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„Das ist reine Abzocke“

Waltraud Deeg

Ab 1. Februar greifen in den Kindertagesstätten neue Urlaubs- und Krankheitsregelungen, die teils erhebliche Kostensteigerungen mit sich bringen. Viele Eltern sind erbost.

von Erna Egger

Die Änderungen treten ab 1. Februar 2019 in Kraft: „Und es gibt schon sehr viele Proteste“, lautet es in einer Kindertagesstätte.

Rund 80 Kindertagesstätten gibt es in Südtirol, die Sozialgenossenschaft Tagesmütter führt mit ihren 90 Tagesmüttern 26 davon.

Alle Eltern dieser 80 Einrichtungen für Kleinkindbetreuung haben im Dezember ein Rundschreiben erhalten (siehe Kasten) und wurden zudem mündlich über die Neuerungen informiert.

Die Sozialgenossenschaft verweist auf den Beschluss der Landesregierung vom 20. November 2018 zur „Genehmigung der Richtlinien für die Finanzierung der Kindertagesstätten und des Tagesmütter/-väterdienstes“: Dieser Beschluss sieht zwingend Änderungen in den Betreuungsverträgen vor. Im Grunde wurden nur zwei Erneuerungen vorgenommen, die es aber in sich haben und für die Eltern erhebliche Mehrkosten mit sich bringen.

Zur ersten Änderung: Für den Betreuungsplatz eines Kleinkindes in der Kindertagesstätte ist ein Stundentarif zu bezahlen. Der Tarif beläuft sich auf 10,20 pro Stunde, es ist aber eine Kostenbeteiligung sowohl seitens der Gemeinde als auch der Autonomen Provinz Bozen vorgesehen. Aufgrund der finanziellen und familiären Situation haben die Familien die Möglichkeit, um einen begünstigten Tarif anzusuchen.
Der Mindesttarif pro Betreuungsstunde für die Eltern beträgt 0,90 Euro, wobei dieser nur sehr selten angewandt wird.

Der Höchsttarif pro Betreuungsstunde beläuft sich auf 3,65 Euro, den laut Landesrätin Waltraud Deeg rund ein Drittel der Eltern zahlen. Den Rest, die Differenz auf die 10,20 Euro, begleicht die öffentliche Hand.

Mit der neuen Regelung darf ein Kleinkind nur mehr 15 Urlaubstage beanspruchen. Diese werden, sofern diese mindestens 14 Tage vorher gemeldet werden, nicht in Rechnung gestellt.

Wird nicht termingerecht um Urlaub angesucht, sind die vollen Betreuungskosten pro Stunde zu berappen.

Gerade bei Eltern, die mehrere Kinder haben, sorgt diese Regelung für Ärger: „Mein älteres Kind geht in den Kindergarten, es hat viel mehr Urlaubstage. So sind die gemeinsamen Unternehmungen stark eingeschränkt“, sagt eine Mutter.

Noch mehr erzürnt sind die Eltern über die zweite Neuerung: Im Krankheitsfall des Kindes muss in der Kindertagesstätte ein ärztliches Attest abgegeben werden. Bislang mussten Eltern ab dem dritten Krankheitstag nichts mehr bezahlen. Künftig ist dem nicht mehr so: Auch die weiteren Fehlstunden werden kassiert. Und sollte kein ärztlicher Krankheitsschein abgegeben werden, ist sogar die volle Summe, also über 10,20 Euro stündlich, zu bezahlen. „Das ist eine reine Abzocke“, wettern Eltern. „Hiermit steigt man uns Eltern nur in die Tasche.“

Warum sind diese Änderungen notwendig? „Ich habe Verständnis für den Ärger der Eltern“, nimmt die Landesrätin Waltraud Deeg vorweg. Sie erklärt, dass mit dem Beschluss der Landesregierung vom 20. November 2018 neue Qualitätskriterien in den Tagesstätten vorgesehen wurden. „Außerdem haben die Tagesmütter einen besseren Kollektivvertrag und sind nun renten- und krankheitsmäßig besser abgesichert. Eine Veränderung hat es bereits im September 2017 gegeben“, so Deeg.

