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„Die Fleißigen werden bestraft“

Olav Lutz, Wohnbauexperte und stellvertretender Landesvorsitzender des KVW, berichtet von den krassen Auswirkungen der EEVE in der Wohnbauförderung. Und warum er über den neuen Gesetzentwurf nur den Kopf schütteln kann.

Tageszeitung: Herr Lutz, ist die EEVE (Einheitliche Einkommens- und Vermögenserklärung) in der Wohnbauförderung gerecht?

Olav Lutz: In gewissen Dingen ist sie gerecht, in anderen ist sie ungerecht. Problematisch ist etwa, dass Vermögen über 100.000 Euro zu 20 Prozent zum Einkommen dazugezählt wird. Das macht brutal viel aus. Ein Reihenhaus beim geförderten Bauland kostet 350.000 bis 400.000 Euro. Wie will man ohne Ersparnisse von 150.000 Euro einen Kredit bei der Bank kriegen? Aber sobald jemand 150.000 Euro beiseite hat, wirkt sich dies massiv auf die Einkommensstufe aus und man riskiert, von der Förderung hinauszufallen.

Das macht gleich so viel aus?

Ja, und das ist schon krass. Auf der anderen Seite: Wenn ein Gesuchsteller eine Betriebsimmobilie mit einem Wert von einer Million Euro hat, wird diese nicht mitgezählt. Wer hingegen etwa das nackte Eigentum einer Immobilie hat, dem wird die Immobilie als Nicht-Erstwohnung gewertet. Somit erhöht sich der wirtschaftliche Faktor und man riskiert hinauszufallen. Aufgrund dieser Geschichten ist die EEVE anzuschauen. Es kann nicht sein, dass ehrliche Leute, die jahrelang angespart haben, durch den Raster fallen. Die Fleißigen werden bestraft. Die Einkommensstufe ist aber nur ein Aspekt – der andere ist die Punkteregelung.

Inwiefern?

Die Punkteregelung ist eine der brutalsten Neuerungen. Für den Kauf einer Erstwohnung muss man mindestens 20 Punkte haben, für den Neubau 23. Ein junger Mensch muss zuerst heiraten und Kinder kriegen, um die Chance auf einen Förderbeitrag zu haben. Das Blöde ist: Wenn man dann ein höheres Einkommen hat, fregiert es einen erst recht, weil man trotz Kinder wieder unter 23 Punkte fallen kann. Die Punkteregelung ist eine massive „fregatura“. In den letzten fünf Jahren gab es regelmäßig Neuerungen, über die man nur den Kopf schütteln muss.

Es fallen immer mehr Menschen aus der Förderung?

Klar. Das Raster ist sehr eng gemacht worden. Krass ist auch: Hat man viel verdient, hat man zu wenig Punkte. Hat man wenig verdient – etwa weil man in den letzten zwei Jahren studiert hat oder ein Elternteil die eigenen Kinder betreut hat –, kommt das Paradoxe: Man erreicht das Lebensminimum nicht bzw. dieses ist so niedrig, dass man keinen Kredit aufnehmen kann. Nimmt man einen höheren Kredit auf als das Land vorschreibt, kriegt man keinen Beitrag bzw. muss diesen zurückbezahlen. Das Land schaut sich nämlich nur die letzten beiden Jahre an, während eine Bank die nächsten 20 Jahre berücksichtigt. Man darf also nicht viel und nicht wenig verdienen – und die Eltern müssen einem halbwegs Geld geben, damit man die Investition stemmen kann. Beim geförderten Wohnbau hat nur mehr derjenige eine Chance, der von daheim aus Geld kriegt. Selber ansparen kann man nicht, weil man dann in der Einkommensstufe rausrutscht.

Die Sparsamen sind die Deppen – und wer in Saus und Braus lebt und von den Eltern Geld kriegt, wird belohnt?

Genau. Gut dran ist auch ein Selbständiger, der sein Einkommen ein bisschen steuern kann. Zudem wird Immobiliarvermögen im Gegensatz zu angespartem Vermögen nicht gewertet. Das versteht kein Mensch.

