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„Der Knoll ist verrückt“

Dieter Knoll

Mitte November noch Tabellenletzter, jetzt steht der HCB Südtirol im Halbfinale. Im Interview verrät Dieter Knoll, wie das Eishockey-Wunder zustande kommen konnte. Wie er seine Spieler heiß gemacht hat. Und: Warum er seinem Team den Titel zutraut.

TAGESZEITUNG Online: Herr Knoll, vor wenigen Monaten war der HCB noch Tabellenletzter, jetzt steht Ihre Mannschaft im Halbfinale …

Dieter Knoll: Ja, das ist super! Mitte November waren wir Tabellenletzter – mit zwölf Punkten Rückstand auf den Vorletzten. Dann haben wir uns im allerletzten Spiel für die Playoffs qualifizieren können. Weil von Top-Teams nimenad gegen uns antreten wollte, hat der KAC ungs „gezogen“ – und jetzt stehen wir im Halbfinale. Einfach großartig!

Warum, glauben Sie, haben die Top-Teams den HCB gemieden?

Weil wir unberechenbar sind.

Der KAC war der klare Favorit …

Der KAC hat auch das dreifache Budget und war voriges Jahr im Finale.

Wie erklären Sie sich, dass der HCB nach dem katastrophalen Grunddurchgang nun unter den besten vier steht?

Ich habe mit dem Trainer eine gute Wahl getroffen. Kai Suikkanen hat große Erfahrung. Er hat die finnische Meisterschaft gewonnen. Er hat der Mannschaft Selbstvertrauen eingeimpft. Er hat sich den nötigen Respekt verschafft: Wenn er rot sagt, dann heißt das auch rot! Er duldet kein Warum. Bei ihm wird nur gearbeitet. Plus hat er das Spielsystem umgestellt …

Suikkanen lässt aus einer sicheren Abwehr heraus spielen?

Richtig. Er lässt ein finnisches System spielen. Zuerst gut verteidigen, dann kontern. In sechs Playoff-Spielen haben wir nur elf Tore kassiert – das ist im Eishockey nichts! Und nach vorne schauen wir, das eine Tor mehr zu machen als unser Gegner. Wo wir uns noch verbessern können, ist das Powerplay-Spiel …

Der HCB hat in den Playoffs noch kein Powerplay-Tor erzielt …

Eben. Unter Pat Curcio hatten wir noch einen Wert von 25 Prozent. Es war ja nicht alles schlecht unter Curcio. In Sachen Chancenauswertung im Powerplay haben wir also noch Luft nach oben.

Mit dem Trainer kam also die Wende?

Der Trainer und auch ich, wir haben viel mit den Spielern geredet. Wir haben vier ausgeglichene Linien. Und ich habe zu den Spielern immer gesagt: Die anderen Mannschaft haben mehr individuelle Klasse als wir, aber wenn wir als Team und nicht egoistisch agieren, dann können wir jedes Team schlagen.

Foto: HCB/Vanna Antonello

Die Spieler sind dem Trainer und Ihnen bedingungslos gefolgt?

Wenn Sie das letzte Spiel in Klagenfurt, das wir im Overtime gewonnen haben, gesehen haben, dann haben Sie bemerkt, dass unsere Spieler sich mindestens 20 Mal in den Puck hineingeworfen haben. Das tut weh! Das war auch in den Spielen davor der Fall. Markus Gander hat sich einen Kieferbruch zugezogen und ist zwei Monate lang ausgefallen. Er hat aber ein Tor verhindert. Als ich die Spieler so fighten gesehen habe, wusste ich: Jetzt sind wir da, wo wir hinwollen.

Die Mannschaft wirkte außerdem überraschend fit …

Ja, das rührt auch daher, dass wir seit heuer ein Abkommen mit dem Medical Center im Quellenhof bei Christian Thuile haben. Dort können unsere Spieler ein oder zwei Mal die Woche nicht nur relaxen, sondern sie machen dort auch Kryotherapie. Diese Kältebehandlung ist super. Mit der Wahl des Medical Centers haben wir einen Glücksgriff getan. Das hat man am Dienstag auch klar gesehen: Im dritten Drittel waren wir fit, schnell, während beim KAC das Benzin fertig war.