Dadurch seien den Tagesmüttergenossenschaften jedoch Mehrkosten entstanden. „Um diese Kosten aufzufangen und vor allem, um den Erzieherinnen mehr Lohn zahlen zu können, wurden mit Beschluss 2018 die Stundensätze der Trägerkörperschaften erhöht. Wir zahlen nicht mehr 8,70 Euro pro Stunde an die Tagesmutter, sondern 10,20 Euro.“

Eine Umstellung der Urlaubs- und Krankheitsregelung sei auf Anraten des Rechtsamtes des Landes erfolgt und im Beschluss 2018 präzisiert worden: Die Sozialgenossenschaften erhalten nämlich keine Beiträge für Urlaubstage und Abwesenheiten aus Krankheitsgründen. „Denn das Land darf nur für die effektiven Betreuungsstunden einen Beitrag auszahlen, bzw. der Steuerzahler kann nicht für nicht-geleistete Stunden zahlen.“

Den Sozialgenossenschaften stehe es zwar frei, mit den Eltern andere Regelungen auszuhandeln und beispielsweise mehr Urlaub zu gewähren. „Aber der Betreuungsplatz muss trotzdem erhalten und die Betreuerinnen bezahlt werden“, beschreibt Deeg das Dilemma.

Zur Neuerung hinsichtlich der Krankheitsfälle will die Landesrätin jedoch mit sich reden lassen: Sie zieht in Erwägung, nochmals die Landesregierung damit zu betrauen.

Das Rundschreiben

Änderung Urlaubsregelung:

Laut dem Beschluss der Landesregierung Nr. 1198 vom 20. November 2018 werden bei einem ganzjährigen Besuch der Kitas drei Wochen, in denen das Kind wegen Urlaub abwesend ist, bzw. bei nicht ganzjährigem Besuch ein proportional reduzierter Zeitraum nicht in Rechnung gestellt. Der Urlaub muss mindestens 14 Tage (zwei Wochen) vor Beginn der Urlaubswoche mittels der eigens dafür vorgesehenen Vorlage bei der Kitas-Leitung gemeldet werden. Die schriftliche Anfrage ist verbindlich. Wird diese Meldefrist nicht eingehalten, werden die vertraglichen Betreuungsstunden mit den in der Konvention definierten vollen Kosten pro Betreuungsstunde verrechnet.

Zu diesem Urlaubszeitraum kommen die Tage hinzu, an denen die Kitas aus sonstigen Gründen geschlossen bleibt.

Wer die vertraglich vereinbarten Urlaubszeiten überschreitet, zahlt die in der Konvention definierten vollen Kosten pro Betreuungsstunde. Berücksichtigt werden die vertraglich vereinbarten Betreuungstage. Nicht genossene Urlaubswochen können nicht auf das nächste Kalenderjahr übertragen werden.

Änderung Krankheitsregelung:

Den Vertragspartnern werden auf der Grundlage des jeweiligen Stundentarifs die ersten drei Betreuungstage in Rechnung gestellt. Die Folgetage werden ebenfalls für die gesamte Zeit, in der das Kind krankgeschrieben ist, auf der Grundlage des jeweiligen Stundentarifs in Rechnung gestellt, vorausgesetzt innerhalb des dritten Abwesenheitstages liegt die ärztliche Krankheitsbescheinigung (certificato medico) vor. Die ärztliche Krankheitsbescheinigung muss in Original innerhalb von drei Tagen in der Kitas abgegeben werden. Wird die ärztliche Bescheinigung nicht vorgelegt, so trägt der Nutzer oder die Nutzerin ab dem vierten Tag der Abwesenheit des Kindes die in der Konvention definierten vollen Kosten pro Betreuungsstunde.
Eigenerklärungen werden nicht akzeptiert.

Foto(s): © 123RF.com und/oder/mit © Archiv Die Neue Südtiroler Tageszeitung GmbH (sofern kein Hinweis vorhanden)

Kommentare (7)

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  • brutus

    Kommt es nicht vor, dass manche Eltern die Kinder nach Belieben in die Kita schicken und andere keinen Platz bekommen!

  • asterix

    Das ist der Preis den man zahlt wenn Väter und Mütter unbedingt arbeiten müssen. Gebt den Müttern 3 Jahre Mutterschaftsgeld und Pensionsversicherung und es braucht kaum mehr Kitas. Wäre für die Kinder und somit für die ganze Gesellschaft ohnehin viel besser. Aber die Landesrätin wird’s schon richten. Vor den Wahlen hört man immer, was sie alles leisten und geleistet haben. Jetzt, nach den Wahlen wird s kompliziert. Aber sie kann die Elter ja verstehen. Als wenn die etwas davon hätten.

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