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„Ungerechte Subventionen“

Zeno Christanell

Der Meraner Sozialpolitiker und SVP-Bezirksobmann Zeno Christanell analysiert die Wahlniederlage und erklärt: die SVP-ArbeitnehmerInnen müssten sich neu erfinden.

TAGESZEITUNG Online: Herr Christanell, die zwei SVP-Arbeitnehmer-Kandidaten im Westen sind durchgefallen. Warum? 

Zeno Christanell: Im Westen gab es neben den offiziellen zwei Arbeitnehmer-Kandidaten mindestens drei weitere Kandidatinnen und Kandidaten, die dem sozialen Bereich nahestehen. Zudem haben sich vor den Wahlen alle den sozialen Mantel angezogen, auch die deklarierten Vertreter der Wirtschaft. So haben sich die Stimmen aufgesplittert. Außerdem bewegt das Etikett „Arbeitnehmer“ kaum noch – viele Wähler entscheiden nach anderen Motiven und nicht nach der möglichen Interessenvertretung.

Interpretieren Sie das schlechte Abschneiden als Krise der Arbeitnehmer-Bewegung oder ist es ein Vinschger Phänomen? 

Es ist eine aktuelle Schwäche der Sozialdemokratie feststellbar. Obwohl genau im Bereich der sozialen Gerechtigkeit auch bei uns Handlungsbedarf besteht. Die Löhne sind im Verhältnis zu den Lebenshaltungskosten zu gering, das Eigenheim zu teuer, die Steuerlastungerecht verteilt. Das sind alles Handlungsfelder bei denen es eine sozialdemokratische Politik braucht. Leider ist es im Wahlkampf nicht ausreichend gelungen, unsere Lösungsansätze zu kommunizieren. Dazu haben auch die finanziellen Mittel gefehlt, die anderen Gruppen zur Verfügung standen. 

Schwingt die Polemik um das Schlanderser Spital mit? 

Diese hat sicherlich auch eine Rolle gespielt, obwohl es vor allem dem Einsatz der Bezirks-SVP und der Vinschger SVP-Bürgermeister zu verdanken ist, dass es eine Garantie für den Erhalt des Krankenhauses gibt. Hier wurde auch auf dem Rücken der Mitarbeiter und Patienten Stimmung gemacht und Verunsicherung geschürt, um politisches Kapital daraus zu schlagen.

Zu diesem Misserfolg kommt noch ein generelles Schwächen der SVP-Arbeitnehmer-Bewegung dazu. Mit Renzler, Amhof und Deeg sitzen nur mehr drei Arbeitnehmer im Landtag, davon eine in der Landesregierung. Was sagt das über die Stärke oder Schwäche der Arbeitnehmer? 

Die Anliegen der Südtiroler Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, welche den Großteil der Bevölkerung ausmachen, sind im neuen Landtag sicherlich nicht angemessen vertreten. Ich schließe da auch kleine Freiberufler oder Handwerker mit ein, da diese ähnliche Probleme haben. Das betrifft aber nicht nur die SVP, sondern auch die anderen Parteien. Durch den von vielen bewusst inhaltslos geführten Wahlkampf setzte sich zum einen ein diffuser Wunsch nach Veränderung durch und zum Anderen das bange Hoffen auf Stabilität. Zentrale Inhalte sind meines Erachtens auf der Strecke geblieben. 

Warum ist die Bewegung für das arbeitende Volk nicht mehr attraktiv? 

In der letzten Legislatur sind wichtige Vorhaben, wie etwa das Wohnbaugesetz oder die Anpassung der Kollektivverträge, anderen Themen untergeordnet worden. Dazu kamen ungerechte Wirtschaftssubventionen. Das hat sicherlich nicht zur stärkeren Bindung bei gewissen Teilen der Bevölkerung beigetragen. 

Müssen Sie sich neu erfinden?

Die sozialen politischen Bewegungen müssen sich in ganz Europa neu erfinden. Auch in Südtirol ist ein „weiter wie bisher“ nicht möglich. Da kann man von anderen Ständevertretern oder aus der eigenen Geschichte lernen: Wenn die Inhalte nicht passen, muss man auch einmal gegen etwas stimmen. Es wurden zu viele gut gemeinte aber schlussendlich unsolidarische Kompromisse gemacht – siehe beispielsweise beim Raumordnungsgesetz. 

Es gibt in der Basis Kritik an Helmuth Renzler. Ist die Führungsriege zu schwach? Ist er noch die richtige Person am richtigen Platz? 

Eine reine Personaldebatte greift sicherlich zu kurz. Die Struktur ist neu aufzustellen und die Durchsetzungskraft bei den sozialen Kernbereichen zu erhöhen. Das Positive ist, dass das Vakuum nur durch eine soziale Bewegung gefüllt werden kann. Hierzu braucht es aber auch einen neuen Schulterschluss mit den sozialen Verbänden und den Gewerkschaften, die derzeit zu unpolitisch sind – auch wenn es um ihre ureigenen Interessen geht. 

Würden Sie sich darüber hinaussehen, die Arbeitnehmer anzuführen? Oder: Wen würden Sie sich als neuen Leader wünschen? 

Ich stehe sicher nicht zur Verfügung. Den Landesvorsitz kann man in dieser Situation nicht als reines Ehrenamt ausführen, dazu braucht es ein politisches Mandat. Über alles andere muss der Landessozialausschuss baldmöglichst befinden. 

Renzler ist vorgeprescht in Sachen Koalition und hat seine Gegnerschaft zu einer SVP-Lega-Koalation angemeldet. Glauben Sie ernsthaft, dass Ihre Bewegung im Falle einer SVP-Lega-Koalition ausscheren und aus der Fraktion oder gar aus der Partei austreten könnte? 

Ich habe große Vorbehalte gegen eine Koalition mit der Lega. Vor allem in Fragen der Haltung gibt es zu viele Unterschiede zu meinem Werteverständnis. Aber der Landeshauptmann und der Parteiobmann haben das Mandat zu offenen Gesprächen mit allen Parteien erhalten. Nun gilt es diese Sondierungen abzuwarten. Dann werden auch die SVP-Arbeitnehmer Position beziehen und inhaltliche Forderungen stellen. 

Interview: Artur Oberhofer

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