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„Unverantwortlich“

Stefan Pan

Stefan Pan, Vize-Präsident des nationalen Industriellenverbandes Confindustria, kritisiert die Maßnahmen der neuen Regierung – und sieht im politischen Stil das Vorspiel von ungarischen oder türkischen Verhältnissen.

Tageszeitung: Herr Pan, seit Tagen gibt es eine Polemik zwischen Confindustria-Präsident Vincenzo Boccia und der neuen Regierung. Die Industriellen sind mit dem Haushalt nicht glücklich und vermissen ein gutes Verhältnis der Regierung zur Wirtschaft. Was halten Sie von der neuen Regierung?

Stefan Pan: Die Position von Confindustria ist immer sehr klar: Wir schauen uns die Programme und Maßnahmen an und bewerten sie. Und derzeit sind sie gezeichnet von Erhöhungen des Schuldenberges, ohne auf der anderen Seite Investitionen vorzunehmen. Confindustria hat auch gesagt, dass Italien ein großes Potenzial hat, das noch voll ausgeschöpft werden kann. Die größte Herausforderung für Italien ist nach wie vor, Arbeitsplätze für die Jugend zu schaffen. Die Pakete, die die Regierung vorgestellt hat, gehen aber in eine andere Richtung.

Inwiefern?

Sie gehen in Richtung bedingungsloses Grundeinkommen. Jetzt beginnt man zu versuchen – wohl auch aufgrund der konstruktiven Kritik –, dieses Grundeinkommen doch hin zu Hartz 4 zu bewegen, also dem deutschen Modell. Das war anfangs nicht so angedacht. Die Reform der Pensionsreform heißt, dass man wieder früher in Pension gehen kann. Das ist ein verlockendes Wahlversprechen, aber es ist nicht nachhaltig und geht voll auf Kosten der Jugend, die eh schon Schwierigkeiten hat. Wir spüren das in Südtirol nicht so sehr, aber in Restitalien – vor allem im Süden – ist das das große Thema. Längst überfällig sind hingegen Investitionen im Bereich der Infrastrukturen. Die eingestürzte Brücke in Genua ist leider ein dramatisches Beispiel dafür. Für Investitionen ist sehr wenig veranschlagt – und die veranschlagten Zahlen sind sehr vage. Confindustria spricht sich für ein Maßnahmenpaket aus, das wirklich greift.

Und zwar?

Dass man die Maßnahmen der alten Regierung, die sich erwiesenermaßen bewährt haben, weiterführt. Sprich Industrie 4.0. Die Investitionen sind in diesem Bereich – und das ist eine starke Leistung der Wirtschaft – um 30 Prozent gewachsen. Es geht uns insgesamt um nachhaltige Maßnahmen, die den Motor stärken, die vor allem der Jugend wieder eine greifbare Aussicht geben, die Arbeitsplätze schaffen und die Sozialmaßnahmen erst finanzierbar machen. Bei dieser Staatsverschuldung in Italien – die zweitgrößte in ganz Europa – darf man nicht mehr so unverantwortlich auf Kosten vor allem der Jugend Maßnahmen treffen, die zwar schön klingen, aber nicht nachhaltig sind.

Italien bräuchte in erster Linie also nachhaltige Investitionen anstelle von Geldgeschenken?

Jawohl. Natürlich gibt es das Armutsproblem, aber das geht man an, indem man Hilfen stellt. Dafür gibt es soziale Netze. Das braucht Italien selbstverständlich. Aber es dürfen nicht ohne Gegenleistung Gelder verschenkt werden, sondern es braucht Maßnahmen, die die Wirtschaft wirklich beleben. Ein Fakt ist etwa, dass die Sparquote in Italien zunimmt. Sparen tut man dann, wenn man Angst vor der Zukunft hat. Dann investiert man nicht. Das ist eigentlich der Indikator, der zeigt, in welche Richtung es geht. Danach gibt es eine zweite große Herausforderung: Europa.

Wie meinen Sie das?

Wir haben Frieden, und wir haben Wohlfahrt aufgrund des Binnenmarktes und eines starken Europas, das man natürlich immer noch besser machen muss. Aber die antieuropäischen Töne mit einer Gewaltsprache, die in Italien zuletzt Anfang des letzten Jahrhunderts zu hören war, sind extrem gefährlich. Und den Euro einen Tag in Frage zu stellen und am anderen Tag wieder nicht, ist verantwortungslos. Man merkt das auch an der Reaktion der Märkte. Der Spread ist ein Fiebermesser, der anzeigt, ob es Vertrauen in ein Land gibt oder nicht. Und die Fieberkurve beginnt dramatisch zu steigen.

Verstehen Sie also die EU, wenn sie Italien auf die Finger klopft?

