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Jetzt redet Schülmers  

 

Robert Schülmers

Das Exklusiv-Interview mit Robert Schülmers: Der ehemalige Staatsanwalt am Rechnungshof über das Fürstentum Südtirol, über die Intervention von Alt-LH Durnwalder beim Staatspräsidenten – und über Leute, die vor Politikern auf die Knie fallen.

TAGESZEITUNG: Herr Staatsanwalt, viele Menschen in Südtirol fragen sich: Wo ist Schülmers?

Robert Schülmers: Seit ungefähr zwei Jahren bin ich ständig zwischen Bozen und Neapel unterwegs, wo ich mein heutiges Amt als Richter bei der rechtsprechenden Sektion des Rechnungshofes für Kampanien innehabe.

Sie haben mit Ihren Ermittlungen viel Aufsehen erregt. Vor Ihrer Zeit war der Rechnungshof in Südtirol eine relativ anonyme Institution. Was haben die Staatsanwälte und Richter vor Ihrer Zeit anders gemacht?

Das müssen Sie die jeweiligen interessierten Staatsanwälte und Richter fragen.

In Österreich und Deutschland hat der Rechnungshof einen hohen Stellenwert. Wie mächtig ist der Rechnungshof in Italien und ganz speziell in Südtirol?

Ihre Frage verrät eine falsche Einstellung. Richterliche Einrichtungen müssen nicht „Macht” ausüben und sie sollten nicht als mehr oder weniger „mächtig” betrachtet werden. Man sollte sich besser fragen, ob Richter und Staatsanwälte ihre eigene Arbeit leisten können, ohne sich vor den sogenannten Mächtigen fürchten zu müssen.   

Sie haben mit Ihren Ermittlungen polarisiert: Viele Politiker und Verwalter haben sich vor Ihnen gefürchtet, für viele Menschen, insbesondere für die sogenannten Wutbürger, waren Sie ein Popstar in der Staatsanwaltsrobe. Wie sind Sie mit den öffentlichen Reaktionen auf Ihr Tun umgegangen?

Dass sich viele Politiker und einige Verwalter über die Ermittlungen des Rechnungshofes beschwert haben, das hat man überall gelesen und gehört. Aber der Witz von den Wutbürgern und vom Popstar, den höre ich zum ersten Mal. Auf jeden Fall bin ich stets meinen Weg weitergegangen, wobei für mich vor dem Gesetz wirklich alle gleich gewesen sind. Und dort lag vielleicht das eigentliche Problem, besonders im Fürstentum Südtirol.

Können Sie nachvollziehen, dass viele Verwalter und auch Politiker nach den vielen spektakulären Urteilen Angst vor dem Rechnungshof haben und im Zweifel bestimmte Verwaltungsakte nicht mehr unterschreiben?

Nein. Meiner Meinung nach hat es keine spektakulären Urteile gegeben, sondern Urteile, manchmal auch harsche Urteile, gegen die man Berufung hätte einlegen können, ohne unbedingt so viel Ärger und Empörung an den Tag legen zu müssen. Manche Reaktionen seitens einiger Politiker waren wohl übertrieben.

Für großes Aufsehen haben Ihre Ermittlungen gegen Alt-LH Luis Durnwalder gesorgt. Nun gibt es Menschen, die fragen: Warum ist Durnwalder erst richterlich belangt worden, als er nicht mehr an der Macht war? Was würden Sie den Menschen antworten?

Das ist der zweite Witz. Wie Sie wissen oder wissen sollten, hat Herr Dr. Durnwalder mit dem Rechnungshof schon vor einigen Jahren zu tun gehabt. Wenn ich mich nicht täusche, hatte er sich schon in den Jahren 2008 und 2009 mehrmals über die Staatsanwaltschaft am Rechnungshof öffentlich beschwert. Außerdem, als die Ermittlungen bezüglich des Sonderfonds begonnen haben, war der ehemalige LH von unserer rechtsprechenden Sektion schon einmal verurteilt worden. 

Wenn Sie auf Ihre Ermittlungen in Südtirol zurückblicken: Welches Bild haben Sie sich von der Südtiroler Politik und von der Südtiroler Verwaltung und mithin auch von der Südtiroler Mentalität gemacht?

Südtirol ist ein Land, wo seit Jahrzehnten ein klares Machtsystem herrscht. Wenige Leute ziehen im Hintergrund die Fäden und genießen die meisten Vorteile, während der Großteil der Menschen kein Sagen hat. Den Kopf hoch und das Rückgrat aufrecht zu halten, kann in der öffentlichen Verwaltung problematisch werden. Es ist immer besser Ja zu sagen, denn man weiß, dass der Wille eines machthabenden Politikers hierzulande manchmal mehr zählt als die Kraft der Gesetze.   

Südtirol ist ein reiches Land und hat eine Sonderautonomie. Ist Südtirol dadurch anfälliger für Polit-Skandale oder für Misswirtschaft in der öffentlichen Verwaltung?

Anfälliger vielleicht schon, aber um Polit-Skandale oder die echte Misswirtschaft in der öffentlichen Verwaltung zu enthüllen, braucht man eine freie und pluralistische Presse und eine solche Voraussetzung fehlt in Südtirol.

