kenndaten der Tiere übermittelt, wie es von den Behörden verlangt wurde.

Die Verpachtung der Almen an Provinzfremde ist ein rotes Tuch…

Was die Verpachtung an Provinzfremde angeht, wissen wir, dass das politisch nicht gewollt ist. Allerdings haben wir im Fall der Gliederalpe versucht, die Alm im Interesse aller Teilhaber zu bewirtschaften und die vorgesehenen Fördermittel zu beantragen. Gescheitert ist dieses Vorhaben aus zwei Gründen: Dem gesetzlichen Vertreter der Agrargemeinschaft wurde erst nach drei Alpungsperioden, also nach zweieinhalb Jahren, der erforderliche Lafisbogen als Nachweis des Rechtstitels zur Gesuchstellung von der Forststation Sterzing ausgehändigt. Landesrat Schuler betont, dass die Aushändigung innerhalb der gesetzlichen Frist von 30 Tagen erfolgen muss. Der zweite Grund: Die Alm wurde ununterbrochen von Teilhabern bewirtschaftet. Nach bestätigter Bewirtschaftung wurden auch die Förderungen an die Bewirtschafter persönlich liquidiert, obwohl dies nach geltenden Regelungen nur an den gewählten Obmann der Gemeinschaft vorgesehen ist. Durch diese sonderbaren Vorgänge sind der Agrargemeinschaft Gliederalpe nicht nur berechtigte Alpungsprämien entgangen, sondern sie verlor auch gleichzeitig die Möglichkeit zur Erlangung der Betriebsprämie für die Förderperiode 2015 bis 2020. Dieser wirtschaftliche Schaden wurde einerseits durch die örtliche Forstverwaltung und andererseits durch zwei Teilhaber der Agrargemeinschaft verursacht, welche durch ihr besonderes Rechtsempfinden hervorstechen. Um überhaupt einen wirtschaftlichen Ertrag für die Gliederalpe zu erzielen, haben die Anteilseigner, nach eindeutigem Mehrheitsbeschluss der ordentlichen Vollversammlung, das Gemeinschaftsgut verpachtet. 

Sie haben zwei Teilhaber mit besonderem Rechtsempfinden angesprochen: Die Gebrüder Karl und Stefan Holzer kämpfen gegen eine Fremdverpachtung…. 

Mit Entschiedenheit muss ich darauf verweisen, dass die Gebrüder Holzer zu keiner Zeit an einem Auftrieb auf die Almflächen durch die restlichen Teilhaber gehindert wurden. Lediglich die Quoten der Interessentschaften müssen respektieren werden und die Ohrmarkennummern der Almtiere müssen im Interesse der Interessentschaft für das Almregister dem Obmann gemeldet werden.

Somit entspricht ihre Opferrolle nicht der Realität. Obwohl Karl Holzer lamentiert, dass er mit seinem Großvieheinheiten-Besatz Probleme hat, muss hier unterstrichen werden, dass er für seine zu alpenden Tiere – ca. 25 Rinder und 250 Schafe – folgende Möglichkeiten in Innerpfitsch vorfindet: Auf der Lavitzalpe bestehen 396 Schafrechte, die vollends zur Verfügung stehen. Von der persönlichen Auftriebsberechtigung von 20 Rindern nutzte Holzer im Jahr 2018 vier Rechte. Der Obmann könnte noch weitere Weiderechte zuweisen, er wäre dazu bereit. Aber Holzer beansprucht diese Möglichkeit nicht. 

Auf der Platteninteressentschaft stehen 224 Schafrechte vollends zur Verfügung. Auf der Rast-Wasserfallalm hätte Holzer 25 Rinder auftreiben können, er nutzt jedoch lediglich die Hälfte. Bei der Interessentschaft Erzwände stehen 20 Großvieheinheiten und bei der Gliederalpe 33 Großvieheinheiten zur Verfügung. Stattdessen bringt Holzer seine gesamten Schafe zur Alpung ins Zillertal, wo er Almrechte pachtet, um die höhere Almförderung in Nordtirol persönlich zu erhalten.

Die Gebrüder Holzer haben durch ihren Anwalt gegen die Vollversammlungsbeschlüsse Rekurs bei der Landesregierung eingereicht. Sie haben ebenfalls das Verwaltungsgericht mit der Angelegenheit betraut…

Diese beiden Herren haben ein eigenes Rechtsempfinden. Wir haben auf den Rekurs gekontert und den zuständigen Landesstellen unsere Position und die Rechtslage dargelegt. Wir haben immer rechtskonform gehandelt. Die Teilhaber der involvierten Agrargemeinschaften fragen sich, ob auch bei den Beamten der Forstorgane zwischen den verschiedenen Regionen Italiens ein solch eklatantes Lohngefälle besteht, wie bei den Landwirten in Bezug auf die EU-Förderungen, also die Südtiroler Forstbeamten schlimmstenfalls nur ein Zehntel erreichen.

Interview: Erna Egger

Foto(s): © 123RF.com und/oder/mit © Archiv Die Neue Südtiroler Tageszeitung GmbH (sofern kein Hinweis vorhanden)

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