„Kann wieder gut schlafen“
Marino Bonatti, der Mann aus Branzoll, der seit seinem Zusammenprall mit einem SEAB-Müllwagen querschnittgelähmt ist, kann aufatmen: Er muss nun nicht die 150.000 Prozessspesen zahlen, zu denen er in einem Zivilverfahren verurteilt worden war.
Von Thomas Vikoler
Er verlangte von den Beklagten fünf Millionen Euro Schadenersatz. Stattdessen kam das Zivilgericht zum Schluss, dass er zu hundert Prozent an dem Unfall Schuld war, der sein Leben vollends über den Haufen geworfen hat: Marino Bonatti, 42, prallte am 29. April 2013, es war 6.10 Uhr morgens, mit seinem Kawasaki-Motorrad auf der Bozner Reschenbrücke gegen einen SEAB-Müllwagen.
Bonattis Wirbelsäule wurde mehrmals gebrochen, er blieb querschnittgelähmt und ist heute auf den Rollstuhl angewiesen.
Gestern Mittag fuhr Bonatti, der inzwischen in seinem Heimatdorf Branzoll wohnt, mit diesem vor dem Bozner Landesgericht Bozen vor. Er hatte gute Neuigkeiten zu verkünden: „Ich bin am Ende des Tunnels, ich kann wieder gut schlafen“.
Im Dezember hatte Bonatti noch ein weiteres existenzbedrohendes Szenario vor Augen: Ihm drohte der Verlust der Wohnung, die er nach dem Unfall um viel Geld behindertengerecht umgebaut hatte. Mit einer Hypothek darauf. Nicht nur das: Auch die Wohnung seiner Ex-Frau, die für ihn gebürgt hatte, drohte unter den Hammer zu kommen.
Warum? Ein Zivilrichter hatte die Schadenersatzklage Bonattis gegen den Lenker des Müllwagens, die Umweltbetriebe SEAB und gegen die ITAS-Versicherung gänzlich abgewiesen. Und festgestellt, dass er, weil er ein Halteverbot missachtet hatte, allein für den Unfall verantwortlich war. Gleichzeitig verurteilte er Bonatti zur Zahlung von insgesamt 150.000 Euro Prozessspesen an die Beklagten.
Über seinen neuen Anwalt Nicola Nettis legte der Unterlegene Berufung beim Oberlandesgericht ein. Doch zu einem Urteilsspruch kam es nicht. Nettis schloss mit dem inzwischen pensionierten Müllkutscher, der SEAB under Versicherungsgesellschaft einen Deal: Er verzichtete auf die Einspruchsgründe, dafür verzichten die Beklagten auf die Einforderung der Prozessspesen aus der ersten Instanz. Staatliche Summen von mindestens 40.000 Euro pro Partei.
Bei der öffentlich kontrollierten SEAB wurde intern lange darüber diskutiert, am Ende dürften auch humanitäre Gründe eine Rolle gespielt haben, auf den Deal einzugehen. Bonatti hatte zunächst vorgehabt, in der Berufung ein neues Gutachten zur Unfalldynamik zu beantragen, um so das erstinstanzliche Urteil umzukehren. Nun hat er darauf verzichtet.
„Ich finde das Urteil weiterhin ungerecht, doch nun ist die Sache für mich abgeschlossen“, sagt der Mann im Rollstuhl.
Er sieht sich auch durch die große Solidarität bestärkt, die er in seinem Heimatdorf Branzoll erlebt hat. Die dortige Heimatbühne führte eigens für Bonatti ein Stück auf, die Einnahmen gingen an. Ein anderer Verein organisierte eine Tombola, Spenden wurden gesammelt. Das alles, um den zurückgekehrten Mitbürger vor dem finanziellen Ruin zu bewahren. Mit dem eingegangenen Geld kann er nun einen Teil seiner eigenen Prozesspesen bezahlen.
„Ich möchte mich bei allen, die mir geholfen haben, bedanken“, sagt Marino Bonatti zum Schluss.
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