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„Die Spitze des Eisbergs“

Der Tiroler Blogger Markus Wilhelm spricht im Interview mit der TAGESZEITUNG über die jüngsten Entwicklungen in der Affäre Gustav Kuhn, mögliche Vorfälle beim hiesigen Haydn-Orchester und seine persönlichen Beweggründe.

TAGESZEITUNG Online: Herr Wilhelm, Gustav Kuhn hat diese Woche sein Amt als künstlerischer Leiter der Festspiele Erl ruhend gestellt. Ist damit das Schicksal Kuhns endgültig besiegelt?

Markus Wilhelm: Es wird ein Rückzug auf Raten sein. Mein weiß nicht, was noch passieren wird. Es ist vieles im Fluss, manches wird noch in die Öffentlichkeit gelangen, manches weiß Kuhn selbst. Dass er gehen muss, war von Anfang an klar. Es ist dennoch bemerkenswert, dass er als künstlerischer Leiter in Erl geht, aber als Dirigent bleibt.

Sehen Sie sich das der Mann, der Kuhn zu Fall gebracht hat?

Ja, so kann man so sagen, letztlich müssen das aber andere beantworten. Ich habe seit mehreren Jahren Material gesammelt, ich war der Auslöser. Letztlich brauchte es aber die belastenden Aussagen der Frauen, um Kuhn zum Rückzug zu zwingen.

Stehen Sie hinter dem offenen Brief von fünf Musikerinnen, auf den Kuhn mit einer vorläufigen Niederlegung seines Amtes als künstlerischer Leiter der Festspiele Erl reagiert hat?

Sein Rechtsanwalt, der frühere Kurzzeit-Justizminister Michael Krüger, wirft mir das vor. Ich kann sagen, dass ich die Frauen persönlich kenne und mit ihnen in Verbindung bin. Einige von ihnen sind Zeuginnen in den Zivilverfahren gegen mich. Die Initiative zum offenen Brief ist aber von den Frauen ausgegangen, ich konnte ja niemand dazu zwingen und habe niemanden geoutet. Wesentlich am Zustandekommen des Briefes beteiligt war die weltbekannte Mezzosopranistin Elisabeth Kulmann. Sie hat sich in dieser Sache über die Initiative Voice it irrsinnig engagiert, obwohl sie mit Erl nichts zu tun hatte.

Gehen Sie davon aus, dass sich weitere Frauen namentlich gegen Kuhn äußern werden?

Ich traue mich zu sagen, dass das bisher Bekannte die Spitze des Eisbergs ist. So hat es auch Julia Oesch, eine der Unterzeichnerinnen des offenen Briefes, jüngst in einem Interview formuliert.

Was bedeuten die jüngsten Entwicklungen für die gegen sie behängenden Zivilklagen?

Das muss die Gegenseite entscheiden. Es behängen gegen mich drei Klagen von Festival-Präsident Hanspeter Haselsteiner, drei von Kuhn, und eine der Festspiele-Betriebsgesellschaft. Eine Klage von Anwalt Krüger habe ich gerade vorgestern in der zweiten Instanz gewonnen.

Die Politik scheint in der Affäre Kuhn umgeschwenkt zu sein…

Landeshauptmann Günther Platter ist sie äußert unangenehm, er traut sich aber nicht, gegen Haselsteiner vorzugehen. Das geht es um viel Kapital. Das Land Tirol und der Bund haben die Mehrheit im Verwaltungsrat der Festspiele. Dass die Funktion Kuhns nun ruhend gestellt wurde, ist eine salomonische Lösung, da brauchen sie selbst nichts zu tun. Kuhn selbst versucht so sein Gesicht zu wahren.

Was sagen Sie zu Haselseiner Wein-Weib-Und-Gesang-Rede zur Eröffnung der Festspiele Erl Anfang Juli?

Zunächst hat er zehn Minuten gegen mich gewettert, was völlig unpassend für eine Festrede ist, so etwas von nicht souverän. Die Verteidigung Kuhns mit dieser Floskel halte ich für unsäglich. Die Frauen hat das noch einmal richtig aufgebracht.

Haben Sie inzwischen Kenntnis von Vorfällen während des Wirkens Kuhns als Chef-Dirigent des Haydn-Orchesters von Trient und Bozen bis 2012?

Nein, ich habe bisher nichts gehört. Auch in Erl gab es anfangs Gerüchte, es hat lange gedauert, bis schriftliche Aussagen von Betroffenen folgten. Die grausigsten Informationen stammen aus der Sommerakademie Lucca. Insgesamt liegen 200 Aussagen vor, einige Dutzend davon wegen sexueller Belästigung, die übrigen wegen Probenterror, schlechten Arbeitsbedingungen und Unterbezahlung.

Welche sind ihre Beweggründe ihm Kampf gegen Kuhn?

Ich will die Arbeitsbedingungen für die Künstlerinnen und Künstler verbessern, sie dürfen nicht ausgebeutet werden. Dass dies gelingt, ist nicht absehbar, denn wennschon muss sich strukturell etwas ändern. Die Musiker in Erl verdienen derzeit weniger als früher, weil sie anders eingestuft sind und ihnen viel abgezogen wird. Das ärgert mich irrsinnig.

 

Foto(s): © 123RF.com und/oder/mit © Archiv Die Neue Südtiroler Tageszeitung GmbH (sofern kein Hinweis vorhanden)

Kommentare (5)

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  • andreas

    Weinstein, Spacey oder Wedel sind sofort von der Bildfläche verschwunden, im Vaterland scheint man aber eine etwas rustikalere Einstellung zu haben.
    Weder Landeshauptmann, noch Staatsanwaltschaft scheinen großartiges Interesse an einer Aufklärung zu haben.
    Schon eigenartig diese Bergvölker. 🙂

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