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„Eine gute Sache“

Arnold Schuler

Mit seiner Wolf-Petition rührt LR Arnold Schuler die Werbetrommel (auch) in eigener Sache. Auch wenn er das nicht zugeben will.

TAGESZEITUNG Online: Herr Landesrat, haben Sie dem Herrgott gedankt, dass er Ihnen im Wahljahr den Wolf und den Bär geschickt hat?

Arnold Schuler (lacht): Ich täte dem Herrgott danken, wenn er uns eine Lösung für das Großraubtier-Problem schickte. Das ist jedoch nicht so einfach.

Ihre Petition ist nicht unumstritten: Viele sprechen von einem Wahlkampf-Gag …

Sicher nicht! Man kann in einem Wahljahr nicht alles als Wahlkampf-Gag sehen. Und man kann nicht etwas nicht machen, weil wir ein Wahljahr haben. Es geht darum, dass in Südtirol der Druck in Sachen Großraubtiere gewaltig gestiegen ist. Das hat man am vergangenen Freitag in Lana gesehen. Bei der Veranstaltung im Raiffeisensaal waren über 800 Personen anwesend, der Saal war übervoll, die Stimmung entsprechend. Die Menschen machen sich Sorgen, insbesondere in der Berglandwirtschaft. Handlungsbedarf besteht jetzt und nicht nach den Wahlen.

Die Volkspartei hat Andreas Pöder vorgeworfen, mit seinem Volksbegehren die Impfkritiker vor seinen politischen Karren zu spannen. Finden Sie es in Ordnung, Landesämter, Forststationen und Bürgermeister für diese Petition einzuspannen?

Ja, das finde ich in Ordnung. Man sollte auch jenen Menschen, die die Petition nicht online unterzeichnen können, die Möglichkeiten zum Unterschreiben geben. Ich habe die Bürgermeister und die Forststationen ersucht, den interessierten Bürgern die Möglichkeit zu geben, die Petition mitzutragen. Das bedingt keinen Mehraufwand, wohl aber geben wir der ländlichen Bevölkerung die Möglichkeit, ihre Stimme zu erheben. Die Stimme der ländlichen Bevölkerung verhallt sonst, sie wird im fernen Rom oder in Brüssel nicht gehört, dort hört man sonst nur die Tierschützer, die laut und militant auftreten.

Bislang haben über 16.000 Personen unterschrieben. Wie viele Unterschriften erwarten Sie sich?

Ich hatte anfangs gedacht: 10.000 Unterschriften wären schön. Allein am Dienstag kamen über 5.000 Unterschriften zusammen. Ich denke, es werden am Ende über 20.000 werden, hinzu kommen dann noch die Unterschriften, die wir in Papierform sammeln. In Lana auf der Veranstaltung haben wir binnen zwei Stunden 667 Unterschriften gesammelt.

Was wollen Sie dann mit den Unterschriften machen?

Mit den Unterschriften gibt man der ländlichen Bevölkerung eben eine Stimme. Das große Problem in Italien ist, dass die nationalen Bauernverbände sich zum Thema Wolf kaum zu Wort melden …

Warum?

Weil die Bauern in vielen Regionen Italiens den ländlichen Raum schon großteils verlassen haben. Die wenigen Bauern, die geblieben sind, spielen politisch kaum eine Rolle und finden kaum Gehör. Es geht aber auch darum, Allianzen zu schmieden.

Allianzen mit wem?

Inzwischen hat auch mein Amtskollege in Trient eine ähnliche Aktion gestartet. Wir haben Treffen der Regionen Oberitaliens organisiert und solche mit den nördlichen Nachbarn. Ich bin obendrein mit dem bayerischen Landwirtschaftsminister in Kontakt. Wir haben vereinbart, gemeinsam nach Brüssel zu fahren.

Sie glauben, Rom oder Brüssel lässt sich von ein paar 1.000 Unterschriften beeindrucken?

Es ist ein deutliches Zeichen dafür, dass sich die ländliche Bevölkerung Sorgen macht, aber es stimmt, allein können wir wenig ausrichten. Das gilt auch für die einzelnen Parlamentarier in Rom und Brüssel. Es braucht Allianzen zwischen Regionen und Ländern. Wenn überall der Druck steigt, dann ist das auch gut für uns. Nehmen wir das Beispiel Deutschland: Dort hat es im Jahr 2000 die ersten Wolf-Sichtungen gegeben, mittlerweile gibt es in Deutschland 70 Rudel. Und der Druck auf die Politik ist gestiegen. Das Thema Wolf war sogar Gegenstand der Koalitionsverhandlungen. Zuletzt hatte ich sogar Besuch aus Frankreich …

Wie ist dort die Situation?

Foto: 123RF

Laut den Vertretern aus Frankreich gibt es derzeit dort rund 360 Wölfe. Der Staat gibt 26 Millionen Euro für den Wolf aus: das sind 73.000 Euro pro Wolf. Konkret: 23 Millionen Euro für Präventionsmaßnahmen und drei Millionen für Entschädigungen durch Wolfsrisse. In Frankreich gibt es 10.000 Wolfsrisse pro Jahr.

Welches Ziel verfolgen Sie als Südtiroler Landwirtschaftsminister?

Unser gemeinsames Ziel ist es, dass der Schutzstatus für den Wolf auf europäischer Ebene gesenkt wird. Der Wolf ist keine vom Aussterben bedrohte Tierart mehr. Er hat sich explosionsartig vermehrt. In Italien gab es vor 40 Jahren 100 Wölfe, heute sind es mindestens 2.000. Die Population verdoppelt sich jetzt alle sieben bis acht Jahre. Das würde eine Herabsetzung des Schutzstatus rechtfertigen. In Schweden wird die Mindestpopulation mit 210 Wölfen definiert. Alles was darüber hinaus geht, darf entnommen werden …

Das schwedische Modell würde Ihnen taugen?

Schweden ist sehr weit gegangen. In anderen Staaten würde so eine Maßnahme sicher angefochten werden. Deshalb ist es notwendig, dass auf europäischer Ebene der Schutzstatus gesenkt wird. Parallel dazu fordern wir, dass der Staat seinen Spielraum nützt, um eine Regulierung zu ermöglichen.

Sogar in Ihrer eigenen Landtagsfraktion gibt es Leute, die Bauchweh mit Ihrem Vorstoß haben …

Das ist mir neu! Zu mir haben die Kollegen gesagt, dass die Petition eine gute Sache sei. Wenn es Leute gibt, denen das nicht gefällt, dann nehme ich das zur Kenntnis.

Interview: Artur Oberhofer

 

Foto(s): © 123RF.com und/oder/mit © Archiv Die Neue Südtiroler Tageszeitung GmbH (sofern kein Hinweis vorhanden)

Kommentare (26)

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  • heinz

    Und was ist mit all den Füchsen und Mardern, die immer wieder das Federvieh unsrer armen Bergbauern fressen? Gar nicht zu reden von den bedrohlichen Greifvögeln, Eulen und nicht zuletzt den Jägern und Jägerinnen, welche heimtückisch friedlich grasende Waldtiere erdrosseln.

  • erich

    Das könnte für LR Schuler eine gute aber teure Wahlwerbung werden, in der Sache ist es ein Schuss in den Ofen

  • george

    So dumme Dispute, wie es die meisten hier sind, liest man selten irgendwo anders. Und das beschämend niedrige Niveau der Auseinandersetzung mit diesem Thema zeigt, dass Bildung und Benehmen bei vielen enorm rückläufig sind.

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