Die Krise der Patrioten

Sven Knoll
Das schlechte Wahlergebnis der Süd-Tiroler Freiheit war eine der großen Überraschungen der Landtagswahlen 2018. Nun sind Sven Knoll & Co. draufgekommen, dass man eigentlich der Sieger unter lauter Verlierern ist.
TAGESZEITUNG Online: Herr Knoll, haben Sie inzwischen verstanden, warum die Süd-Tiroler Freiheit bei den Landtagswahlen so schlecht abgeschnitten hat?
Sven Knoll: Die Süd-Tiroler Freiheit hat nicht so schlecht abgeschnitten, uns haben nur 0,8 Prozent auf ein drittes Mandat gefehlt.
Dennoch waren Sie mit dem Ergebnis nicht zufrieden.
Es ist schon interessant, wie Journalisten Ergebnisse interpretieren. Es wird gerade von Journalisten so getan, als wären die Grünen die Wahlsieger gewesen, dabei haben die Grünen prozentuell wesentlich mehr an Stimmen verloren als die STF. Wir hatten das Pech, das zusätzliche Restmandat, das wir vor fünf Jahren noch mit Glück erringen konnten, nicht mehr zu erreichen. Und es stimmt: Wir wollten Stimmen zulegen, haben dies aber nicht geschafft.
Die Ursachen?
Alle bislang im Landtag vertretenen Parteien wurden grundsätzlich abgestraft, keine dieser Parteien hat gewonnen. Ich denke, dass der Rentenskandal aus der Vorgängerperiode noch eine Rolle gespielt hat. Für viele Wähler sind die Politiker Leute, die nur absahnen wollen. Von all den Parteien, die im Landtag vertreten waren, sind wir die Partei, die am wenigsten verloren hat. Gewonnen haben die Parteien, die noch nicht im Landtag vertreten waren oder unter neuen Rahmenbedingungen angetreten sind …
Was sagen Sie zum Phänomen Köllensperger?
Ich würde nicht von einem Phänomen Köllensperger sprechen. Die Wahlen in vielen anderen Staaten und Regionen zeigen, dass jemand, der als neue Kraft auftritt, insbesondere für unentschlossene Wähler attraktiv ist. Man braucht nur nach Frankreich zu blicken, wo ein Macron in den Himmel gelobt wurde oder nach Österreich zu Sebastian Kurz und dessen neuer Volkspartei. Solche Phänomene findet man überall. Das Problem bei solchen Listen ist, dass es substantiell keine Gemeinsamkeiten gibt, deswegen entpuppen sie sich rasch als Eintagsfliegen.
Dem Team Köllensperger wird es gleich ergehen?
Ich möchte die These nicht nur auf Köllensperger ummünzen. Nehmen wir die Grillini: Die haben nichts gemein außer den Wunsch, ins Parlament oder in einen Landtag zu kommen. Die Grillini haben Typen auf Staatsebene, die nicht bei der 5-Sterne-Bewegung sind, weil sie vom Programm überzeugt sind, sondern weil sie Opportunisten sind und ein politisches Mandat wollen.
Freiheitliche und STF hatten 2013 noch 30 Prozent der Stimmen erhalten. Nun haben beide Parteien stark verloren. Kann man von einer Krise der Patrioten sprechen?
Das glaube ich nicht. Die Landtagswahlen waren keine Abstimmung zu einem Einzelthema. Ich muss daher schmunzeln, wenn gesagt wird, die doppelte Staatsbürgerschaft sei abgewählt worden …
Warum schmunzeln?
Die Grünen waren dezidiert gegen die doppelte Staatsbürgerschaft, sie haben aber viel mehr Stimmen verloren als die STF. Ein anderes Beispiel: Alle Parteien waren gegen die Transitbelastung, alle Parteien haben Stimmen verloren.
In Sachen Doppelte Staatsbürgerschaft hat die STF die SVP vor sich hergetrieben. Aus Angst, Stimmen an die Rechten zu verlieren, hat die SVP sich auch für den Doppelpass ausgesprochen. Heißt das, dass die Menschen in volkstumspolitischen Fragen doch mehr der SVP vertrauen?
Die Wahl war ja nicht eine Volksabstimmung über den Doppelpass. Hinzu kommt, dass eine Landtagswahl immer auch eine Personenwahl ist. Es ist nicht mehr so wie früher, dass die Menschen eine bevorzugte Partei haben …
Sondern?
