Die Legionellen-Anklage
2015 verstarb in einem Burggräfler Altersheim eine Bewohnerin an der Legionärs-Krankheit. Nun hat die Staatsanwaltschaft gegen vier Ärzte und Pfleger Anklage wegen fahrlässiger Tötung erhoben. Erstmals.
Von Thomas Vikoler
Das Bakterium schlug im vergangenen Sommer in Italien gleich mehrmals zu: Im Mailänder Hinterland erkrankten im Juli 52 Bewohner, vier davon starben. Im September erkrankten in der Provinz Brescia an die 150 Personen an Lungenentzündungen. Alles ausgelöst von Legionella-Bakterien, den gefährlichen Erregern, die sich im Wasser besonders wohl fühlen.
Auch Südtirol gab es einen Legionellen-Fall mit Präzedenzfall-Charakter, jedenfalls in juristischer Hinsicht: Am 9. Februar 2015 verstarb in einem Altersheim im Burggrafenamt eine damals 93-jährige Bewohnerin. Die aus Bozen stammende Frau, die in Zimmer 305 der Pflegeanstalt untergebracht war, hatte sich zwischen 24. Februar und 2. Jänner 2015 eine Legionellen-Pneumonie zugezogen, die zu ihrem Tod führte. Die genaue Todesursache: Eine schwere Lungenentzündung, ausgelöst von einem Erreger namens „Legionella Pneumophila“.
So steht es in der Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Bozen gegen insgesamt vier Personen: Zwei verantwortliche Ärztinnen des Altersheimes, in denen die 93-Jährige gewohnt hatte sowie zwei Pfleger bzw. Verwalter, die für die Legionella-Vorbeugung zuständig gewesen wären.
Erstmals werden in Südtirol Personen wegen eines Falles der sogenannten Legionärs-Krankheit strafrechtlich zur Verantwortung gezogen. Konkret wirft die Staatsanwaltschaft den vier Beschuldigten „Fahrlässigkeit aufgrund von Nachlässigkeit, Unvorsichtigkeit und Untüchtigkeit sowie bestimmter Fahrlässigkeit“ im Umgang mit der Legionellen-Gefahr in den beiden Pflegeeinrichtungen vor.
Dazu gibt es mehrere staatliche und Landes-Vorschriften: Etwa die seit 2011 geltende Pflicht, einen Risikoplan zu erstellen. Im Altersheim, in dem die 93-Jährige verstarb, fehlte jegliche Bewertung der Legionella-Risiken, wofür nun der Verwalter der Einrichtung verantwortlich gemacht wird.
Den beiden ärztlichen Leiterinnen der Altersheime wirft die Staatsanwaltschaft Bozen hingegen vor, die entsprechenden Landes-Richtlinien missachtet zu haben: Sie hätten es zudem unterlassen, Maßnahmen gegen das Auftreten von Legionella-Bakterien mit den Verantwortlichen der Seniorenwohnheime abzusprechen und durchzuführen.
Die Carabinieri-Hygieneeinheit NAS hat den Fall im Auftrag der Staatsanwaltschaft untersucht und kam zum Schluss, dass im Burggräfler Altersheim praktisch keine Vorbeugemaßnahmen getroffen worden waren. Es gab auch keine Inanspruchnahme der Dienste des Hygiene-Amtes des Sanitätsbetriebs zwecks Überwachung der Legionellen-Situation.
Im Wassersystem des Altersheims fanden die Experten des Dienstes für Hygiene und öffentliche Gesundheit des Landes und die NAS nach dem Todesfall am 9. Februar 2015 jedenfalls dasselbe Bakterium – „Legionella Pneumophila“ -, an dem die Bewohnerin gestorben war.
Bezeichnenderweise war die Ermittlung der Staatsanwaltschaft nicht von einer Anzeige der Angehörigen der Verstorbenen angestoßen worden, sondern von einer Anzeige der Carabinieri-Sondereinheit.
Kommende Woche findet am Landesgericht die Vorverhandlung zu diesem auch juristisch hochinteressanten Fall statt. Die Verteidiger der vier Beschuldigten werden auf Einstellung des Verfahrens plädieren, indem sie einen kausalen Zusammenhang zwischen dem Ableben der 93-Jährigen und dem Verhalten der Verantwortlichen des Altersheims bestreiten.
Bisher gibt es in Italien keinen rechtskräftigen Schuldspruch wegen fahrlässiger Tötung in Zusammenhang mit einem Fall von Legionärs-Krankheit.
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