Angst vor dem Schatten-LH
Wahlkrampf statt Wahlkampf: Die SVP tritt bei ihrer Kandidatensuche von einem Fettnäpfchen ins nächste. Weil der Partei die klare Führung fehlt – und sich der Obmann und der Spitzenkandidat mit tiefem Misstrauen begegnen.
Von Matthias Kofler
Das Drehbuch für die SVP-Kandidatensuche hätte kein Regisseur besser umsetzen können: Zuerst die holprigen Vorwahlen samt von oben angeordneter Mitgliederbefragung, nachdem die Bezirke nicht genügend Politikbegeisterte für die Basiswahlen ausfindig machen konnten. Dann die peinliche Absage der Wahlkampf-Auftaktparty am Herz-Jesu-Sonntag auf der Plose. Und nun der Aufstand der Bezirke gegen die „Willkür“ der Parteispitze. Mit ungewissem Ausgang.
Die SVP-Führung hat im Vorfeld der Landtagswahlen so ziemlich alles falsch gemacht, was sie nur falsch machen konnte. Das große Ziel, im Herbst die absolute Mehrheit zurückzuerobern, rückt in immer weitere Ferne. Tatsache ist, dass sich der Obmann und der Spitzenkandidat bei der Suche nach den 35 besten Köpfen zuletzt immer wieder gegenseitig ins Handwerk gepfuscht haben. In den Bezirken verstärkte sich dadurch der Eindruck, dass die linke Hand nicht weiß, was die rechte tut. Die Überraschung-Kandidatur des Villnößer Gemeindesekretärs Martin Fedespieler, gegen den die anderen Eisacktaler Kandidaten Magdalena Amhof, Paula Bacher und Helmut Tauber nun Sturm laufen, ist nur die Spitze des Eisbergs. Schon bei der Nominierung des Schlanderser Bürgermeisters Dieter Pinggera und des LVH-Präsidenten Gert Lanz haben es Philipp Achammer und Arno Kompatscher verabsäumt, die Bezirksbasis rechtzeitig ins „Casting“ miteinzubinden. „Ich bin es von meiner Mutterpartei nicht gewohnt, dass sie derart chaotische Aktionen durchzieht“, ärgert sich Paula Bacher. Der Eisacktaler Bezirksobmann Herbert Dorfmann giftet: „Ich hätte mir erwartet, in die ganzen Gespräche eingebunden zu werden, was nicht passiert ist.“
Aus dem engeren Kreis der Parteiführung heißt es zwar, dass man bei der Suche nach dem volkstumspolitischen Kandidaten von Anfang an mit offenen Karten gespielt habe – und den Namen Federspielers auch in der Parteileitungssitzung publik gemacht habe. „Wir können nichts dafür, wenn Dorfmann bei der Sitzung nicht anwesend ist“, sagt ein hochrangiger SVP-Funktionär.
Doch ganz so stimmt das nicht: Vielmehr wollten Achammer und Kompatscher ursprünglich einen Schützen-Kandidaten aus dem Unterland auf die Liste setzen. Erst nachdem einige namhafte Persönlichkeiten abgesagt hatten, wich das Duo aufs Eisacktal aus, wie auch Federspieler zugibt: „Leider hat sich von den anderen Bezirken kein weiterer Kandidat bereit erklärt, unser Projekt zu vertreten.“ Mit dem glücklichen Ende für den Unterlandler Platzhirsch Oswald Schiefer, der wohl konkurrenzlos zu den Neuwahlen antritt.
In der Vergangenheit war es immer die Aufgabe des Obmanns (und die seines Sekretärs), die Liste zu erstellen. Luis Durnwalder hielt sich bei der Kandidatensuche weitestgehend zurück und gab – wenn überhaupt – nur Empfehlungen ab. Es ist ein Novum, dass auch der LH direkt seine Finger im Spiel hat, indem er gemeinsam mit dem Obmann zehn von 35 Kandidaten nominiert. Doch ausgerechnet beiden Hauptverantwortlichen begegnen sich mit tiefem Misstrauen. Auch innerhalb der Parteileitung wird die fehlende Harmonie zwischen LH und Obmann bemängelt – und als Grund für den unerfreulichen Wahlkampfauftakt gesehen. Ein hochrangiger SVP-Funktionär gegenüber der TAGESZEITUNG: „Dass die beiden nicht recht miteinander können, ist mehr als nur ein offenes Geheimnis. Der LH hat große Angst, dass der Philipp ihm bei den Vorzugsstimmen zu nahe kommt.“ Kompatscher fürchtet demnach einen Autoritätsverlust, sollte er bei den Wahlen an Stimmen einbüßen, während der Obmann – auch dank tatkräftiger Mithilfe des Medienhauses Athesia – ordentlich zulegt. Kompatscher würde dann fünf quälend lange Jahre den Atem von Schatten-LH Achammer im Nacken spüren.
Wahlkampf-Manager Thomas Widmann stehen schwierige Monate bevor: Er muss die Wogen glätten – und die öffentliche Aufmerksamkeit wieder mehr auf die Themen lenken. Widmann sagt, dass er die Aufregung einiger Bezirkskandidaten zwar nachvollziehen könne, immerhin seien einige sehr gute Namen neu auf die Liste gekommen. „Doch die drei, vier Kandidaten, die sich jetzt aufregen, haben zu sehr die eigenen Interessen im Auge. Der LH und unser Obmann wollen eine möglichst gute Liste auf die Beine stellen und mit dieser alle Bevölkerungsschichten vertreten. Inhaltliche Tiefe und Qualität gehen bei uns vor Geschwindigkeit“, betont Widmann und fügt hinzu: „Heute ist die Politik gesellschaftlich auch nicht mehr so attraktiv wie vor 30 Jahren.“
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