„Das große Wir zerfällt“
Der Bischof hat am Silvestertag zu den EU-Wahlen Stellung bezogen: Im Haus Europa herrsche ein Geist der Abschottung.
Beim Dankgottesdienst am Silvestertag im Dom von Brixen ging Bischof Ivo Muser auf zwei Herausforderungen ein, die seiner Ansicht nach von besonderer Bedeutung für das Jahr 2019 sein werden: das europäische Wir-Gefühl sowie die Armut in Südtirol. Beiden Herausforderungen gelte es mit dem Leitwert Solidarität zu begegnen.
Bischof Ivo Muser hat am Silvestertag im Dom von Brixen einen Dankgottesdienst zum Jahresabschluss gefeiert, dabei aber den Blick in die Zukunft, sprich: das Jahr 2019, gerichtet und die größten Herausforderungen benannt, die auf die Südtiroler Gesellschaft im neuen Jahr warten.
Europa und die Europawahlen: Das große Wir nicht zerfallen lassen
„Im neuen Jahr werden die Europawahlen stattfinden. Die Europäische Union ist nach den dramatischen Erfahrungen der Diktaturen und des Zweiten Weltkriegs gegründet worden, durchaus auch als christlich-humanistische Wertegemeinschaft. Der europäische Geist verliert heute aber an Kraft. Das Wir-Gefühl bröckelt in der Flüchtlingskrise. Das große Wir zerfällt in immer kleinere Wirs. Im Haus Europa sind die Bewohner dabei, sich wieder mehr in ihre eigenen vier Wände zurück zu ziehen. Ein ‚Vorsicht vor diesem Wir‘ kann man immer häufiger hören. Eigentlich müsste es aber heißen ‚Wir, die Völker Europas‘. An so einem Empfinden war Europa schon einmal näher dran. Die vielen neuen Wirs liebäugeln mit Grenzen. Die Flüchtlinge, heißt es, gehören nicht zu ‚uns‘. Es macht mich als Christ betroffen, dass der Geist der Abschottung nicht selten sogar unter christlichen Vorzeichen antritt, beispielsweise um das christliche Abendland zu retten. Die christliche Identität kennt, pflegt, verteidigt und lebt die eigenen Wurzeln – im offenen und konstruktiven Dialog mit der Identität der anderen“, sagte der Bischof in seiner Predigt.
Solidarisches Zusammenleben
Bischof Muser sieht vor diesem Hintergrund die europäische Gemeinschaft an einer Wegkreuzung: „Wird nationaler Egoismus die Oberhand behalten oder können wir – über Grenzen und Unterschiede hinweg – ein solidarisches Zusammenleben finden, gegründet auf verbindenden und verbindlichen Werten? Und eine entscheidende Frage, die mich stark beschäftigt: Wie verhalten wir Christen uns in all diesen Fragen?“
Solidarität als Leitwert aufrechterhalten
Neben dem Thema Europa sieht Bischof Muser 2019 eine zweite große Herausforderung: Die Armut. „Wir leben in Südtirol in einem reichen Land, in einer der wohlhabendsten Regionen Europas. Und trotz allem gibt es Arme und Menschen, die von Armut bedroht sind. Armut hat viele Gesichter und viele Ursachen. Wir müssen Armut auch in unserer Gesellschaft als eine Tatsache anerkennen und uns für Armen einsetzen. Manchmal scheint es mir, dass bewusst der Gegensatz zwischen den Werten „Freiheit“ und „Solidarität“ konstruiert wird. Nutzer von Sozialleistungen werden deshalb häufig als Parasiten betrachtet, Unterschiede beispielsweise zwischen Ausländern und der lokalen Bevölkerung werden bewusst hervorgehoben. Wie reagieren Christen darauf? Sind sie bereit, die Solidarität als Leitwert aufrecht zu erhalten, oder werden sie von Ängsten und Vorurteilen mitgerissen? Solidarität beruht vor allem darauf, verstanden zu haben, dass jeder von uns den anderen braucht“, zeigte sich Bischof Muser überzeugt.
2019 soll Jahr der Solidarität, der Menschlichkeit und Verantwortung füreinander sein
Schließlich äußerte der Bischof einen Wunsch für 2019: “Treten wir als Menschen der Hoffnung in das Jahr 2019 ein. Möge es mit seiner Hilfe ein Jahr der Solidarität sein, des Respekts und der Wertschätzung im Denken, Reden und Handeln, ein Jahr der Menschlichkeit und der Verantwortung füreinander. Ein Jahr des Heils. Wieder ein Jahr nach Christi Geburt.“
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Kommentare (25)
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tiroler
Es gibt einen großen Unterschied zwischen legaler und illegaler Einwanderung. Gegen Einwanderern, die benötigt werden für die Wirtschaft, hat niemand etwas, im Gegenteil. Auch wirklich Schutzbedürftigen aus Kriegsgebieten muss geholfen werden. Leider ist es aber so, dass das auf ca 90% der Migranten nicht zutrifft. Das ist das eigentliche Problem und muss unterbunden werden. Diese Unterschiede sollte auch der Bischof benennen!
asterix
Wir müssen sie anscheinend alle willkommen heißen, die legalen und auch die illegalen neuen Mitbürger. Das gebietet die christliche Nächstenliebe, sagt der Herr Muser. Ja dann können wir gleich noch zum Islam konvertieren aus lauter Nächstenliebe und brauchen Bischof auch keinen mehr. Ich kann das pathetische Gerede schon gar nicht mehr hören.
florianegger
Habe auch meine Schwierigkeiten mit seiner Art der Rethorik, aber die Inhalte sind es wert, vertieft zu werden