Augenblicke
Agnès Varda ist fast 90. Sie sieht wenig, färbt die Haare halbrot, weil sie’s bunt mag, und macht Filme.
von Renate Mumelter
In „Visages Villages“ (Augenblicke: Gesichter einer Reise) tut sich Varda mit dem jungen französischen Streetart-Künstler JR zusammen. Er wurde bekannt, weil er großformatige Fotos wie Tapeten an Flächen im öffentlichen Raum klebt. JR ist erfolgreich, anerkannt, auch umstritten.
Das ungleiche Paar machte sich auf ins ländliche Frankreich, traf Menschen, streifte deren Geschichten, suchte verfallende Orte auf, wollte Godard, den eigenwilligen Alten der Nouvelle Vague besuchen. Ein Zauberwagen, von JR entwickelt, fabrizierte großformatige Porträts von Menschen aus dem Volk. Varda holte die Frauen in den Vordergrund. Die vergänglichen Bilder wurden eindrucksvoll an Fassaden, Felsen, Züge geklebt.
Im Film geht es nicht wirklich um eine Story, auch wenn das ländliche Frankreich des Proletariats alles verbindet. Es geht um Wahrnehmung, Schauen und Sehen. Varda hat Probleme mit den Augen, JR setzt die Sonnenbrille nie ab. Visuell finden die zwei Menschen zusammen und holen andere kurz ans Licht.
Künsterlischer Habitus und Eitelkeiten werden auch selbstironisch inszeniert. Der Dreh gibt vor, leicht und dem Zufall zugeneigt zu sein, aber irgendwo außerhalb des Blickfelds stand immer eine Kamera, es musste für Licht gesorgt werden und Ton und vermutlich auch für Erholungsphasen. Von all diesen Dingen erzählt „Visages Villages“ nichts, tut lieber so „als ob“, genau so wie Trash-Reality im Fernsehen. Auch das ein Aspekt.
Visages Villages (FR 2017), 93 Min., Regie: Agnes Varda, JR. Bewertung: Sehenswerte Bilder
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