„Geschröpfte Familien“
Seit Juni sind die Kosten für Strom und Gas um mehr als 14 Prozent gestiegen. Die Abschaffung des „Geschützten Marktes“ wurde auf Juli 2020 verschoben.
Die Regulierungsbehörde ARERA hat am Freitag die neuen Tarife für Strom und Gas mitgeteilt, wobei eine Erhöhung von 7,6% für den Strom und eine Erhöhung von 6,1% beim Gas festgestellt werden können, so schreibt die Verbraucherzentrale Südtirol (VZS) in einer Aussendung.
Summiert man diese Erhöhungen zu jenen des Trimesters Juli-September, ergibt sich eine Teuerung von mehr als 14% in wenigen Monaten.
„Familien und VerbraucherInnen werden wieder einmal geschröpft“, so die VZS.
Und eine weitere Teuerung zeichne sich schon am Horizont ab, da die bereits geplante Erhöhung der Systemkosten – die nur private Haushalte betrifft – auf 2019 verschoben wurde.
„Dies alles vor dem Hintergrund der Spitzenpreise, die Italiens BürgerInnen im Vergleich zu ihren Europäischen NachbarInnen ohnehin schon zahlen.“
Es gibt noch zwei wichtige Neuigkeiten für die Strom- und Gas-AbnehmerInnen.
Zum einen wurde mit dem „Dekret der 1000-Fristverlängerungen“ (im Original decreto milleproroghe), das dieser Tag rechtskräftig in ein Gesetz konvertiert wurde, die Abschaffung des „geschützten Marktes“ um ein Jahr auf den 1. Juli 2020 verschoben. Zum anderen ist seit wenigen Tagen das neue Vergleichsportal der Energietrafe der Aufsichtsbehörde ARERA,https://www.prezzoenergia.it/portaleOfferte/, online gestellt worden. Das neue Portal ersetzt den alten Vergleichsrechner „Trovaofferte“, der bereits vor einigen Jahren aktiviert worden war.
Die Vertagung der Abschaffung des geschützten Markts ist eine (teilweise) gute Nachricht: somit haben Familien mehr Zeit, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen, und nachzuvollziehen, was der Wechsel von staatlich geregelten Tarifen (daher „geschützter“ Grundversorgungsdienst) zu einem gänzliche freien Markt, auf dem die Anbieter die Spielregeln bestimmen, nach sich zieht. Die Wahl eines neuen Angebots ist nicht immer leicht, jedoch werden, früher oder später, alle Familien eine Entscheidung fällen müssen.
Bereits heute zeigt sich nämlich mehr als deutlich dass der „freie“ Markt in dieser Form nicht wirklich funktioniert. „Die Vergleiche aus dem alten Rechner Trovaofferte bestätigten jedes Mal, dass viele der Angebote am freien Markt teurer als der staatliche Tarif waren – und die Preisunterschiede waren teilweise beträchtlich“, so die VZS.
Das neue Vergleichsportal scheint dabei, zumindest im Augenblick, eher ein Schritt zurück als einer nach vorne zu sein, obschon auch der Trovaofferte sicher nicht perfekt und sicherlich verbesserungsbedürftig war.
Derzeit findet man vor allem die sogenannten „PLACET“-Tarife im neuen Portal: das sind dem geschützten Grundversorgungsdienst ähnliche Tarife (Prezzo Libero A Condizioni Equiparate di Tutela), sowie einige fixe oder variable Angebote. Soweit bekannt, müssen die Anbieter erst ab 1. Dezember 2018 alle ihre Tarife verbindlich veröffentlichen, sodass man derzeit nur einen äußerst lückenhaften Marktüberblick erhält. Wäre es nicht besser gewesen, den „alten“ Rechner noch bis Jahresende online zu lassen?
Es ist davon auszugehen, dass sich in den nächsten Jahren eine wirklich große Anzahl von Anbietern um die Kunden „reißen“ wird (die Listen der Aufsichtsbehörde ARERA zeigen bereits heute mehr als 500 eingetragene Anbieter …).
Abschließend schreibt die VZS:
„Durch die Abschaffung des geschützten Marktes wird den KundInnen der Referenzwert entzogen, an dem sie die Günstigkeit eines Angebots objektiv messen können. Bis dato muss nämlich jedes Angebot in der „Vergleichbarkeitstabelle“ zwingend mit den Kosten des geschützten Marktes verglichen werden, um den potentiellen KundInnen die Mehrkosten oder Einsparungen je nach Verbrauch aufzuzeigen, bevor diese den Vertrag definitiv abschließen. Ohne diesen Richtwert riskiert man dass sich die Preisspirale nur mehr nach oben dreht – mit besten Grüßen an die Brieftaschen der Familien.“
Ähnliche Artikel
Kommentar abgeben
Du musst dich EINLOGGEN um einen Kommentar abzugeben.