Gnade und Rezept
Staatspräsident Sergio Mattarella hat einen Trentiner Marihuana-Anbauer begnadigt, der seine Ernte für therapeutische Zwecke verwendete.
Von Thomas Vikoler
In der ersten Instanz hatte es noch gut ausgesehen für den Beschuldigten. Ein Gutachter, der Rechtsmediziner Silvano Zancaner, hatte die „Vereinbarkeit“ des Wirkstoffs THC mit den Krankheiten festgestellt, unter der der Mann litt: HIV-Infektion, Diabetes, Bluthochdruck. Ein Trienter Gericht sprach ihn also vom Vorwurf des Anbau und Besitzes der leichten Droge Marihuana frei.
Doch im Mai 2015 kehrte der Oberlandesgericht Trient den Freispruch um und verurteilte den Schwerkranken zu fünf Monaten und zehn Tagen Haft. Es fand ihn für schuldig, in seiner Wohnung drei Marihuana-Stauden angepflanzt und – bei einer Razzia der Polizei – im Besitz von 298 Gramm Marihuana gewesen zu sein.
Die Kassation bestätigte im April 2017 das Urteil des Oberlandesgerichts, die Staatsanwaltschaft Trient beantragte Haftbefehl für den Marihuana-Anbauer.
Doch nun, nach einem entsprechenden Antrag seines Anwalts Fabio Valcanover am 7. Juli 2017, hat Staatspräsident Sergio Mattarella den Schwerkranken begnadigt. Das Dekret ist gerade acht Zeilen lang.
„Es war eindeutig, dass mein Mandant das Cannabis aus therapeutischen Gründen anbaute“, sagt Rechtsanwalt Valcanover. Doch zum Zeitpunkt der Polizei-Razzia hatte er keine Möglichkeit, sich den Wirkstoff auf legalem Wege zu beschaffen.
„Ich wollte ihn nicht auf dem Schwarzmarkt beschaffen, deshalb habe ich ihn selbst angebaut. Ich sah mich dazu gezwungen, auch weil es damals keine Möglichkeit gab, Cannabis auf Rezept zu erhalten“, sagte der Mann aus Trient vor Gericht. Und er betonte, dass die Einnahme von Cannabis seine zahlreichen Leiden lindere und auch die Nebenwirkungen der übrigen Therapien abschwäche.
Der Staatsanwalt der ersten Instanz hatte hingegen behauptet, der Beschuldigte hätte sich das Marihuana in kleinen Dosen am (Schwarz)Markt beschaffen können anstatt es selbst anzubauen.
Wie auch immer. Der Verurteilte ist nun begnadigt und bekommt sein Cannabis inzwischen vom Sanitätsbetrieb Trient. Der Trentiner Landtag hatte am 31. Mai 2016 ein Gesetz für Cannabis auf Rezept beschlossen, es wurde inzwischen umgesetzt. Nach einer ärztlichen Untersuchung erhielt der nun begnadigte Patient das Medikament Bidol mit dem Wirkstoff HTC verschrieben. Ein Arzt bestätigte, dass alle anderen Therapien sich bei ihm als wirkungslos herausgestellt hätten.
Für den Bezieher einer Invalidenrente (hundertprozentige Invalidität und Arbeitsunfähigkeit) bedeutet die Finanzierung des Medikaments durch den Trentiner Sanitätsbetrieb auch finanziell eine enorme Entlastung. Bediol, das aus Holland eingeführt wird, kostet 19 Euro pro Gramm.
Bei einer Tagesdosis von 0,8 Gramm würde das eine monatliche Ausgabe von 360 Euro bedeuten.
Für ein zweites legal verfügbares Medikament namens FM2 sogar 450 Euro.
Ähnliche Artikel
Kommentar abgeben
Du musst dich EINLOGGEN um einen Kommentar abzugeben.