Wenn irgendwo ein charismatischer Politiker schneidig auftritt und möglichst wenige Inhalte präsentiert – weil er weiß, dass man mit Inhalten nur aneckt –, tut man sich im ersten Moment leicht, Wählerstimmen zu gewinnen. Das Phänomen, ohne richtiges Programm aufzutreten, wird als Protest gegen das Establishment empfunden.
Die STF ist im Oktober zum ersten Mal ohne Eva Klotz zu einer Wahl angetreten. Wurde diese emotionale Bindung unterschätzt?
Eva hat eine Stammwählerschaft. Es gibt sicher Leute, die einfach nicht mehr zur Wahl gegangen sind. Und aus dem Nichts wachsen keine neuen Stimmen. Aber dieses Phänomen hat man auch bei Luis Durnwalder oder bei einem Pius Leitner beobachten können …
Also stirbt der STF doch langsam aber sicher die Kundschaft weg?
Nein, weil wir laufend an Mitgliedern und Funktionären zulegen. Wir sind nach der SVP die zweitstärkste Kraft an Mitgliedern.
Die STF lobt immer ihre starke Jugendorganisation. Dennoch konnten Sie bei den Landtagswahlen nicht zulegen …
Ich sehe es umgekehrt: Wie hätte das Ergebnis ausgesehen, wenn wir nicht diese starke Jugend hätten? Man sieht am Vorzugsstimmenergebnis, dass unsere jungen Kandidaten sehr weit vorne gelegen haben.
Auch innerhalb der STF soll viel Frust herrschen. Von Cristian Kollmann hört man, er wolle das Handtuch werfen …
Ich würde nicht von Frust sprechen, sondern von Enttäuschung. Es ist ähnlich wie beim Sport: Da trainierst du fünf Jahre lang, machst alles richtig, und am Tag X hast du Gegenwind. In der Politik muss man eben auch einstecken können, man wächst auch aus einer Niederlage. Und Bestand hat der, der den längeren Atem hat. Bei uns ist es nicht so, dass die Leute nach einer Enttäuschung weglaufen …
Sondern?
Unsere Mitglieder sind von unserem Programm überzeugt, von den Idealen. Unsere Mitglieder sind Idealisten und nicht Opportunisten. Sie halten zu uns, in guten wie in schlechten Zeiten …
... dennoch will ein Cristian Kollmann hinschmeißen …
Nein, er ist immer noch Angestellter unserer Fraktion. Aber natürlich wäre es gut gewesen, wenn er in den Landtag gewählt worden wäre. Kollmann ist Wissenschaftler, er hätte sich als solcher insbesondere in der Ortsnamenfrage im Landtag einbringen können. Er ist kein Sekretär.
Mit Ihnen und Myriam Atz-Tammerle sitzen zwei völlig unterschiedliche Charaktere im Landtag. Es heißt, dass Sie sich gegenseitig nicht sehr mögen.
Wer sagt das?
Das hört man aus Ihrer Partei.
Das höre ich echt zum ersten Mal. Komplett das Gegenteil ist der Fall! Die Myriam und ich sind zwar verschiedene Charaktere, und gerade deswegen ergänzen wir uns so gut. Myriam bedient auch andere Themen, die mir nicht so liegen wir ihr: Sie ist Frau, sie ist Unternehmerin, sie ist Mutter von zwei Kindern …
Die SVP und die Lega werden wohl koalieren. Was erwarten Sie sich von der Zusammenarbeit der Volkspartei mit der vor wenigen Jahren noch sehr sezessionistisch auftretenden Lega?
Man merkt immer mehr, dass von Sezession wenig bis gar nicht übriggeblieben ist. Das Problem wird sein, dass es bei jeder Entscheidung der Landesregierung heißen wird: mal schauen, was die Lega in Rom dazu sagt. Wir haben der SVP deswegen auch klar gesagt, dass wir unsere Rolle als Opposition sehen, die die Regierung kontrolliert, aber wir wollen keine Fundamentalopposition machen.
Was heißt dies?
Uns ist bewusst, dass es bei gewissen Themen, die mit der Lega nicht umzusetzen sind, auch Mehrheiten außerhalb der Koalition brauchen wird. Wenn die SVP Verbündete in Sachen muttersprachliche Schule, Minderheitenschutz etc. braucht, dann werden wir uns nicht verschließen.
Der Wind aus Rom wird rauer werden?
Er wird sicher rauer. Dass die Koalition mit der Lega für die SVP keine Liebeshochzeit ist, das sieht man dem Landeshauptmann im Gesicht an. Sein Gesicht ist ein offenes Buch.
Interview: Artur Oberhofer
Kommentare (17)
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