Die geheimen Pläne
Die geheimen Doppelpass-Pläne: Wer den Doppelpass bekommen soll. Wie das Dilemma mit dem Wahlrecht gelöst werden soll. Und: Warum es ohne „Sì“ aus Rom keinen Doppelpass geben wird.
von Artur Oberhofer
Es war vor allen Dingen die SVP, die im Vorfeld der Sitzung der Interministeriellen Arbeitsgruppe zum Doppelpass in Wien darauf drängte, dass – erstens – die Arbeiten der dieses Gremiums nicht vor den Landtagswahlen in Südtirol abgeschlossen werden. Und dass – zweitens – keine Inhalte an die Öffentlichkeit gelangen.
Die Volkspartei – und auch die Freiheitlichen – wollten partout vermeiden, dass die Süd-Tiroler Freiheit das Thema Doppelpass im Wahlkampf groß spielen kann.
Zwar sickerten nach der Sitzung vom 7. September einige Details durch. Aber es folgten Dementis, so dass eigentlich niemand wusste, was die Interministerielle Arbeitsgruppe auf Beamtenebene in Sachen Doppelpass tatsächlich besprochen bzw. beschlossen hat.
Die TAGESZEITUNG konnte jetzt über eine Wiener Quelle das Protokoll dieser Sitzung einsehen.
Auf der Grundlage dieses vertraulichen Dokumentes kann man festhalten: Es wird wohl keinen Doppelpass geben, wenn Italien nicht grünes Licht erteilt. Die gemäßigte Fraktion in dieser über 30-köpfigen Expertengruppe war der Ansicht, dass man von den Doppelpass-Plänen Abstand nehmen sollte, wenn Italien sich massiv dagegen stellen sollte. Ein Mitglied der Arbeitsgruppe sagt im Hintergrundgespräch mit der TAGESZEITUNG: „Man sollte den Doppelpass nicht erzwingen, denn dies würde Südtirol mehr schaden als nutzen.“
Zuletzt hatte auch der österreichische Kanzler Sebastian Kurz erklärt, er sei bestrebt, ein Einvernehmen mit Italien zu finden.
Dass Italien bzw. die Regierungspartei Lega den Doppelpass durchwinken, ist nicht zu erwarten. Zwar hatte der enge Salvini-Vertraute und Lega-Kommissär in Trient, Mirko Bisesti, im Juni dieses Jahres Verständnis für die Doppelpass-Pläne der Südtiroler gezeigt und in diesem Kontext auf die „alte Freundschaft“ der Lega mit der FPÖ von Heinz Christian Strache verwiesen.
Diese Öffnung legten die Doppelpass-Befürworter in Südtirol so aus, als wäre auch der Lega-Chef Feuer und Flamme für die Doppelpass-Pläne.
Vor wenigen Tagen pfiff Matteo Salvini die Seinen zurück: Italien werde selbst entscheiden, an wen es einen Doppelpass vergibt.
Wie der österreichische Kanzler ein Einvernehmen mit Italien finden will, bleibt derweil ein Geheimnis des Glaubens.
Ein zweiter Knackpunkt: Das Wahlrecht. Die Vertreter der Wahlbehörde in der Wiener Arbeitsgruppe haben vorgeschlagen, dass für die in Südtirol lebenden Doppelstaatsbürger kein eigener Auslands-Wahlkreis geschaffen wird.
Dazu bedürfte es nämlich einer Zweidrittel-Mehrheit im Nationalrat, die die Regierung nicht hat. Also hat die Wahlbehörde suggeriert, die Dopppelstaatsbürger im Losverfahren einer x-beliebigen österreichischen Gemeinde zuzuordnen. Also könnte ein Doppelstaatsbürger, der einer Gemeinde im Burgenland zugelost wird, an der Nationalratswahl teilnehmen – und den Wahlen zum Landtag im Burgenland.
Die dritte Frage: Wer hat Anspruch auf den Doppelpass?
Auch dazu hat sich die Arbeitsgruppe – nach Informationen der TAGESZEITUNG – bereits definitiv festgelegt. Demnach sollen nur Südtiroler, die der deutschen und ladinischen Sprachgruppe angehören oder sich bei der Sprachgruppenerklärung dazu zugehörig erklärt haben, anspruchsberechtigt sein. Wobei die Staatsbürgerschaft von der Tiroler Landesregierung vergeben werden soll.
Das bedeutet: Jene Personen, die nachweisen können, zum Zeitpunkt der Abtrennung Südtirol von Österreich VorfahrInnen in Südtirol gehabt zu haben, haben keinen Anspruch auf den Doppelpass.
Der Hintergrund: In den meisten Gemeinden Südtirols gebe es die entsprechenden Listen nicht mehr.
Experten schätzen, dass rund 20.000 Italiener in Südtirol Anspruch auf den Doppelpass gehabt hätten.
Mit der von der Arbeitsgruppe beschlossenen Lösung sind die Italiener also vollkommen ausgeschlossen – was nicht dazu beitragen dürfte, dass Italien in Sachen Doppelpass doch noch einlenken könnte.
Die Beschlüsse der Wiener Arbeitsgruppe werden erst nach den Landtagswahlen in Südtirol der Öffentlichkeit präsentiert. Die nächste Sitzung der Wiener Arbeitsgruppe ist für Mitte November anberaumt worden.
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