„Ich bin die neue Stimme“
Die Nachricht kam relativ überraschend. Franz Kompatscher, Bürgermeister der Gemeinde Brenner, will für die SVP in den Landtag ziehen. Über seine Beweggründe und wie er in die SVP eine neue Gangart einbringen will.
TAGESZEITUNG Online: Herr Bürgermeister, die Nachricht über ihre Kandidatur kam für viele überraschend…
Franz Kompatscher: Nun ja, ich wurde bereits bei den zwei vorhergehenden Landtagswahlen gefragt, ob ich für den Landtag kandidieren möchte. Damals habe ich noch abgelehnt. Auch jetzt haben wir im SVP-Bezirk schon mehrmals über eine mögliche Kandidatur gesprochen. Ich sehe aber nun eine gewisse Notwendigkeit, einen Vertreter für den Bezirk zu haben. Ich bin ein Kämpfertyp und glaube, diese Schlacht schlagen zu können.
Über diese Notwendigkeit gingen Sie auch in einer Aussendung ein. Diese klingt schon fast oppositionell. Werden Sie der Sprecher eines neuen rechten Flügels in der SVP?
Ich bin überhaupt nicht rechts. Ich bin ein Mensch, der zu bestimmten Sachen eine klare Meinung hat. Beim Thema Migration habe ich als Bürgermeister jeden Tag gute und schlechte Erfahrungen gemacht. Es gibt Leute, die einen wertvollen Beitrag für die Gesellschaft leisten, die sich einbringen und integrieren. Aber es gibt auch negative Erscheinungen. Keiner kann sagen, dass es die nicht gibt. Wenn jemand zum Bürgermeister kommt und den Staatsbürgerschaftseid ablegen muss, aber keine der beiden Landessprachen beherrscht, ist das nicht richtig. Ich kann nicht dafür sein, dass so etwas durchgeht. Ich glaube, dass man sich diesbezüglich mehr einbringen muss. Integration ist eine große Aufgabe, aber es ist auch eine Hol- und Bringschuld nötig, wenn wir morgen nicht böse überrascht werden wollen. Im Gegensatz zu den rechten Oppositionellen ist in meinen Aussagen keine Feindseligkeit zu finden. Ich werde in der SVP also die Sachen thematisieren und habe sie auch schon thematisiert. Das hat nichts mit rechter Politik zu tun. Ich habe diesbezüglich auch konkrete Vorstellungen und werde diese zu gegebener Zeit vorlegen.
Trotzdem sind solche klaren Meinungen in letzter Zeit in der SVP rar geworden…
Mit dem Kompatscher gibt es sie jetzt (lacht). Als Bürgermeister bin ich prinzipiell für alle da und man kann davon ausgehen, dass es mit mir eine andere Sprache, eine neue Stimme und eine andere Gangart gibt.
Bei den Gemeinderatswahlen vor drei Jahren waren Sie kurz davor, eine Bürgerliste zu gründen. Identifizieren Sie sich denn noch mit der SVP?
Im gesamten Bezirk waren die SVP-ler aufgrund der Entscheidungen im Bezirk ja sehr enttäuscht. Wir haben uns aber zu einem Weg durchgerungen: eine Kandidatur für das Wipptaler Edelweiß. Die Geburtenstation wurde danach definitiv geschlossen. Wir haben mehrfach darauf hingewiesen, dass die Lokalpolitik hinter dem Krankenhaus Sterzing steht. Auf diesem Weg sind wir dann geblieben, dennoch identifizieren wir uns noch mit dem Edelweiß. Wir werden uns also in diesen Themen besser einbringen. Ich bin kein Typ, der bei so etwas schüchtern ist.
Die Sanitätsreform liegt nun bereits drei Jahre zurück, die Geburtenabteilung im Krankenhaus Sterzing wurde vor zwei Jahren geschlossen. Gibt es noch diese Anti-Sanitätsreform-Bewegung? Kann man hier noch Stimmen herausholen?
Auf jeden Fall! Wenn wir uns Sterzing anschauen, dann versteht man, warum es so wichtig ist. Im Wipptal gab es schon immer ein Krankenhaus. Die Geschichte geht über Jahrhunderte zurück. Das neue Krankenhaus wurde ja in den 70er-Jahren von den Gemeinden errichtet. Die Gemeinden haben dafür also geblutet. Was mich aber am meisten gestört hat, war die Tatsache, dass man viele Leute, die mit einer großen Begeisterung für das Krankenhaus gearbeitet haben, einfach vor die Tür gesetzt hat. Jeder der im Krankenhaus Sterzing hineingeht, weiß, dass er als Mensch behandelt wird. Es gab und gibt immer noch Menschen, die weit über ihre Pflichten arbeiten. So etwas kann man sich nur wünschen, aber man hat das einfach so zerschlagen. Ich möchte in der Sanitätsdebatte nicht nur über Primare, sondern auch über anderes Personal sprechen und diesem eine Wertschätzung gegenüberbringen, die es sich verdient hat. Ich glaube, wenn man so darüber spricht, würde sich auch vieles zum Positiven ändern.
Sie werden also Sprecher dieser Anti-Sanitätsreform?
In der Sanität besteht auf jeden Fall Verbesserungsbedarf. Man muss nur auf die langen Wartezeiten schauen. Nichtsdestotrotz gibt es auch positive Rückmeldungen. Wir werden aber einiges ändern müssen, wir können nicht so bleiben, wie wir jetzt sind. Dementsprechend ist es für mich ein großes Thema, aber es gibt beispielsweise auch Arbeitnehmerthemen, die wichtig sind. Gute Arbeit braucht einen guten Lohn. Man muss also erreichen, dass Menschen von einem Lohn anständig leben können. Wie der Lohn zusammenkommt, ist eine Frage, die man erst Behandeln muss. Den meisten wäre es am liebsten, wenn man es über die Steuerlinie macht.
