Die Strohfrau
Alperia vergibt einen 300.000 Euro-Auftrag an die Firma einer 74-jährigen WoBi-Rentnerin, die vermutlich eine Strohfrau ist. Und welche Rolle spielte dabei Infranet-Verwaltungsrätin Roberta Sommavilla?
von Markus Rufin
Im Juni 2017 wurde in Meran eine Firma namens B.M. Condotte GmbH gegründet. Das Unternehmen ist offiziell für „öffentliche Arbeiten im Bereich der Energie und Telekommunikation“ zuständig. Kurz nach der Gründung erhielt die Firma einen Auftrag von 300.000 Euro. Das Unternehmen führte im Auftrag der Landesenergiegesellschaft Alperia hochqualifizierte und auch gefährliche Arbeiten am Kardauner Wasserkraftwerk durch.
Das besondere daran: Die Inhaberin von BM Condotte ist eine 74-jährige Marlingerin, die in einer Sozialwohnung des Wohnbauinstitutes lebt. „Wenn das WoBi davon Wind bekommt, fliegt die Frau aus ihrer Wohnung“, meint der Landtagsabgeordnete Andreas Pöder (Bürgerunion).
Wie die TAGESZEITUNG berichtete, wurde Pöder auf diesen Fall aufmerksam und bewies damit einen guten Riecher. Er vermutet, dass die offizielle Firmeninhaberin lediglich Strohfrau für einen Unternehmer war, der aus einem bestimmten Grund nicht an der Ausschreibung der Alperia teilnehmen durfte. Neben den mysteriösen Umständen der Firmengründung kam dazu, dass auf den Portal „LinkedIn“ ein gewisser B. M. als „Imprenditore“ aufscheint.
Auch wenn Pöder mit seiner Landtagsanfrage keine neuen Erkenntnisse dazu gewinnen konnte (Energielandesrat Richard Theiner gab zur Antwort, dass keine Unregelmäßigkeiten festgestellt wurden), forschte er weiter.
Er fand heraus, dass der eigentliche Besitzer der Firma Michele Burigo ist. Ein Unternehmer, der Teilhaber mehrerer Firmen ist, die mehrmals von Alperia beziehungsweise SEL und SE Hydropower beauftragt wurden.
Zudem fand Pöder heraus, dass der Sitz der Firma mit dem Sitz einer Meraner Anwaltskanzlei übereinstimmt, diese läuft unter den Namen Roberta Sommavilla. Doch es wird noch brisanter: Sommavilla sitzt nämlich im Verwaltungsrat der Infranet. Die Gesellschaft Infranet spaltete sich 2015 von der Brennercom ab und ist seitdem für Glasfaserarbeiten zuständig.
Für die Ernennung der Verwaltungsräte bei Infranet ist die Landesregierung zuständig. Laut Pöder wisse aber niemand genau, welches Mitglied der Landesregierung Sommavilla als Verwaltungsrätin vorschlug: „Das ist vor allem deshalb komisch, weil sie vorher kaum in diesen Bereich in Erscheinung getreten ist.“
Zufällig hat BM Condotte ihren Sitz in der Kanzlei einer Rechtsanwältin, die dem Verwaltungsrat einer öffentlichen Telekommunikations-Gesellschaft angehört, bei der das Land mit 83 Prozent Mehrheitseigentümer ist.
Zuletzt wurde Folgendes über die das sonderbare Konstrukt kolportiert: Michele Burigo ist Teilhaber mehrerer Firmen, die Aufträge von SEL, SE Hydropower beziehungsweise Alperia erhalten. Burigo bekommt aber Probleme. Seine Anteile werden gepfändet, Prozesse und Anzeigen gibt es auch. Damit er seine wertvollen Alperia-Aufträge nicht verliert, gründet er eine neue Firma. Dieses Mal mit einer Strohfrau, der 74-jährigen WoBi-Rentnerin, als Geschäftsführende.
Alperia hat laut eigenen Angaben einen strengen Vergabemodus bei solchen Ausschreibungen. Teils ist dieser an das staatliche Vergabeverfahren angelehnt, teils durch interne Regelungen festgelegt. „Die Firmen dürfen nur unter gewissen Bedingungen an den Ausschreibungen teilnehmen“, versichert Alperia-Präsident Wolfram Sparber. Die Firma B.M. Condotte habe das günstigste und beste Angebot vorgelegt, daher habe man den Auftrag an sie erteilt. Auch mit der Ausführung des Auftrags sei man zufrieden gewesen, so Sparber.
Was hat das aber mit der Verwaltungsrätin Sommavilla zu tun?
Laut Medienberichten soll sie die Lebensgefährtin von Michele Burigo, dem mutmaßlichen De-Facto-Inhaber der Telekommunikationsfirma sein. Hier steht die Vermutung im Raum, dass Michele Burigo nicht nur eine Firma mit Strohfrau gegründet hat, sondern auch, dass er über seine Lebensgefährtin weiter Aufträge erhalten wollte.
Andreas Pöder hat ähnliche Vermutungen. Er sieht sich darin bestätigt, weil er nach seiner Landtagsanfrage eine bedrohliche E-Mail von der offiziellen „Geschäftsführerin“ der Firma erhielt (TAGESZEITUNG berichtete). Ihm ist die Rolle von Roberta Sommavilla allerdings nicht klar. Deshalb hat er nun eine Landtagsanfrage gestellt, um Genaueres über die Infranet-Verwaltungsrätin herauszufinden.
Die gesamte Angelegenheit ist jedenfalls hochbrisant. Das erkennt man auch an den Aussagen der Beteiligten. Bei der Landesregierung, die für die Ernennung Sommavillas als Verwaltungsrätin zuständig ist, gibt man sich bedeckt.
„Ich bin operativ überhaupt nicht involviert. Ich kann nur die Fragen an die Alperia weiterleiten“, sagte Landesrat Richard Theiner gegenüber der TAGESZEITUNG.
Dass etwas nicht stimmt, scheint aber auch der Alperia aufgefallen zu sein. Die Firma B. M. Condotte GmbH erhält nämlich bis auf weiteres keine Aufträge von Alperia mehr, wie Präsident Sparber bestätigt.
Roberta Sommavilla selbst meldete sich gestern bei der TAGESZEITUNG: „Das was andere Medien schreiben, ist total falsch. Ich werde bald sagen, was Sache ist.“
Ähnliche Artikel
Kommentare (10)
Lesen Sie die Netiquette und die Nutzerbedingungen
Kommentar abgeben
Du musst dich EINLOGGEN um einen Kommentar abzugeben.
criticus
Es liegt nun an Herrn Sparber die Verstrickungen zu klären, wenn nicht, dann ist auch er nur ein Hampelmann dieses Skandals. Übrigens Herr Sparber, wann bekommt das Südtiroler Volk den versprochenen billigeren Strom? Und Herr Landesrat Theiner schweigt wie immer!
Hauptsache wir haben den Strom heimgeholt, ins Land der Vetternwirtschaft.
erich
Vetternwirtschaft und kein Ende, fehlt nur noch, dass Südtirol eigenständig wäre dann müsste man auswandern, dann würden sich eine Handvoll Lobbyisten alles aufteilen.
sepp
und der Theiner woas holt wieder nix und die liste fan Reinhold wird wieder länger und die bleden südtiroler wählen dei no
pingoballino1955
Ich bin operativ nicht involviert???????? Nichts sehen,nichts hören, nichts wissen?????? Also UNINFORMIERT ????und dies ein Landesrat?????