Für Dialogfähigkeit braucht es auch einen Stil. Und der ist bei beiden Seiten angebracht. Emotionen schaden allen. Wir als Confindustria haben den Stil, mit allen in Dialog zu treten. Die Stilfrage ist nicht nur eine Formsache, sondern ist genauso Substanz. Wenn man beginnt, all diejenigen, die eine nicht regierungstreue Meinung äußern, zu beschimpfen und zu bedrohen, wie es zurzeit mit den Medien passiert, so sind das die Vorspiele der jetzigen ungarischen oder türkischen Verhältnisse, die einfach nicht akzeptabel sind.

Zuletzt stand eine Protestaktion von Confindustria im Raum. Wird es diese geben?

Es steht immer Dialog im Mittelpunkt. Aber der Druck ist derzeit teilweise sehr hoch – vor allem wenn die Unternehmer persönlich angegriffen und bedroht werden, nur weil sie eine kritische Position äußern, die immer konstruktiv gemeint ist. Es gibt großen Druck von Unternehmern, die sagen, es brauche eine Mobilisierung. Die Unternehmer gehen normalerweise nicht auf die Straße, sondern versuchen über die Medien und in den institutionell vorgesehenen Orten Dialog zu führen. Wenn die Zeiten sonderbar werden, muss man sich zwar die Frage stellen – aber es bleibt dabei, dass wir immer den Dialog suchen, auch wenn es schwierig sein sollte.

Interview: Heinrich Schwarz

Foto(s): © 123RF.com und/oder/mit © Archiv Die Neue Südtiroler Tageszeitung GmbH (sofern kein Hinweis vorhanden)

Kommentare (13)

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  • andreas

    Italien kann nicht mit der Wirtschaftsleistung der Nordländer mithalten und das wird sich auch in Zukunft nicht ändern, da es den Nordländern egal ist, wie es dem Süden geht.
    Ausgemacht war die Arbeitskosten der Länder gleichmäßig zu erhöhen, die Deutschen haben es aber vorgezogen, diese zu senken und damit den Süden in den Ruin zu treiben.
    Früher oder später muss dies korrigiert werden.
    Am Montag wird sich zeigen, wie die „Solidargemeinschaft“ Europa reagiert, wenn Italien den Haushaltsplan der EU präsentiert.

    • leser

      Andreas meinst du nicht wwnn man arbeitskosten anpasst. Was gar nicht möglich ist, dann geht das nur wenn einer etwas subventioniert, was dann eine gruppe bevorteilt
      Gäbe es subventionien in der wirtschaft nicht, dann wäre eine wirtschaft sauberer und nicht verzerrt
      Übrigens wer nimmt den deutschen ihrd produktion ab
      Den ruin des südens veantwortet nicht deutschland. Wenn überhaupt eine handvoll politiker

    • morgenstern

      Seit wann ist die EU eine Solidargemeinschaft??? schluchts…, schluchts…, trän …trän..!!
      Die EU ist eine Vertragsgemeinschaft.

  • criticus

    Herr Pan, Sie sind mit ihrer Mahnung, so wie ihre Vorgänger, sehr spät dran. Italien war immer schon ein Schlendrian. Hat die bestbezahlten Politiker und das viel zu viel, hat zig Leibwächter für diesen Politikerhaufen, zahlt für zu vielen Extras (zB. blauen Autos, Politikervergünstigungen usw.), hat mehrere Ordnungshüter, die nicht zusammenarbeiten und und und. Bekommt EU-Gelder die dann einfach irgendwo versickern. Dieser Staat verhält sich bei den Ausgaben, als ob er der reichste Europas wäre. Die Wahrheit ist, er pfeift seit Jahrzehnten aus dem letzten Loch und hat nach Griechenland die größte Jugendabwanderung. Ehrlich gesagt als Nordländer wäre es mir auch egal wie es dieser Misswirtschaft geht.

    • andreas

      Man kann über Italien sagen was man will, doch seinen Verpflichtungen gegenüber dem Ausland oder seine Schulden hat es immer bedient.
      Bei der Einführung des Euro wurde gelogen, das wusste aber jeder, doch gerade deshalb wäre es notwendig gewesen, dass die Arbeitskosten angepasst und Deutschland mit der Agenda 2010 die anderen Länder nicht übertölpelt hätte.

      Es muss ein wirtschaftliches Gleichgewicht zwischen den Ländern geschaffen werden, sonst zerbricht der Euro und das nützt, außer Trump und China, niemanden.

      Es braucht einen Europäischen Präsidenten mit ähnlicher Macht wie Trump, die Dänin Margrethe Vestager wäre eine geeignete Kandidatin dafür, da sie eine der wenigen in Europa ist, welche den USA und China Paroli bieten kann und als Dänin unverdächtig ist, nur die Interessen des eigenen Landes zu vertreten, was bei einem Franzosen, Italiener oder Deutschen nicht so wäre.

  • robby

    Etwas muß diese Regierung richtig machen wenn die bisherigen Profiteure aus Wirtschaft und Industrie so in Panik geraten und den Weltuntergang voraussehen.

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