„Alle haben nur gegafft“
Unglaubliche Szenen haben sich am Dienstag kurz nach Mittag in der Meraner Altstadt abgespielt. Eine Mutter wird in Begleitung ihrer 14-jährigen Tochter von einer ihr unbekannten Frau mehrmals angegriffen und verletzt. Das wirklich Erschreckende daran: trotz ihrer Hilferufe und Schreie schreitet niemand ein.
von Karin Gamper
Der Facebook-Eintrag wurde in den vergangenen zwei Tagen zig-mal geteilt. Sonja, eine Mutter aus dem Meraner Raum, berichtet darin Erschreckendes.
Sonja war am Dienstag dieser Woche mit ihrer minderjährigen Tochter in der Meraner Altstadt unterwegs. Gegen 12.30 Uhr haben sie und die Tochter ein Geschäft am Rennweg verlassen.
„Ich habe eine italienischsprachige Frau schreien gehört: ti uccido …, bastarda, stronza. Ich habe mich umgeschaut um zu sehen, was los ist. Auf der gegenüberliegenden Straßenseite stand eine Frau … sie hat auf mich gezeigt und mit der Hand gewaltige Gesten gemacht“, beschreibt Sonja den Beginn eines Alptraums, der sich in der nächsten halben Stunde abspielen sollte. Die ihr völlig unbekannte Frau habe sie daraufhin weiter auf dem Gehsteig verfolgt und dabei Beleidigungen ausgestoßen. Mutter und Tochter fangen daraufhin an zu laufen und werden von der Frau am Theaterplatz eingeholt.
„Dann ging alles sehr schnell“, schreibt Sonja auf Facebook. „Bin von der Frau geschlagen – gestoßen worden mit Händen und Füßen und ihrer Handtasche“, so Sonja in dem Beitrag. Die Frau sei dann auf die Tochter losgegangen. Die Mutter schrie um Hilfe, aber: „Niemand (!!!) hat uns geholfen, alle haben geschaut, was passiert. Niemand war imstande die 112 anzurufen oder einzugreifen“.
Die Verfolgung durch die unbekannte, etwa 40-jährige Frau geht laut Facebook-Eintrag weiter bis zur Passerpromenade. Dort schafft es Sonja endlich, selbst die Notrufnummer zu wählen. Innerhalb weniger Minuten sind die Carabinieri vor Ort. Sonja weiter: „Während ich am Telefon mit 112 und Carabinieri war, schlug sie weiter auf mich ein! Sie drohte mich niederzustechen! Wir haben unglaubliche Angst gehabt!“ Schließlich packt die Mutter einen Passanten am Arm und fordert ihn auf stehenzubleiben und ihr zu helfen. Als die Beamten eintreffen, erstattet Sonja Anzeige. Sie begibt sich in die Notaufnahme, wo am ganzen Körper Prellungen und Blutergüsse festgestellt werden.
Gegenüber der TAGESZEITUNG bestätigten die Ordnungshüter gestern den Vorfall. Der tragische Hintergrund: bei der Unbekannten handelt es sich um eine psychisch kranke Frau. Sie trug keinen gefährlichen Gegenstand bei sich. Die Verletzungen von Sonja wurden von den Ordnungshütern als nicht gravierend eingestuft. Die unbekannte Frau sei von den Beamten mitgenommen worden und die Situation unter Kontrolle, so die Ordnungskräfte.
Eine Aussage, die Sonja im direkten Gespräch mit der TAGESZEITUNG allerdings nicht bestätigen kann: „Als die Carabinieri fort waren, stand die Frau in einer Entfernung von etwa 50 Metern und begann erneut damit mich zu beschimpfen“, sagt Sonja. Sie sei daraufhin samt der Tochter schnell zum Auto geflüchtet und in die Notaufnahme gefahren.
Sonja will den Vorfall nicht auf sich beruhen lassen: „Ich habe diese Frau noch nie in meinem Leben gesehen und habe ihr auch nichts getan und ich frage mich deshalb, ob sie wahllos auf Leute einschlagen kann?“. Ihr sei nämlich mitgeteilt worden, dass besagte Frau am Nachmittag nochmals verbal Passanten angegriffen habe.
Der Schock sitzt tief bei Sonja unter ihrer Tochter. Am Erschreckendsten ist für die beiden jedoch die Erkenntnis, dass kein einziger Passant eingeschritten ist und auch niemand den Notruf gewählt hat. „Ich habe die Carabinieri extra danach gefragt, ob sie jemand außer mir noch verständigt hat und sie haben verneint“, so Sonja. Dabei war die Altstadt am Dienstag zur Mittagszeit sehr belebt: „Alle haben nur gegafft, einige Personen sind sogar aus den Geschäften rundherum herausgekommen und haben zugeschaut, was passiert, aber niemand hat uns geholfen, obwohl ich lauthals um Hilfe gerufen habe“.
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