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„Doppelpass kommt eh nicht“

Maria Elena Boschi

Die PD-Kammerabgeordnete Maria Elena Boschi greift SVP-Freund Sebastian Kurz frontal an: Der österreichische Bundeskanzler solle aufhören, falsche Hoffnungen zu wecken, die er nicht erfüllen könne. Die vollständige Rede.

Wir diskutieren hier heute über den Vorschlag der österreichischen Regierung, den österreichischen Pass an unsere Mitbürger deutscher Muttersprache zu vergeben. Die österreichische Regierung hat in der Zwischenzeit zwar erklärt, dass dieses Thema keine Priorität habe. Bundeskanzler Sebastian Kurz bekräftigte gleichzeitig aber auch, dass es der Wille seiner Regierung sei, an dem Vorhaben weiterzuarbeiten.

Es stimmt, dass noch keine offiziellen Dokumente vorliegen und es im österreichischen Parlament keine Gesetzesentwürfe aufliegen. Der österreichische Vorschlag hat dennoch bereits besorgniserregende und schwerwiegende Auswirkungen gehabt, weil er nicht nur hier in dieser Aula, sondern vor allem auch innerhalb der Bevölkerung Südtirols eine aufgeheizte Debatte in Gang gesetzt hat. Diese Debatte ist insofern gefährlich, als sie Wunden hinterlässt und die Gesellschaft spaltet in einen Teil von deutsch- und ladinischsprachigen Südtirolern, der im österreichischen Vorschlag eine Möglichkeit sieht, und einem anderen Teil, der sich bedroht und in Angst versetzt fühlt.

Im laufenden Landtags-Wahlkampf werden die Töne immer schärfer. Es ist erschreckend, dass politische Vertreter hier im Parlament Aussagen getätigt haben wie: „Die Minderheiten sollen zu Hause bleiben!” Die Sonderautonomie ist ein erfolgreiches Modell des friedlichen Zusammenlebens innerhalb eines vereinten und unteilbaren Staates, das wir unseren Vorgängern verdanken, die auf hitzige Töne verzichtet und sich stattdessen zugehört haben. Spaltungen innerhalb der Familien konnten überwunden werden, indem das Gleichgewicht an oberste Stelle gesetzt wurde. Wir dürfen nicht außer Acht lassen, dass ein Teil der Bevölkerung Südtirols aus geschichtlichen oder, noch mehr, aus emotionalen Gründen sehr sensibel auf den Vorschlag Österreichs reagiert. Deshalb will der PD den bisherigen Weg fortschreiten, der auf Integration und Dialog setzt und vereint statt zu spalten.

Klar ist: Die Hauptverantwortung dafür, dass in einem Teil der Bevölkerung Erwartungen geweckt werden, die nie erfüllt werden können, trägt die österreichische Regierung. Bundeskanzler Sebastian Kurz ist sich sehr wohl dessen bewusst, dass die Doppelpass-Wahlpropaganda mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nie in konkrete Handlungen münden wird. Im österreichischen Parlament gibt es keine qualifizierte Zweidrittelmehrheit für eine Doppelstaatsbürgerschaft, die eine Verfassungsänderung benötigen würde. Der Doppelpass widerspricht dem internationalen Recht, weil er gegen das Prinzip des friedlichen Zusammenlebens verstößt, wonach in Grenzregionen auf Grundlage von ethnischen und sprachlichen Kriterien keine Doppelstaatsbürgerschaften vergeben werden dürfen. Wir wissen, dass der Vorschlag auch gegen das Pariser Abkommen zwischen Österreich und Italien verstößt, das in den vergangenen Jahrzehnten den Aufbau und die stätige Erweiterung der Autonomie ermöglicht hat.

Deshalb schaut der PD mit Sorge auf den Vorschlag Österreichs und fordert die italienische Regierung auf, präventiv einzuschreiten und gegen jedweden unilateralen Vorstoß Österreichs Widerstand zu leisten, so wie es auch die Vorgängerregierung Gentiloni stets gemacht hat.

Wir glauben, dass die Autonomie, die Modellcharakter hat, gestärkt werden muss. Einem Teil der Bevölkerung mehr Rechte zu gewähren als den anderen wäre ein Rückschritt. Österreicher und Italiener finden sich heute in einem gemeinsamen europäischen Reisepass wieder. Eine Rückkehr zu Partikularismen, zur Schließung der Staatsgrenzen und zum Nationalismus würde das europäische Projekt in Frage stellen. Heute sind wir es gewohnt, ohne Pass durch Europa zu reisen. Wir müssen die Spaltung überwinden und geschlossen auftreten, wenn es darum geht, die verfassungsrechtlich geschützte Autonomie, unsere Minderheiten und natürlich auch die Einheit unseres Staates zu verteidigen.

Dokumentation: Matthias Kofler

Foto(s): © 123RF.com und/oder/mit © Archiv Die Neue Südtiroler Tageszeitung GmbH (sofern kein Hinweis vorhanden)

Kommentare (69)

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  • leser

    Ja soviel zu den parteifreumden der SVP umd zu den südtiroler volksvertretern in rom

  • andreas

    Schon eine Debatte, wer den Pass überhaupt bekommen soll, würde zu keiner Lösung führen.