Im Wipptal gab es in Vergangenheit nicht besonders viele Vertreter auf Landesebene. Wie wollen Sie Stimmen außerhalb des Wipptals holen?
Das Wipptal hatte immer wieder Vertreter. Jedes Mal, wenn das Wipptal Vertreter im Land oder in Rom hatte, gab es fast nur positives zu berichten. Karl Oberhauser hat beispielsweise großartiges für das Wipptal geleistet. Leider gab es nun Legislaturperioden, in denen wir keine Vertreter hatten. Mit dem Wipptal alleine schafft man aber natürlich nicht den Einzug im Landtag. Ich habe genügend Themen, die landesweit eine große Bedeutung haben. Diese habe ich ja bereits angesprochen.
Sie waren ursprünglich ein Vertreter der Arbeitnehmer. Zählen Sie sich auch heute noch dazu?
Ja, sicher. Ich habe aber meine eigene Gangart und will mir nicht irgendeinen Gruppenzwang auflegen lassen. Ich setze mich einfach für die Bürger ein. Ich komme vom sozialen Flügel, kann mich mit Vielem identifizieren, aber nicht mit Allem. Das ist auch das schöne an der Demokratie: Es gibt einen Ideen- und Meinungswettbewerb. Dieser bringt uns ans Ziel. Als Politiker ist für mich eine Sache, die entschieden worden ist, entschieden. Dann muss man sich auch mal fügen. In der Diskussionsphase melde ich mich aber zu Wort.
Die Gemeinde Brenner ist in Südtirol eine der Gemeinden, die am stärksten von der Flüchtlingsproblematik betroffen ist. Immer häufiger, hat man den Eindruck, dass sich eine Flüchtlingsphobie in der Bevölkerung entwickelt. Ist diese Phobie gerechtfertigt?
Menschen zu entwürdigen ist nie gerechtfertigt. Aber eine Diskussion schon. Man kann die Debatte nicht auf zwei Wörter abbrechen und das Problem ist nicht einfach zu lösen. Allerdings habe ich immer gesagt, dass in Europa bestimmte Nationalstaaten zu wenig getan haben. Wir als Land müssen uns in diese Diskussion einbringen. Wir können nicht nur zuschauen, denn wir sind von den Folgen betroffen. Natürlich sind die Flüchtlinge arme Menschen, aber es braucht eine Ordnung. Es bedarf also klarer Lösungen von unten nach oben. Wir werden in Südtirol das Problem nicht lösen können, aber wir können uns einbringen. Das ist mein Ziel. Hass bringt nichts. Aber den Hass kann man nur verhindern, wenn man die geeigneten Maßnahmen trifft.
In Ihrer Erklärung schreiben Sie, „…auf dass es unser Südtirol bleibt“. Ist das Ihr Wahlkampfmotto?
Nein, ich möchte mir nur die Frage stellen, wohin Südtirol will. Wenn wir uns so weiterentwickeln, wie wir es derzeit tun, werden wir ein multikulturelles Land. Wenn das Südtirol will, kann man sich dorthin entwickeln, aber ich glaube nicht, das wir das wollen. Daher müssen wir uns diese Frage stellen. Man muss sich gemeinschaftlich dieser Frage widmen. Ich möchte damit kein Slogan hinwerfen, wie es manche rechte Parteien mit „Mein Österreich“, „Mein Deutschland“ oder „Mein Tirol“ tun. Ich möchte eine für Südtirol entscheidende Frage stellen. Den Menschen ist es wichtig, dass es ein Land wird, wie sie es sich vorstellen. Eine übermäßige Präsenz von Ausländern in den Dörfern bringt auch Probleme. Das wird vielfach unterschätzt. Ich will nichts sähen. Ich erkenne einfach Probleme und will diese ansprechen.
Würden Sie sich über eine SVP-Gegenkandidatur im Bezirk freuen?
Mir ist zwar nicht bekannt, ob sich jemand aufstellen lässt, aber bis Mai kann man sich ja entscheiden. Ich würde mich aber auf jeden Fall freuen, denn dann gibt es schon in den nächsten Monaten einen richtigen Wahlkampf.
Interview: Markus Rufin
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Kommentare (6)
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andreas
Ein lumpenreiner Populist, welcher zwar angibt Politikentscheidungen zu akzeptieren, sie hintenrum aber subtil versucht zu unterwandern, um Stimmung für sein Anliegen zu machen.
Für die SVP nicht schlecht, da sie Stimmen in einem Bezirk bekommen, bei welchem man nach dem Jammern mancher annimmt, dass man ihnen wöchentlich Entwicklungshilfegelder schicken müsste.
leser
ja lumpenrein mein lieber
wahlen gewinnt man nur mit populistischen sprüchen und versprechen die man nicht erfüllen kann und braucht, das sehen wir auf nationaler ebene und europäischer ebene, rechte slogans dringen tiefer in die synapsen das weiss man auch
dass der kompatscher ins land gehen möchte hat wohl auch mit der prächtigen politikerrversorgung zu tun, da waren selbsternannte aufräumer und rebellen wie wurzer, renzler und co beispielhaft, für den bürger da sein, bis die stimme ausgezählt das ist das wahlziel mein lieber, und dank der schafherde die bei uns herumzieht geht es immer auf
andreas
Lern doch bitte in kurzen Sätzen und mit Punkt und Komma zu schreiben.
Wenn das beherrscht, beschäftigen wir uns mit dem Inhalt, der hat auch noch reichlich Luft nach oben.
george
F. Kompatscher: Zuerst schimpfen und dann sich kaufen lassen: Solchen Leuten kann man kein Vertrauen schenken.