Der Sieg der Kellnerin
Die Präzedenzurteile: Saisonbeschäftigte dürfen nach dem Ende der Saison in ihre Heimat reisen, ohne dass ihnen der Arbeitslosen-Status aberkannt wird.
von Artur Oberhofer
Es war eine Glaubensfrage: Die einen witterten eine clevere Form des Sozialbetrugs. Für die anderen war es Willkür gegen fleißige Beschäftigte.
Um was geht es?
Die Landesabteilung Arbeit hatte in den vergangenen Jahren immer wieder Saisonbeschäftigten den Arbeitslosenstatus aberkannt, weil diese – in einigen Fällen waren es Maurer, in anderen Saisonbeschäftigte im Gastgewerbe – Arbeitslosengeld bezogen, sich aber in der fraglichen Zeit nicht in Südtirol, sondern in ihrem Heimatland aufgehalten haben.
Die Landesabteilung Arbeit witterte Fälle von unerlaubtem Bezug von staatlichen Beihilfen. Das Argument: Die Arbeitnehmer hätten durch die Annahme von Arbeitslosengeld faktisch einen „Pakt“ mit dem Fürsorge-Institut NISF/Inps geschlossen. Dieser sehe vor, dass sie während des Bezugs des Arbeitslosengeldes keiner anderen Arbeit nachgehen dürfen, im Inland eine fixe Adresse haben und sich um eine Arbeit bemühen müssen.
Die Aufenthaltspflicht im Inland leitete die Landesabteilung davon ab, dass die Arbeitslosen – sollten sie vom Arbeitsamt gerufen werden – sich umgehend melden müssten, um eine etwaig vermittelte Arbeitsstelle annehmen zu können.
Die Gewerkschaften hielten dagegen: Die Arbeitnehmer hätten sich ja nichts ins Ausland abgesetzt, sondern wären, im Fall der Fälle, jederzeit bereit gewesen, innerhalb 24 Stunden nach Bozen zu reisen, hätte sie das Arbeitsamt gerufen. Die Telefonnummer der beiden Arbeitslosen sei dort bekannt. Und niemand könne von den Saisonbeschäftigten verlangen, dass sie in der Übergangszeit in Südtirol bleiben, um auf einen Anruf des Arbeitsamtes zu erwarten.
Den „Pakt“ mit dem NISF/Inps hätten die Arbeitnehmer zwar unterzeichnet, für sie abgewickelt habe dies aber eine Gewerkschaft. Außerdem: Die Überprüfung über den tatsächlichen Aufenthaltsort der Arbeitslosengeldbezieher könne nicht das Arbeitsamt vornehmen, sondern das müssten Gerichtsbehörden tun.
Nun haben die Gewerkschaften in mehreren Fällen Recht bekommen. „Es steht 2:0 für die Saisonbeschäftigten“, heißt es beim SGB/Cisl.
Das Landesgericht in Bozen hat bereits zwei Urteile zugunsten der betroffenen Arbeitnehmer gefällt.
Bereits im Juli vergangenen Jahres hatte die zuständige Fachgewerkschaft im SGB/Cisl den Rechtsstreit für eine Arbeitnehmerin vor dem Landesgericht in Bozen gewonnen. Das Gericht stellte fest: Auch wenn eine Arbeitnehmerin für eine gewisse Dauer am Ende der Saison in ihr Heimatland reist, könne ihr der Status der Arbeitslosigkeit nicht aberkannt werden.
Der Arbeitnehmerin war im konkreten Fall der Arbeitslosenstatus aberkannt worden, und sie sollte das bereits ausbezahlte Arbeitslosengeld rückwirkend ab 2011 mit saftigen Strafgeldern zurückzahlen.
Das Landesgericht in Bozen hat die Argumentation der Provinz Bozen zurückgewiesen und der russischen Arbeitnehmerin aus einem Hotel im Pustertal Recht gegeben. Beim SGB/Cisl ist die Genugtuung groß: „Das Urteil des Richters Giulio Scaramuzzino bestätigt unseren gewerkschaftlichen Standpunkt und weist die Vorgangsweise der Provinz bei der Aberkennung des Arbeitslosenstatus der SaisonarbeiterInnen zurück.“
Der Richter erachtet es als legitim, dass die betroffenen Arbeitnehmer im Antrag um das Arbeitslosengeld das Hotel bzw. den Betrieb, wo sie arbeiteten, als Domizil angegeben hatten, obwohl sie in ihre Heimat gereist sind.
Der Richter unterstreicht, dass das Domizil der Mittelpunkt der wirtschaftlichen und persönlichen Interessen sei, und dies sei im Fall der russischen Kellnerin das Hotel gewesen, in dem sie gearbeitet hat.
Das Land ist verurteilt worden, die verfügte Aberkennung des Arbeitslosenstatus zu annullieren und muss auch die Prozesskosten tragen. „Wir erwarten uns nun von der Landespolitik, dass sie infolge dieses zweiten Urteils endlich die Rechte der Fachkräfte aus dem Ausland ernst nimmt.“, so der SGB/Cisl.
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Kommentare (3)
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paul1
Die Gesetze hat ja die Landesregierung gemacht, darum jetzt nicht jammern. Kein Wunder, dass viele nicht mehr arbeiten wollen.