Die Mannschaft hatte im Sommer früh mit dem Konditionstraining begonnen …

Richtig, das war auch ein Verdienst von Pat Curcio, der nicht alles falsch gemacht hat. Curcio war zu jung für diese Aufgabe, und er war im Umgang mit den Spielern nicht ganz geschickt, weil er insbesondere die einheimischen Spieler vor dem Rest der Mannschaft zusammengeschnauzt hat. Dann ist er mit den Spielern ein Bier trinken gegangen …

Was der neue Trainer nicht macht?

Nein, der neue Trainer geht nicht einmal mit der Mannschaft essen, er hat privat keinen Kontakt zu den Spielern.

Herr Knoll, Sie hatten vor der Saison erklärt, dass Sie heuer die beste Mannschaft in der Geschichte des HCB zusammengestellt hätten …

Ja, und noch im November haben die Leute gesagt: Der Knoll ist verrückt! Jetzt sind meine Kritiker aber wieder still geworden (lacht). Ich war und bin immer noch davon überzeugt, dass es die beste Mannschaft ist, seit wir in der EBEL spielen. Wir waren nur nicht imstande, das Potential abzurufen. Von den 60 Minuten haben wir immer nur 40 oder 30 Minuten gut gespielt. Wir hatten keine Konstanz.

Auch fällt auf, dass die Mannschaft fast ohne Strafen auskommt …

Das habe auch ich den Spielern eingetrichtert: Macht mir keine Eier mit den Strafminuten! Am Dienstag gegen den KAC haben wir nur zwei Minuten bekommen.

Erinnert Sie diese Mannschaft an das Team, das vor Jahren sensationell die EBEL gewonnen hat?

Ja, die Mannschaft ist – wie damals – ein Team geworden. Auch als wir die EBEL gewonnen haben, war Salzburg individuell besser als wir, aber wir hatten den besseren Zusammenhalt.

Also rechnen Sie sich auch Chancen gegen die Vienna Capitals aus?

Die Capitals sind der klare Favorit. Wir haben unser Saisonziel mehr als nur erreicht. Wir können jetzt unbeschwert aufspielen. Wir können die Caps sicher in ein, zwei Spielen packen.

Das Finale ist nicht realistisch?

Im Eishockey ist alles möglich! Sagen wir so: Unsere Chancen gegen den KAC standen bei 40 zu 60. Gegen die Caps sind es 80 zu 20.

Am Dienstag waren mehr als 6.000 Fans in der Eiswelle …

Es war eine Superkulisse! Und dies an einem Wochentag! Ein großes Dankeschön an die Fans. Sie müssen bedenken: Wir hatten heuer in der Regular Season sechs Prozent mehr Zuschauer als im vergangenen Jahr – und dies obwohl wir Letzter waren! Wir haben sehr, sehr treue Fans.

Der HCB Südtirol hat Wurzeln geschlagen?

Ja, wir werden inzwischen als Südtiroler Mannschaft wahrgenommen, und nicht mehr nur als Bozner Club. Und sehen Sie sich die Curva an …

… die einst so berüchtigte Curva mit den Mele Marce …

Diese Kurve hat sich absolut zum Positiven entwickelt. Es geht nicht mehr ums Ethnische, sondern nur mehr um den Sport. Und ganz nebenbei sorgen diese Fans für eine Super-Choreografie.

Herr Knoll, der HCB hat in den vergangenen fünf Jahr einmal die EBEL gewonnen, zweimal das Semifinale und zwei Mal das Viertelfinale erreicht. Der HCB muss ein Genie als Sportdirektor haben …

(lacht) Der Sportdirektor bin ich …

Eben.

Der Erfolg ist natürlich eine persönliche Befriedigung. Eine Genugtuung für mich und meine Mitarbeiter.

Stimmt es, dass Sie vor dem sechsten Spiel in die Kabine gegangen sind und den Spielern für den Fall des Halbfinaleinzugs eine fette Prämie versprochen haben?

