Innichner Würfelspiel
Der neue Musikpavillon in Innichen treibt nicht nur Kunstkritiker Vittorio Sgarbi die Zornesröte ins Gesicht: Über empörte Gäste. Über das Leben im Heidi-Land. Und über politische Intrigen.
von Silke Hinterwaldner
Wenn Vittorio Sgarbi redet, dann tut er das meist wortgewaltig. Die Urteile des italienischen Kunstkritikers sind gefürchtet, auch in Südtirol. Ihm gefällt das Museion in
Bozen nicht, genauso geärgert hat er sich über den Abriss des alten Gerichts in Welsberg und des Hotel Post in Toblach.
Und jetzt Innichen. „Wir blicken auf eine wunderbare Geschichte zurück“, sagt er in einem Interview im Corriere dell’ Alto Adige, „daraus entstanden Theater, Plätze und Kirchen. Bauten wie diese aber zeugen von wenig Respekt vor der Vergangenheit.“ Damit gemeint ist der halbfertige Musikpavillon am Pflegplatz in Innichen, für Sgarbi ein Monster aus Beton. Wer das zu verantworten habe, sollte ins Gefängnis wandern, meint er wenig schmeichelhaft. Er werde auf jeden Fall Anzeige erstatten.
Allein der Rundumschlag von Sgarbi zeigt, welche Dimension die Diskussion um die Neugestaltung des Pflegplatzes in Innichen erreicht hat. Die Polemik dreht sich aber weniger um den Platz als um den kubischen Musikpavillon, der nun im Zentrum von Innichen steht.
„Die Gäste“, sagt Dieter Wurmböck, „kommen auch zu uns in den Tourismusverein und zeigen sich im höchsten Maße empört darüber, was in Innichen vor sich geht.“ Der Präsident des Tourismusvereines hat ganz und gar keine Freude damit, den Touristen erklären zu müssen, was neu gebaut wird. Im Gegenteil. Ihm gefällt der neue Pavillon nicht. „Ich kann einfach nicht verstehen“, sagt er, „wie der Gemeinderat fast einstimmig für dieses Projekt sein konnte. Das ärgert mich am meisten. Ich hätte ganz bestimmt dagegen gestimmt.“
Nachdem eine Kommission sich für das Projekt von Architekt Martin Mutschlechner – mit Büro in Innsbruck und Wurzeln in Innichen – entschieden hatte, konnte auch noch der Gemeinderat seine Meinung dazu sagen. Das Abstimmungsergebnis zeugt von großer Einigkeit: Es gab nur eine Enthaltung.
Trotzdem ist der Bau des Musikpavillons längst zum unschönen Politikum geworden. „Diese Diskussion“, sagt Franz Ladinser, „wird schamlos missbraucht, um der Bürgermeisterin eins auszuwischen. Das schlägt dem Fall den Boden aus.“ Der Hotelier ist gewissermaßen der Zeremonienmeister des 1.250-Jahr-Jubiläums in Innichen. Der neue Pflegplatz mit Pavillon ist im weiteren Sinne Teil dieser Jubiläumsfeierlichkeiten, die für das kommende Jahr anberaumt sind. Die Gemeindepolitik in Innichen ist aber auch unabhängig davon geprägt von politischem Geplänkel zwischen den beiden Regierungsparteien Bürgerliste und SVP. Man befindet sich gewissermaßen ständig im Wahlkampf.
Da kommt die Diskussion um den Musikpavillon freilich gelegen. „Aber“, hält Ladinser dagegen, „es gab einen regulären, professionell durchgeführten Wettbewerb. Es tut mir zwar leid, dass das Ergebnis nicht allen gefällt. Aber es wurden alle Spielregeln eingehalten.“ Auch er selbst hat mit Staunen verfolgt, wie am Pflegplatz der alte Pavillon und die Bäume dem Erdboden gleich gemacht wurden und wie auf dem großen leeren Platz dann die Betonmauern gesetzt wurden.
„Ich persönlich“, sagt Franz Ladinser, „finde es gut, wenn solche Dinge entstehen. Das zeugt von Selbstbewusstsein.“ Ähnliche Diskussionen hat es in Innichen bereits mehrere gegeben: bei der Gestaltung der neuen Fußgängerzone oder beim Bau des Zivilschutzzentrums.
„Es ist legitim“, meint Ladinser, „dass dieser Bau manchen nicht gefällt, weil vielleicht der Zugang zur modernen Architektur fehlt. Aber gerade die Erwartungshaltung mancher Touristen stört mich. Sie glauben, dass wir ein Heidi-Land bleiben müssen. Sie hätten gern, dass wir immer noch mit der Lederhose vor der Stalltür stehen. Aber man kann nicht immer nur das Alte nachäffen.“
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Kommentare (14)
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andreas
Als ob es die „empörten“ Touristen etwas angehen würde, was Innichen baut.
Der Gemeinderat hat entschieden und gut ist und was genau will Vittorio Sgarbi anzeigen, etwa, dass ihm ein Bauwerk nicht gefällt?
florianegger
Wahrscheinlich muss man auch ein Studium absolvieren, um einen Kubus mitten in einem Dorfzentrum als schön zu erkennen. Das Computerzeichenprogramm kennt auch nichtrechte Winkel.