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Blauer Untergang

Allerspätestens mit dem Austritt von Bernd Ausserhofer ist klar, dass die Freiheitlichen in Bruneck – und wohl im gesamten Pustertal – kaum mehr existent sind. Warum Ausserhofer seiner Partei den Rücken kehrt. Und warum sich die Pusterer Blauen in Auflösung befinden.

Von Silke Hinterwaldner

Bernd Ausserhofer kann sich noch gut erinnern an seine Anfangszeit bei den Freiheitlichen. Schließlich ist es gar nicht so lange her, dass der Unternehmer sich für die Politik und ganz besonders für die Politik der Blauen zu interessieren begann.

Damals schrieb man das Jahr 2009. Unter anderem gefiel es Bernd Ausserhofer, dass Roland Tinkhauser, der frisch gebackene Abgeordnete aus Pfalzen, sich ganz klar zum Skipisten-Projekt Ried bekannte, obwohl diese Abfahrt vom Kronplatz nach Percha seinerzeit sehr umstritten war. Allein an diesem Beispiel zeigt sich schon, welche Art der freiheitlichen Politik auch Bernd Ausserhofer gefiel: mehr der Einsatz für die Wirtschaft als der Kampf an der Front der Heimattreuen. Wenig später trumpften die Freiheitlichen auch in Bruneck groß auf: Bei den Gemeindewahlen 2010 wurden vier Räte gewählt. Wie im gesamten Land herrschte  in Bruneck Aufbruchstimmung bei den Freiheitlichen.

Jetzt ist alles anders. Nur wenige Jahre später sind die Freiheitlichen mehr ein zerstrittener Haufen als eine echte neue Volkspartei, wie es sich Bernd Ausserhofer gewünscht hatte. Im Herbst haben es nur noch Ulli Mair und Andreas Leiter Reber in den Landtag geschafft. Sein freiheitlicher Weggefährte Roland Tinkhauser durfte nicht mehr für den Landtag kandidieren. Der Finanzskandal im Sommer hat das Fass dann wahrscheinlich zum Überlaufen gebracht.

Bernd Ausserhofer

„Wir waren auf einem guten Weg“, sagt Bernd Ausserhofer heute, „Südtirol hätte eine zweite große Volkspartei gebraucht, um  einen gesunden Wettbewerb der Ideen zulassen zu können. Ich finde es sehr, sehr schade, dass man dies nun alles komplett heruntergewirtschaftet hat.“

Nachdem in den vergangenen Monaten und Jahren den Freiheitlichen das Personal scharenweise davongelaufen ist, hat auch Bernd Ausserhofer nun für sich Konsequenzen gezogen. Er ist aus der freiheitlichen Partei ausgetreten – und hat diesen Schritt der Parteispitze vor zwei Wochen schriftlich mitgeteilt. Geredet wurde in letzter Zeit ohnehin nicht mehr so viel.

Im Gemeinderat von Bruneck ändert sich dadurch zunächst nicht besonders viel. Bernd Ausserhofer gehört nun der gemischten Fraktion an, wird seine Arbeit aber in bewährter Manier fortführen. Kurios ist die neue Situation allerdings schon. 2014 waren mit Ausserhofer und Bernhard Hilber zwei blaue Gemeinderäte gewählt worden. Hilber hat den Freiheitlichen bereits vor einigen Jahren den Rücken gekehrt, nun sitzen die beiden wieder – gemeinsam mit der Ex-PD-Rätin Cornelia Brugger – in der gemischten Fraktion. Die Freiheitlichen sind aus dem Gemeinderat verschwunden.

Aber nicht nur im Gemeinderat sind die Blauen ausgelöscht, auch die Ortsgruppe Bruneck – immerhin der einzigen Stadt im Bezirk Pustertal – ist praktisch nicht mehr existent. Zwar sieht das die Parteiführung in Bozen genauso wie der Freiheitliche Bezirksobmann Taibon (siehe nebenstehendes Interview) nicht ganz so dramatisch, aber in Wirklichkeit ist von den ehemals blauen Hochburgen im Osten des Landes nicht mehr viel übrig. „Viele fleißige und intelligente Leute mit dem Herzen am rechten Fleck haben sich mittlerweile mehr oder weniger leise von den Freiheitlichen verabschiedet“, sagt Ausserhofer, „dabei hätte die Partei dringend eine Erneuerung nötig gehabt. Aber das ist nicht passiert.“

Passiert sei das glatte Gegenteil. Das aber hat offensichtlich nicht nur viele innerhalb der Partei enorm gestört, sondern offensichtlich auch viele der Anhänger. Die Freiheitlichen im Landtag sind mittlerweile auf zwei Mandate geschrumpft, bei den Gemeindewahlen in knapp eineinhalb Jahren könnte es für die Blauen noch schlimmer kommen. Denn wer soll die Arbeit vor Ort machen, wenn sich sehr viele mittlerweile enttäuscht abgewendet haben? Motivierte neue Leute werden sich die Freiheitlichen schwer tun zu finden. Den Charme des Neuen und des Unerschrockenen beansprucht mittlerweile Paul Köllensperger für sich. Insofern wird sich im Hinblick auf die Gemeindewahlen 2020 sicherlich nicht nur in Bruneck eine Antwort auf die Frage finden müssen, ob die ehemaligen Freiheitlichen lieber zum Team Köllensperger wechseln, bei den Freiheitlichen bleiben oder vielleicht entsteht noch etwas ganz anderes.

 

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