Das ist richtig! Deswegen gehen fast die ganzen Playoff-Einnahmen für die hohen Prämien drauf (lacht). Aber das passt so. Wir haben die Verträge heuer stark auf Erfolg ausgerichtet. Das zahlt sich jetzt auch für die Spieler aus.

Schreiben Sie heuer schwarze Zahlen?

Nicht ganz, aber es wird jedes Jahr besser. Wissen Sie, was mich ganz besonders freut? Am Dienstag war der Landeshauptmann im Stadion als offizieller Vertreter der Dachmarke, dann der Herr Wohlfahrter von Alperia und Frau von Mannstein, die Juniorchefin der Forst. Das sind unsere drei Hauptsponsoren. Die waren im Stadion und hatten eine Freude. Sie haben das Spektakel mit 6000 Zuschauern gesehen. Zu diesen drei Hauptsponsoren kann ich morgen hingehen und wohl davon ausgehen, dass sie den Vertrag mit uns verlängern.

Wenn der HCB die Quali für die Playoffs nicht geschafft hätte?

Über dieses Szenario will ich gar nicht nachdenken, das wäre eine Katastrophe gewesen. Es hätte viel Kritik gegeben. Und ich hätte nicht auf Augenhöhe in die Verhandlungen mit den Sponsoren gehen können.

Der Halbfinaleinzug ist die halbe Miete für die nächste Saison?

Ja, so kann man es sagen. Ich denke auch, dass andere Sponsoren wie Würth, Messe Bozen und Avanti wieder mitmachen und hoffe, dass sie noch ein bisschen mehr geben (lacht).

Sie haben die Frage über den Sportdirektor Knoll noch nicht beantwortet …

Der Sportdirektor bin ich selbst, die Mannschaft machen wir zu dritt: Mein Sohn Georg, Michael Dalpiaz und ich. Mein Sohn macht das Scouting, er sichtet Spieler. Michael macht – in Rücksprache mit mir – die Vertragshandlungen. Wir sind jetzt schon dabei, die neue Mannschaft zusammenzustellen.

Es ist ein offenes Geheimnis: Bei Ihnen verdienen die Top-Spieler zwischen 35.000 und 45.000 Euro pro Saison. Viele Spieler haben in der Vergangenheit den HCB als Sprungbrett benutzt und spielen jetzt für 70.000 bis 100.000 Euro in Wien, Salzburg oder beim KAC. Also kann man davon ausgehen, dass die Besten die Mannschaft wieder verlassen werden?

Ich möchte heuer ein paar Spieler behalten. So zum Beispiel Marc Miceli und Alex Petan. Die beiden sind Italos und können – wenn sie noch ein Jahr hier spielen – für die Nationalmannschaft spielen. Ich möchte die meisten Spieler halten

… dann werden Sie etwas drauflegen müssen?

Das ist mir bewusst, aber ich möchte einen Stamm haben, der bereits eingespielt ist. Ich möchte nicht wieder die ganze Mannschaft rundumerneuern müssen. Deswegen werde ich mich bemühen, einen Mike Halmo zu halten, der sicher auf für die DEL interessant wäre. Wenn wir auch im nächsten Jahr bei den Zuschauerzahlen zulegen und wenn die Sponsoren wieder zahlen, dann kann auch ich ein bisschen mehr zahlen.

Interview: Artur Oberhofer

 

Foto(s): © 123RF.com und/oder/mit © Archiv Die Neue Südtiroler Tageszeitung GmbH (sofern kein Hinweis vorhanden)

Kommentare (2)

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  • prof

    verrückt ist,was sich in der Eiswelle abspielt,aber im positiven Sinne,habe bis jetzt nur 2 Spiele gesehen aber die waren allemal das Eintrittsgeld wert.
    Ich würde dem FC Südtirol wenigstens ein Drittel dieser Zuschauer wünschen.
    Dieter Knoll ist wohl die Seele des HCB Südtirol,ohne ihn wäre das Eishockey in der Landeshauptstadt um vieles ärmer.

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