    Wenn die Befürworter meinen, dass wenn sie den Pass bekommen, ja niemanden etwas weggenommen wird, wäre es im Umkehrschluss auch logisch, dass Italiener, welcher hier geboren sind, auch den Pass beantragen können, es wird ja keinem etwas weggenommen und Südtiroler sind sie auf jedem Fall.

    Die Katalanen, die Vorbilder mancher Heimatbewusster, praktizieren es jedenfalls so, dass jeder der sich im Land aufhält, ein Katalane ist.

    Die Befürworter des Passes kommen wir wie kleine störrische Kinder vor, welche schmollend aus der Ecke schreien „aber ich will das“.
    Sie scheinen nicht zu akzeptieren, dass bei diesem Thema mit „Gewalt“ gar nichts geht, da Italien auf stur stellt. Die rechten Heinis in Rom würden das als Niederlage empfinden, ist das so schwer zu verstehen?

    Für Italiener in Südtirol oder Italien sind wir schon überprivilegiert, warum nimmt also jemand an, dass uns Zugeständnisse gemacht werden, nur weil wir wieder mal etwas fordern? Wir haben momentan leider keine Gegenleistung, welche wir der Regierung anbieten könnten.

    • guyfawkes

      @andreas

      1) „Wenn die Befürworter meinen, dass wenn sie den Pass bekommen, ja niemanden etwas weggenommen wird, wäre es im Umkehrschluss auch logisch, dass Italiener, welcher hier geboren sind, auch den Pass beantragen können, es wird ja keinem etwas weggenommen und Südtiroler sind sie auf jedem Fall.“
      Falsch. Deine Logik greift hier nicht weil Österreich EINSEITIG ein Gesetz machen kann an in welchem bestimmt wird unter welchen Voraussetzungen die Staatsbürgerschaft verliehen wird.

      2 „Für Italiener in Südtirol oder Italien sind wir schon überprivilegiert, warum nimmt also jemand an, dass uns Zugeständnisse gemacht werden, nur weil wir wieder mal etwas fordern? Wir haben momentan leider keine Gegenleistung, welche wir der Regierung anbieten könnten.“
      Ebenfalls Falsch aus dem selben Grund wie oben: Österreich könnte hier einseitig vorgehen – es bräuchte eigentlich kein Zugeständnis von Italien. Italien hat damals Kroatien ja auch nicht gefragt. Und schon gar nicht sollte man es so darstellen als ob von Italien etwas „gefordert“ wird.

      Dass Österreich wegen dem (zugegeben zweitrangigen) Thema die guten Beziehungen zu einem wichtigen Nachbarland und EU-Partner nicht aufs Spiel setzen wird, ist allerdings schon klar.

      Was ich schade finde:
      Ich habe jetzt einiges über das Thema gelesen und bin zum Schluss gekommen, dass es – bis auf das Abkommen das doppelte Staatsbürgerschaften verhindern soll – eigentlich kein stichhaltiges Argument gegen die zweite Staatsbürgerschaft gibt. Die Gegenargumente sind allesamt vorauseilende Unterwürfigkeit gegenüber den rechten Stimmungsmachern in Italien. Denn es wird ja wirklich niemandem etwas weggenommen bzw niemand zu etwas gezwungen.
      Offensichtlich gehen viele davon aus, dass „die Italiener“ missgünstig sind und uns diese zweite Staatsbürgerschaft – aus welchem Grund auch immer – nicht gönnen würden. Für mich reicht dieser Umstand nicht aus um auf eine solche Möglichkeit zu verzichten.

      • andreas

        Spagnolli hat in gutem Deutsch erklärt, dass er alles dafür tun wird um zu verhindern, dass Italienischsprachige ev. ausgeschlossen werden. Aus Gründen der Fairniss und des Gleichheitsprinzips hat er Recht.

        Dass Österreich von sich aus ohne Einwilligung Italiens handeln könnte ist klar, da es den rechtlichen Spielraum hat.
        Politik funktioniert aber nicht so, gerade bei so heiklen Themen.
        Du verwechselst Unterwürfigkeit und eine diplomatische Lösung suchen, in welcher jeder sein Gesicht wahren kann. Unabhängig davon, dass ich die Forderung nicht teile, da ich den Sinn nicht verstehe.

        Die Büchse der Pandorra ist geöffnet, nun ist guter Rat teuer. Was schlägst du vor?
        Mit Fackeln und Mistgabeln aufrüsten? 🙂 🙂 🙂

        • guyfawkes

          Eine diplomatische Lösung wäre zB gewesen wenn Italien anstatt in Aufregung zu geraten ganz gelassen reagiert hätte. Wenn man eine gewisse Souverinität bzw gesundes Selbstbewusstsein hätte, könnte Italien das Thema mehr oder weniger egal sein. Hat man aber anscheinend nicht.

          Eine ganz traurige Rolle spielen diesbezüglich die Südtiroler Grünen: das Risiko der Spaltung der Bevölkerung wird meines Erachtens grundlos herbeigeredet; der Vergleich mit der Optionszeit zeugt von Unkenntnis der Geschichte und ist eine bodenlose Frechheit.

