„Floskeln ohne Inhalt“
Unkonkret, weichgespült und Bauernbund-lastig: Die Opposition im Landtag lässt kein gutes Haar am Regierungsabkommen zwischen SVP und Lega.
von Matthias Kofler
Hanspeter Staffler, Neo-Landtagsabgeordneter der Grünen, findet harsche Worte für die 58-seitige Regierungsvereinbarung zwischen der SVP und der Lega-Salvini: Der Text sei „schwer nachvollziehbar, allgemein gehalten und unkonkret“. Ähnlich äußert sich auch der Chef des Teams Köllensperger, Paul Köllensperger: „Dieses Abkommen ist dermaßen generisch geschrieben, dass es fast alle Fraktionen im Landtag problemlos unterschrieben hätten.“ Und Myriam Atz-Tammerle, Abgeordnete der Süd-Tiroler Freiheit, wettert: „Fürwahr, die Regierungsvereinbarung zwischen SVP und Lega macht nicht viel her. Inhaltlich sind viele Floskeln, jedoch keine konkreten Maßnahmen genannt, die die neue Regierung umzusetzen gedenkt. Es ist dies wohl der kleinste gemeinsame Nenner, den diese beiden Parteien finden konnten.“
Dem Grünen Hanspeter Staffler sticht vor allem das Fehlen von Zielgrößen und Kennzahlen ins Auge. So ist im Vertrag zwar festgehalten, dass das Land Kollektivvertragsverhandlungen im öffentlichen Bereich anstrebe. Bis wann sie gedenke, diese Verhandlungen anzugehen und wie viel Geld sie dafür bereitstelle, ist aus dem Abkommen nicht herauszulesen. Staffler spricht von einem „weichgespülten Dokument“, dessen konkrete Umsetzung weder prognostizierbar noch messbar sei. SVP und Lega geben das Ziel aus, die Fläche für die Biolandwirtschaft bis 2025 zu verdoppeln und nimmt als Bezugsgröße das Jahr 2015. Damals lag die Biofläche in Südtirol bei 6.000 Hektar, in sechs Jahren soll sie laut den Koalitionsparteien also bei 12.000 Hektar liegen. „In Nordtirol liegt sie heute schon bei 50.000 Hektar“, bemängelt Staffler. Zudem sei im Text „kein Wort“ über den Austritt aus der Pestizidwirtschaft zu finden, der Landschafts- und Naturschutz sei zu einer „Fußnote degradiert“ worden, Innovationen würden fehlen. „Im Text steht alles drin, aber nichts Konkretes“, meint der Grüne. Im Vergleich dazu sei das Tiroler Koalitionsabkommen zwischen ÖVP und Grünen äußerst detailliert gehalten und mit exakten Geldsummen versehen. „In diesem Abkommen steht keine einzige Ziffer drin“, so Staffler.
In dieselbe Kerbe schlägt auch Paul Köllensperger: „Jeder kann aus dem Text herauslesen, was er herauslesen will. Er ist sehr angenehm geschrieben – und in vielen Punkten ist dieses Abkommen nicht weit von unserem Wahlprogramm entfernt, etwa bei der politischen Bildung, der Koppelung von IRAP-Senkungen an die Erhöhung der Löhn oder bei der Schaffung einer Inhouse-Gesellschaft im öffentlichen Nahverkehr. Wie viel der Vertrag letztlich wert ist, kann man erst bei der konkreten Regierungshandlung abmessen, weil wenig konkrete Maßnahmen enthalten sind.“ Den Vorwurf von SVPlern, wonach Köllenspergers Wahlprogramm genauso vage formuliert sei, lässt der Oppositionsführer nicht gelten: „Erstens ist unser Wahlprogramm konkreter als das Regierungsabkommen – und zweitens gibt es schon einen Unterschied zwischen einem Wahlprogramm und einem Koalitionsvertrag.“
Der Ex-Grillino sieht sich in seiner Vorahnung bestätigt, wonach die SVP den „gemütlichsten Partner“ auswählen werde. Die Lega komme der SVP bei der Umsetzung ihrer Klientelpolitik nie in die Quere, zudem trage das Abkommen mehr die Handschrift des Bauernbundes als jene der Lega, urteilt Köllensperger. Als emblematisch für die Kleinhaltung der Lega bezeichnet der Abgeordnete die Überschrift „Die Menschen zuerst“, welche die SVP aus dem Lega-Schlachtruf „Die Italiener zuerst“ abgeleitet hat. Die vier Leghisti im Landtag, so prognostiziert Köllensperger, würden der SVP kaum Schwierigkeiten bereiten, viel mühsamer werde es, mit dem Trentiner LH Maurizio Fugatti zu einer Einigung zu kommen. Auch auf nationaler Ebene werde sich die SVP in den kommenden fünf Jahren schwertun. „Sie sitzt jetzt mit den Extrempopulisten der Lega im Boot und muss die Rechtfertigungsarbeit für das Salvini-Dekret oder die Aussagen eines Ministers Fontana leisten“, so Köllensperger.
Die Süd-Tiroler Freiheit kündigt an, im Landtag konkrete Vorschläge und Inhalte einzubringen, um das Regierungsabkommen zwischen SVP und Lega mit Leben zu füllen. Als konkretes Beispiel nennt Myriam Atz-Tammerle die Migrationspolitik. Sich, wie im Regierungsübereinkommen festgeschrieben, einfach nur „an einer tragfähigen europäischen Migrationspolitik zu beteiligen“, sei zu wenig. „Wir werden den Ausbau der Autonomie im Sinne der Übertragung der Zuständigkeit in der Einwanderungsfrage fordern, damit Südtirol zukünftig selbst bestimmen kann, welche und wie viele Ausländer zu uns kommen und unter welchen Voraussetzungen die Integration erfolgen soll. Auch die Verpflichtung von Deutschkenntnissen vor Schuleintritt muss zukünftig sichergestellt werden, damit der muttersprachliche Unterricht nicht gefährdet wird“, so die Abgeordnete.
In den Bereichen öffentliche Sicherheit und Entlastung vom Transitverkehr sei der Text „zu schwammig gehalten“, ebenso unklar sei es, wie die neue Regierung dem Fachkräftemangel begegnen wolle. Dass im neuen Regierungsprogramm das Wort „Tirol“ nicht einmal mehr vorkommt, lässt erahnen, dass SVP und Lega ihren politischen Kompass vollkommen Richtung Rom ausgerichtet haben und somit den italienischen Zentralstaat stärken“, bedauert Myriam Atz-Tammerle.
Harsche Kritik kommt auch von der Freiheitlichen Ulli Mair, die von „Postenschacher pur“ spricht. Das Programm sei nur „fade Begleitmusik“. „Einwanderung und Integration ist hauptsächlich unser Programm – allerdings sehr weichgespült und ein halbherziges Zugeständnis an die Lega. ÖVP hat damals im Unterschied zur SVP gezeigt, dass sie echte Veränderung mit Handschrift der FPÖ wollen. Besonders schlimm: bei der Lega schafft Rom! Das widerspricht meinem Verständnis von Autonomie“, so Ulli Mair. Die SVP habe ihre Wahlkreise – und damit Macht und Geld abgesichert „und die Maria wird Landesrätin – jetzt darf gefeiert werden“, kommentiert die Freiheitliche ironisch.
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