Doktor Google
Immer mehr Menschen googeln ihre Symptome im Internet. Primar Othmar Bernhart rät Patienten allerdings davon ab, bei Beschwerden pauschal das Internet zu kontaktieren – weil aus Kopfschmerzen schnell ein Gehirntumor werden kann.
TAGESZEITUNG Online: Herr Primar, wie häufig kommen Patienten mittlerweile mit einer Diagnose von Doktor Google zu Ihnen?
Othmar Bernhart: Mit einer spezifischen Diagnose kommen vielleicht nicht so viele Patienten zu uns, aber es kommen sicher immer mehr Patienten zu uns, die sich vorab im Internet informiert haben.
Wer krank ist, möchte wissen, an was er gerade leidet – und das möglichst schnell und günstig. Da kommt Doktor Google ins Spiel…
Das ist ein großes Problem. Wenn man seine eigenen Symptome in die Suchmaschine eingibt, können verschiedenste Erkrankungen herauskommen. Wenn man beispielsweise schreibt, das man Kopfschmerzen hat, werden auch Meningitis oder ein Hirntumor als mögliche Ursachen angeführt. In einem einzigen Artikel findet der Patient von lebensbedrohlichen Krankheiten bis hin zu Kopfschmerzen aufgrund von Überforderung oder Stress einfach alles. Diese Internetseiten sind vielfach einfach schlecht aufgebaut und wenn man sich dann mit derartigen Diagnosen konfrontiert sieht, wird es schwierig.
Wenn Patienten ihre eigenen Symptome dann falsch interpretieren und von lebensbedrohlichen Krankheiten ausgehen, können sie auch schnell überreagieren…
Es gibt mittlerweile ja schon den Ausdruck Cyberchondrie. Hypochondrische Tendenzen werden praktisch durch Informationen aus dem Internet ausgelöst oder verstärkt. Personen, die relativ anfällig für Überreaktionen sind, lesen etwas, vermuten sofort das Schlimmste und sind in diesem Moment aber auf sich alleine gestellt.
Als Mediziner würden Sie daher eher davon abraten, in Gesundheitsfragen das Internet zu konsultieren…
Ich rate meinen Patienten davon ab, das Internet einfach pauschal zu konsultieren. Je nach Therapie rate ich meinen Patienten aber auch, sich im Internet noch zusätzlich zu informieren – nenne aber spezielle Seiten und glaubwürdige Quellen, wo man das machen kann. Bei neuen Therapien kann es auch wichtig und interessant sein, sich einzulesen, aber natürlich sollte man glaubwürdige Quellen nutzen.
Eine aktuelle Untersuchung der Bertelsmann Stiftung in Deutschland zeigt, dass jeder zweite Patient mit den Online-Gesundheitsinfos zufrieden ist – nur drei Prozent der Befragten waren unzufrieden.
Auf der anderen Seite hat eine Untersuchung in Deutschland gezeigt, dass diese Ratgeberseiten im Durchschnitt die Note 4+ bekommen würden – das wäre bei uns grade einmal eine 6. Hier herrscht demnach eine große Diskrepanz: Der Patient kann vielfach einfach nicht beurteilen, wie gut, verlässlich und technisch relevant seine Information ist. Sehr häufig weiß man einfach nicht, wer diese Seiten betreibt, wer sie finanziert und wer dahinter steckt. Es ist sehr wichtig, diese Informationen zu hinterfragen, da auch nicht jeder Ansprechpartner im Netz automatisch Medizin studiert hat. Wenn ich Kopfschmerzen google und eine beruhigende Antwort erhalte, ist es eine Sache, aber es kann umgekehrt auch ziemlich in die Hose gehen.
Hatten Sie schon mit Patienten zu tun, die mit einer Internet-Horror-Diagnose gekommen sind, sich später aber herausgestellt hat, dass ihnen nichts fehlt?
In dieser Form vielleicht nicht, aber es kommen durchaus Patienten mit einem Fragenkatalog zu uns, weil sie im Internet bestimmte Sachen gelesen haben und sich aus diesem Grund noch einmal informieren möchten.
Gute und verlässliche Infos sind von anderen schwer zu unterscheiden. Wie kann man als Laie mit dieser Fülle an Informationen umgehen?
Ich habe selbst nachgelesen, dass es in Deutschland beispielsweise drei Zertifikate gibt, welche medizinisch ordentlich aufgebaute Seiten kennzeichnen. Trotzdem bleibt dieses Umfeld für Patienten schlecht durchschaubar, weil die Seiten einfach sehr professionell aufgebaut sind. Ein ganz einfaches Beispiel ist Wikipedia: In dieser Online-Enzyklopädie kann auch jeder x-beliebige etwas hineinschreiben, ohne ein bestimmtes Fachwissen mitbringen zu müssen. Wikipedia ist daher nicht immer ein gutes Lexikon.
Kann es auch sinnvoll sein, das Internet in Gesundheitsfragen zu Rate zu ziehen?
Wenn ein Arzt eine bestimmte Krankheit diagnostiziert und eine Therapie verschreibt, dann kann man sich durchaus im Internet informieren. In diesem Moment weiß man aber schon, woran man erkrankt ist. Schlimmer für mich ist aber, wenn Leute, die unter keiner schulmedizinisch nachweisbaren Krankheit leiden, weil ihre Schmerzen beispielsweise durch Stress oder andere psychische Belastungen ausgelöst werden, dann ständig googeln und den Ärzten weismachen wollen, dass ihnen trotzdem etwas fehlt. Diese Patienten sind meist eh schon schwierig und werden durch diese Recherchen noch schwieriger zu behandeln, weil sie eine einfachere Antwort (Stress als Auslöser) einfach nicht wahrhaben wollen.
Wie glauben Sie wird sich dieses Thema weiterentwickeln?
Dieses Thema wird uns in den nächsten Jahren sicher weiterhin beschäftigen. Ich gehe aber davon aus, dass das alles viel stärker professionalisiert wird. Immer mehr Menschen tragen Fitnessarmbänder und teilen Daten wie ihren Puls im Netz. Das sind alles Daten, die Menschen dem Internet zur Verfügung stellen und irgendwann wird sicher jemand etwas mit diesen Daten machen. Es gibt mittlerweile auch schon Apps, die Muttermale fotografieren, analysieren und sagen, ob man damit zu einem Arzt gehen sollte. Ich glaube daher schon, dass sich in naher Zukunft auch gute Angebote von schlechten besser unterscheiden lassen – im Zweifel sollte man aber immer einen Arzt aufsuchen.
Interview: Lisi Lang
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