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Der zweifache Blick

Raumordnung und Raumentwicklung brauchen einen zweifachen Blick. Das findet die Architektin Gisella Bassanini, die auf Einladung der Grünen Frauen nach Bozen gekommen war.

„Die traditionelle Raumplanung fußt normalerweise auf einem Standard, der, unbewusst, „männlich“ ist – auch weil immer noch viele Raumplaner, Verwalter, Jurymitglieder, Politiker usw. Männer sind“, so die zentrale Aussage von Gisella Bassanini, Architektin und Lehrbeauftragte am Politecnico in Mailand.

Den Blick vervielfältigen bedeute also, die unterschiedlichen Bedürfnisse der Personen, die einen Raum bewohnen, zu berücksichtigen, in den Blick zu nehmen.

Am Freitagabend fand im Bozner Kolpinghaus eine Diskussion mit der Architektin und Lehrbeauftragte am Politecnico in Mailand statt. Organisiert wurde die Verantsaltung von den Grünen Frauen.

In einer Aussendung schreiben diese nun:

Man erkennt dann, dass Männer und Frauen ganz unterschiedliche Gewohnheiten haben, etwa was die Mobilität betrifft. So bewegen sich Männer viel „linearer“, zum Beispiel wenn sie vom Wohnort aufbrechen, um zum Arbeitsplatz zu gelangen, während die Frauen einen „Zickzack“-Kurs fahren, weil ihre Bewegungen vielerlei Erledigungen beinhalten. Männer und Frauen haben unterschiedliche Zeiten, in denen sie im öffentlichen Raum unterwegs sind. Sie haben andere Erwartungen an die Sicherheit ( Sicherheitsgefühl entsteht zum Beispiel durch Beleuchtung oder das Vermeiden von „Tunnelsituationen“) oder an die Möglichkeiten der Begegnung.

Wenn der Blick auf die Unterschiedlichkeit erst einmal eröffnet ist, entdeckt man viele weitere andere Bedürfnisse. Als Beispiele können jene Familienformen gelten, die von der Standardfamilie (Vater, Mutter, Kinder) abweichen und die inzwischen die übergroße Mehrheit darstellen: Alleinerziehende, verwitwete Frauen, Singles… Für diese Familienformen sind die üblichen Standardwohnmodelle absolut unzutreffend. Moderne Wohnkonzepte gehen also nicht von einem einzigen Standard aus, sondern von vielen verschiedenen Situationen, auch indem man die unterschiedlichen Anforderungen an den Wohnraum bedenkt, die sich im Laufe eines Lebens ergeben können.

Eine eminent politische Dimension eröffnet sich.

Die Diskussion über den zweifachen Blick in der Raumordnung war denn auch der erste Schritt der Südtiroler Grünen in Richtung Wahlprogramm für die Landtagswahlen, das auch diesmal wieder in partizipativer und dialektischer Form entstehen wird. 

Aber auch die Agenda des Landtags, mit den Gesetzentwürfen zu Raumordnung, zur sozialen Landwirtschaft oder zur Wohnbauförderung wird genügend Anlass bieten, den „zweifachen Blick“ in eine Materie einzubringen, die bisher in Südtirol vorrangig mit einem einzigen Auge betrachtet wurde: dem der Macht.

 

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