          Und überhaupt (auch zu Caramaschi):
          Wenn die italienischensprachigen Staatsbürger (INSBESONDERE jene welche in Bozen wohnen) schon alle so stolz auf ihre „Italianità“ sind – wehalb sollten Sie dann überhaupt zusätzlich eine andere Staatsbürgerschaft wollen?? Das ist ja völlig widersinnig.
          Also den deutschsprachigen etwas verwehren, wenn man es nicht auch bekommt obwohl man es ja sowieso nicht will??!!?? Was soll das sein wenn nicht Missgunst?

          • andreas

            Wenn es mich nicht täuscht, war es Spagnolli, welcher die Aussage gemacht hat, habe es im Radio gehört. Die Meinung von Spagnolli schätze ich, dem Caramaschi höre ich gar nicht mehr zu, seid er die Drususstraße so bescheuert bemalen hat lassen und die Löwe restauriert..

            Jede Reaktion erzeugt eine Gegenreaktion.
            Wichtg ist nicht wie man etwas meint, sondern wie es beim Gegenüber ankommt und es scheint, als wäre es bei den Iitalienern nicht wirklich gut angekommen.

            Lass es Missgunst, Neid oder weiß ich was sein, ändert das aber etwas, dass Italien auf stur stellt?

          • guyfawkes

            @ andreas
            Habe mich schon darauf bezogen was du zur Aussage von Spagnolli geschrieben hattest. Weiss auch nicht weshalb ich dann Caramaschi geschrieben habe.

          • george

            Die Grünen spielen durchaus nicht eine traurige Rolle, sondern zeigen nur die Realität auf. Du versuchst wohl die Rollen zu tauschen. Ihr spielt die traurige Rolle der Nationalisten und derTrennung, anstatt auf realer Basis zwischenstaatlich zu verhandeln und ein europäisches Verständnis herbei zu führen. Radikalismus hat nie zu einer Einigung geführt.
            Habt ihr etwa ein anderes Blut in den Adern als der Ötzi?

    • leser

      Andreas du als selbsternannter aristokrat und intellektueller alleswisser solltest schon verstanden haben dass das mit dem doppelpass nur eine politische floskel ist, warum versuchst du dich zu diesem thema so schlau zu interpretieren, nach den wahkem ist dieses thema sowieso vorbei
      Kurz benutzt die freiheitlichen sowieso nur damit er regueren kann und braucht dafür den rechtspopulistischen flügel so einfach ist das
      Die PD spielt in italien keine politische rolle mehr , aber wenn man den PD und ihre vorgängerpartei DC ( stell dir mal den namen vor christlich sozual) als den haufen bezeichnet, die den staat defacto ruiniert hat, dann kann salvini und di maijo nur gewinnen oder zumindest nichts verlieren

  • criticus

    Doppelpass ist mir einerlei. Endlich zeigen die sogenannten Verbündeten ihr wahres Gesicht. Falsche Hoffnungen Frau Boschi haben Sie bei den Wahlen in Südtirol geweckt!

    • leser

      Nein das entspricht der wahrheit, boschi hat in der vergangenheit öfter eine klare ansage gegen due autonomie gemacht, was dann jeweils relativiert wurde, warum man boschi in die politik bei den letzten wahlen gehieft hat das muss man mit zeller die SVP fragen, die wiederum jetzt doch wieder mehrheitluch gewählt wird

  • tiroler

    Der Oberhammer ist, dass die (manipulierten)Südtiroler diese Dame ins Parlament gewählt haben.
    Wenn sie zu diesem Thema wenigstens die Gosche halten würde

  • george

    Verschiedene „Scharfmacher“ haben die Geister gerufen und andere stimmen in den chor mit ein. Jetzt werdet ihr diese Geister nicht mehr los, außer ihr kehrt wiederum zu gemäßigten Gesprächen zurück.

  • imago

    Eine qualifizierte Zweidrittelmehrheiten im Parlament in Österreich und eine Verfassungsänderung wie es Boschi erklärt ist nicht vonnöten!

  • imago

    Und gegen internationalem Recht verstößt die Sache auch nicht siehe die Vergabe italienischer Doppelpässe im Ausland und speziell in Istrien und als Wahlzuckerl ist die Angelegenheit von Österreich auch nicht gedacht.

  • imago

    Ob der Doppelpass nun kommt oder nicht kann mir einerlei sein aber für blöd verkaufen lassen wir uns nicht.

  • andreas

    @cicero
    Nichts für ungut, aber wenn man den weiter oben verlinkten Artikel aus der TT liest, sind die Schwierigkeiten weit größer, als du vermitteln möchtest.
    Schon dass Österreich den Türken, welche in Österreich leben, keinen Doppelpass erlaubt oder dass Italien den Südtirolern den italienischen Pass entziehen könnte, wenn sie den österreichischen erhalten, sind Punkte, welche nicht so einfach aus der Welt zu schaffen sind.

    Auch wer den Pass erhalten soll, ist ganz und gar nicht klar, im Gegenteil.

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