Wenn die Politikverdrossenheit grassiert, hat das natürlich auch mit den vielen Polit-Skandalen zu tun. Warum hat sich die Politik so weit von den Menschen entfernt?

Für viele Menschen ist es viel leichter und bequemer, die ganze Verantwortung für das, was heute nicht gut läuft, der Politik zuzuschreiben. Manchmal beschweren sich aber dieselben, die früher vor den Politikern problemlos auf die Knie gefallen sind, um persönliche Gefallen zu beantragen. Polit-Skandale haben tiefe Wurzeln in der Gesellschaft.  

Archivfoto von Luis Durnwalder

Sie haben einmal beklagt, dass sogar aus dem Quirinalspalast Druck auf Sie bzw. auf Ihre Vorgesetzten ausgeübt worden ist, damit Sie in der Causa Durnwalder etwas zurückhaltender agieren. Was ist damals wirklich passiert?

Etwas das wahrscheinlich nur in Italien passieren konnte. Am 5. Juni 2012 hat sich Durnwalder in Rom an den ehemaligen Staatspräsidenten Napolitano mit dem Anliegen gewandt, die Bozner Staatsanwaltschaft am Rechnungshof ein wenig zu bremsen. Das ist ein offenes Geheimnis, weil Durnwalder selbst das vor laufenden Kameras zugegeben hat. Einige Tage später bekomme ich von meinen Vorgesetzten den Hinweis, im Umgang mit den hiesigen Politikern vorsichtiger vorzugehen. Jemand hatte sich im Quirinalspalast über unsere Ermittlungen beschwert. Natürlich habe ich mich nicht einschüchtern lassen und bin mit meiner Arbeit weitergegangen. Am 25. Jänner 2013, drei Wochen vor den Wahlen, bekomme ich per E-Mail aus Rom und ohne einen triftigen Grund von meinem damaligen Vorgesetzten den unerwünschten Hinweis, die Sonderfondsermittlung mit irgendeiner glaubwürdigen Begründung schnellstens einzustellen. Was ich natürlich nicht getan habe. Aber warum das passiert ist und wer eventuell dahinterstand, habe ich natürlich nie erfahren und ich habe auch nie gesagt oder irgendwo geschrieben, dass Durnwalder etwas damit zu tun hatte. Was er persönlich unternehmen konnte, um die Bozner Staatsanwaltschaft am Rechnungshof zu hindern, hatte er schon längst unternommen.

Haben jene recht, die sagen: Der Dr. Schülmers ist aus Südtirol „abgezogen“ worden, weil er der Politik zu unbequem war?

Ich bin zwar in eine Lage gesetzt worden, wo ich unbedingt die Staatanwaltschaft verlassen musste, weil wir dort nach dem Ablauf meiner Amtszeit als leitender Staatsanwalt in Überzahl waren. Wahrscheinlich war für mich die Zeit gekommen, eine neue professionelle Erfahrung in einer anderen Umgebung zu machen. Deswegen habe ich mich um zwei Stellen beworben und Neapel war eine davon.  

Sie waren nicht direkt mit der Murmeltier-Causa im Fall Durnwalder/Erhard befasst: Ihr Kommentar zu diesem Urteil?

Man hat schon alles darüber gesagt. Im Allgemeinen könnte ich nur hinzufügen, dass dieser Fall nur einer der vielen Beispiele darstellt, welchen Stellenwert das allgemeine Interesse gegenüber wirtschaftlichen und privaten Interessen in unserer heutigen Gesellschaft hat.

Im Rückblick: Welche war Ihre wichtigste Ermittlung in Südtirol?

Das lasse ich lieber Sie entscheiden.

Wie unabhängig ist die Justiz in Italien?

Es hängt von der Zahl der unabhängigen Richter und Staatsanwälte ab. Je mehr sie sind, desto unabhängiger wird die Justiz. Aber es ist nicht so einfach. Um die Unabhängigkeit der Justiz zu fördern, muss man Richter und Staatsanwälte von inneren und äußeren Eingriffen schützen und das ist nicht immer der Fall gewesen.    

Können Sie sich vorstellen, irgendwann in die Politik zu wechseln?

Nein. Ich teile die Meinung derjenigen, die behaupten, dass Politik und Justiz zwei unterschiedliche Welten sind und ein guter Richter oder Staatsanwalt normalerweise kein guter Politiker sein kann. Auf jeden Fall glaube ich, dass wer von der Justiz in die Politik wechselt, sein vorheriges Amt nicht mehr bekleiden sollte.

Nach Südtirol werden Sie nicht mehr zurückkehren?

Das ist im Moment auszuschließen. Erstens, weil die professionellen Erfahrungen, die ich jetzt und hoffentlich in den nächsten Jahren sammeln kann, nie und nimmer in Südtirol hätte machen können. Zweitens weil ich denke, dass es besser ist, wenn Richter und Staatsanwälte nicht lebenslang in derselben Stadt tätig sind, wo sie auch geboren und ihren festen Wohnsitz haben.  

 Interview: Artur Oberhofer

 

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