„Eine haarige Geschichte“
Die Südtiroler Sportlehrer kritisieren die fehlende Bereitschaft das Maßnahmenpaket „Sport macht Schule“ umzusetzen. Im Gegenteil: Sportlehrer werden angefeindet und der Bewegungsunterricht wird gekürzt.
von Lisi Lang
Sie werden von Kollegen attackiert, aber im Prinzip ändert sich eigentlich recht wenig. Das neue Gesetz „Sport macht Schule“ an Grund- und Mittelschulen sorgt für mächtig Stunk zwischen den Fachlehrern – vor allem weil die zusätzlichen Sportstunden von anderen Fächern abgezwackt werden, da die Gesamtstundenzahl nicht erhöht wird.
Zur Erinnerung: Im Dezember hat die Landesregierung ein neues Gesetz zur Erhöhung der Sportstunden an Grund- und Mittelschulen verabschiedet. Die Jahresstundenkontingente für das Fach „Bewegung und Sport“ in der ersten Klasse sowie in der vierten und fünften Klasse werden auf künftig 102 bzw. 68 Stunden erhöht. In der zweiten und dritten Klasse bleiben die Kontingente unverändert. In der Mittelschule wird das Jahresstundenkontingent für das Fach „Bewegung und Sport“ in allen Klassen von 51 Stunden auf 68 Stunden erhöht. So weit so gut.
Da die Gesamtstundenanzahl allerdings nicht erhöht wurde, müssen die zusätzlichen Sportstunden anderweitig freigemacht werden. Während in der Grundschule bis zu fünf Wochenstunden frei von der Schulleitung verplant werden können, müssen die Mittelschulen bei anderen Fächern Kürzungen vornehmen, um das Pensum erfüllen zu können.
„Die Umsetzung dieser Richtlinien ist eine haarige Geschichte, weil man den Spielball einfach an die Kollegien weitergegeben und gesagt hat, dass die Kollegien die Umsetzung angehen müssen“, erklärt Patrizia Gozzi von der Interessensvertretung der Südtiroler Sportlehrer. Das habe für ziemlich viel Unmut und Wirbel gesorgt: „Sportlehrkräfte werden von anderen Lehrpersonen verbal attackiert, wenn sie versuchen, auf einer sachlichen Ebene für die Wichtigkeit der Umsetzung der neuen Rahmenrichtlinien zu argumentieren. Fachgruppen fühlen sich benachteiligt oder beschweren sich“, zeigt sich Patrizia Gozzi verärgert. Eine sachliche Diskussion sei in den letzten Monaten kaum möglich gewesen.
Die Südtiroler Sportlehrer kämpfen seit Jahren für mehr Schulsport, weil die Schule der einzige Bereich ist, der alle Kinder erreicht. „Die sportmotorische Entwicklung der Kinder hat sich in den letzten Jahren massiv verschlechtert und dem gilt es gezielt entgegenzuwirken“, erläutert Patrizia Gozzi. Viele Kinder seien zwar auch nachmittags in Sportvereinen aktiv, aber auch Betreuer und Trainer hätten in den letzten Jahren einen Abbau der sportmotorischen Fähigkeiten bei Kindern bemerkt. Aus diesem Grund hatten die Sportlehrer ursprünglich auch bis zu drei Wochenstunden „Bewegung und Sport“ eingefordert. „Wir haben uns auf einen Kompromiss eingelassen, aber die Umsetzung ist alles andere als lobenswert“, kritisiert die Interessensvertretung der Südtiroler Sportlehrer.
Warum? Grundsätzlich dürften die Schulen seit Einführung der Fünf-Tage-Woche jedes Unterrichtsfach um bis 20 Prozent kürzen – gemessen an den Rahmenrichtlinien. Den Sportunterricht wollte man von dieser Regelung ausnehmen. „Das hat aber sofort für Stunk gesorgt und daher musste das Gesetz auch eine Kürzung des Sportunterrichts ermöglichen“, so Patrizia Gozzi. Dies führt nun dazu, dass das neue Maßnahmenpaket kaum Veränderungen herbeiführen wird – weil eben auch der Sportunterricht gekürzt wird. „Nur die wenigsten Schulen führen 120 Minuten Sportunterricht ein. Viele haben das Pensum für das nächste Schuljahr bereits um 17 Prozent gekürzt, einige gar um 25 Prozent“, zeigt sich die ISSL verärgert. Es sei sicher nicht die Absicht der Sportlehrer gewesen, betont Patrizia Gozzi, andere Fachgruppen zu benachteiligen, „aber viele Fachlehrer sind einfach vom aktuellen Ist-Zustand ausgegangen und wollen keinen Millimeter davon abweichen.“
Die Interessensvertretung der Südtiroler Sportlehrer bedauert, dass der Sportunterricht an Südtirols Schulen keinen Stellenwert besitzt. „Die Entwicklung zeigt, dass sich die Kinder immer weniger bewegen: Sie sitzen in der Schule, bei den Hausaufgaben und danach vor dem Computer – das wird irgendwann in ökonomischer, sozialer und vor allem aus gesundheitlicher Sicht zum Problem werden“, unterstreicht Patrizia Gozzi.
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