Wettlauf gegen die Zeit
Nach 20 Minuten liegen die Überlebenschancen bei einer Totalverschüttung durch eine Lawine nur noch bei 30 Prozent. Eine Rettung muss daher enorm schnell gehen. Kameraden nehmen eine überlebenswichtige Rolle ein.
von Lisi Lang
Wenn jemand von einer Lawine verschüttet wird, zählt jede Minute. Oberstes Gebot: Wenn man beobachtet, wie jemand verschüttet wird, gilt es keine Zeit zu verlieren, da die Überlebenschancen eines Verschütteten rapide sinken. „Während die Überlebenschancen bei einer Totalverschüttung nach 15 Minuten noch über 90 Prozent betragen, liegen die Chancen nach etwa 20 Minuten nur noch bei 30 Prozent“, erklärt Ernst Winkler, Landesleiter der Bergrettung. Die Überlebenskurve bei einer Totalverschüttung, die in diesem Fall auch von Ernst Winkler zitiert wird, zeigt einen drastischen Rückgang der Überlebenschance bei einer Totalverschüttung – jede Minute wird daher überlebenswichtig.
Der Lawinenabgang unterhalb der Hörtlanerspitze im Sarntal vom Sonntag zeigt, die Kameradenrettung nimmt eine überlebenswichtige Rolle ein (andere Skitourengeher haben die beiden Verschütteten geborgen, Anm. d. R.). „Es muss einfach schnell gehen“, betont der Landesleiter der Bergrettung. Auch deshalb hat die Bergrettung gemeinsam mit den alpinen Vereinen in Südtirol in den letzten Jahren immer wieder Kurse und Fortbildungen organisiert, um die Tourengeher auf den Ernstfall vorbereiten zu können. „Die Kameradenrettung ist das wichtigste Element einer Rettung – wenn wir planmäßig zu einem Einsatzort kommen, ist das Zeitfenster für einen Verschütteten schlecht“, erklärt Ernst Winkler von der Bergrettung.
Bis zum Eintreffen der Rettungskräfte können wertvolle Minuten verstreichen. Im Idealfall, beispielsweise in Gröden, schaffe es der Aiut Alpin teilweise innerhalb von 15 Minuten am Einsatzort zu sein. Anderenorts kann dies bis zu 40 Minuten dauern. „Unter 40 bis 45 Minuten sind wir oft einfach nicht imstande, den Einsatzort zu erreichen. Bis wir alarmiert wurden, starten können und den Unglücksort erreichen, vergeht einfach zu viel Zeit – auch wenn wir uns natürlich beeilen“, erläutert der Chef der Bergrettung.
Wichtig sei zudem, dass ein Tourengeher sämtliche Elemente der Ausrüstung mit sich führt. „Wenn ich nur die Lokalisierung machen kann, aber nicht ganz genau weiß, wo der Verschüttete liegt, kann ich beim Schaufeln wertvolle Zeit verschwenden“, erläutert Ernst Winkler. Auch für Anfänger sei es enorm wichtig, erst die gesamte Ausrüstung zu erwerben, bevor man Touren durchführt.
Das Tourengehen ist in den letzten Jahren zu einer beliebten Sportart geworden. Trotz der Tatsache, dass immer mehr Menschen mit Tourenskieren außerhalb der Pisten unterwegs sind, hat sich die Anzahl der Einsätze der Bergrettung nicht erhöht. „Heute sind sicher 15 bis 20 Mal mehr Skitourengeher unterwegs, aber die Einsätze sind nicht angestiegen. Das heiß: die Leute wissen besser Bescheid, haben bessere Ausrüstung und die Aufklärungsarbeit funktioniert“, zeigt sich Ernst Winkler erfreut.
A und O einer Tour bleibt aber das Lawinenrisiko, welches nicht immer leicht abgeschätzt werden kann. „Das ist auch für den Lawinenwarndienst eine große Herausforderung: Wenn sie die Lawinenwarnstufe konstant zu hoch einstufen, ignorieren die Tourengeher irgendwann die Warnstufen. Aber wenn man zu tief einstuft, mit Hinweisen auf besondere Gebiete oder Tageszeiten – welche oft einfach überlesen werden, dann wird die Einstufung später kritisiert“, weiß Winkler. Ein ähnliches Phänomen beobachtet der Leiter der Bergrettung bei den Warnschildern neben den Pisten. Wenn diese den ganzen Winter angebracht sind, werden sie viel weniger wahrgenommen, als wenn sie nur zeitweise aufgestellt werden.
Ernst Winkler will aber noch einmal deutlich machen, wie wichtig die Zeit für das Überleben eines Verschütteten ist: „Wenn man alleine unterwegs ist und beobachtet, wie eine Lawine jemanden verschüttet, dann sollte man zu allererst den Verschütteten lokalisieren und befreien. Sollten weitere Personen zugegen sein, können diese den Notruf verständigen. Wichtig ist aber, den Verschütteten aus den Schneemassen zu befreien.“
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