Sie kritisieren auch den Entwurf des neuen Wohnbauförderungsgesetzes scharf…

Mit der Reform kommt das zinslose Darlehen als Alternative zum Beitrag wieder. Das hat kein Mensch mehr genommen, weil es sich nicht auszahlt. Es zahlt sich erst bei einem durchschnittlichen Zinssatz von neun Prozent aus. Momentan sind wir bei unter zwei Prozent. Man fragt sich, was das soll.

Man hat nichts davon?

Nein. In den letzten zehn Jahren haben auch nur eine Handvoll Leute das zinslose Darlehen genommen. Jetzt bringen sie es wieder. Und das ist leistbares Wohnen? Die nächste Sache ist, dass die geförderte Nettowohnfläche beim Kauf einer zu fördernden Wohnung von 110 auf 130 Quadratmeter erhöht wird. Das lässt jeden normalen Häuslebauer staunen. Solch große Wohnungen kosten gleich mal über 500.000 Euro. Wer sich das leisten kann, braucht keine Landesförderung. Gleichzeitig werden die Maße einer „geeigneten Wohnung“ reduziert. Somit soll eine vierköpfige Familie angehalten werden, in einer 66-Quadratmeter-Wohnung zu bleiben, während sich jemand mit einem Sponsoring der Eltern eine Villa mit 130 Quadratmeter kaufen kann und noch einen Beitrag dazubekommt. Das nächste ist die Sozialbindung…

…die auf 20 Jahre erhöht wird.

Früher waren es bereits 20 Jahre, bis sie das Land vor zwei Jahren auf zehn Jahre reduzierte. Und jetzt sollen es wieder 20 sein? Wissen die bald, was sie wollen? Bei Förderungen in der Landwirtschaft etwa besteht die Verpflichtung von zehn Jahren. Bei den ganzen Dingen gibt es einfach kein Konzept. Für wen ist das Wohnbauförderungsgesetz eigentlich gemacht? Ist es eine soziale Maßnahme oder eine Förderung für die Wirtschaft und eine Spielwiese diverser Interessensverbände? Ich tippe auf das zweite.

Von leistbarem Wohnen keine Spur?

Mit solchen Änderungen nicht. Vor allem junge Menschen haben keine Chance. Und viele Menschen warten jahrelang, bis eine Gemeinde gefördertes Bauland ausweist. Ist es endlich soweit, ändern sich die Regeln und man ist mit dem Einkommen zu hoch. Super: 60.000 Euro in den Wind geschossen. Wer es sich leisten kann, kein Problem. Andere dürfen aber gar nicht mittun, wie ich einen Fall hatte.

Braucht es die aktuelle Reform überhaupt?

Eine Reform wäre es, die Punkteregelungen zu überdenken. Wenn ich zu wenig Punkte habe, soll der Beitrag geringer sein, aber nicht gleich null. Es kann passieren, dass jemand wegen 100 Euro unter die Mindestpunktezahl rutscht und somit 30.000 Euro – bzw. 60.000 bei einer Familie – versemmelt. 10.000 Euro weniger würde man ja verkraften. Aber wenn man mit 60.000 rechnet und dann nichts bekommt, gerät man in große Schwierigkeiten. Die EEVE ist in gewissen Sachen nicht schlecht – aber die Frage ist, ob sie gerecht ist. Es traut sich keiner, irgendwo anzusetzen, weil dann gewisse Verbände auf stur stellen. Von unseren Vorschlägen finde ich im Gesetzentwurf nichts.

Sie kennen konkrete Fälle, bei denen der Beitrag plötzlich futsch war?

Ja, es gibt mehrere Fälle, bei denen das Einkommen aufgrund der steuerlichen Absetzbarkeit von Sanierungsarbeiten (die TAGESZEITUNG berichtete) oder aufgrund der Ersparnisse über 100.000 Euro zu hoch war. In einem Fall hatte ein verheiratetes Paar 160.000 Euro für einen Wohnungskauf angespart. Um Depotkosten zu sparen, hatte man entschieden, das Geld auf ein Konto zu tun. Nun waren die 160.000 Euro auf den Ehemann geschrieben, sodass sie durch die EEVE-Neuregelung hinausfielen. Aus einem Beitrag von 42.000 Euro wurden null Euro. Hätten sie das gewusst, hätten sie die 160.000 auf zwei Konten aufgeteilt. Es handelt sich um einen normalen Arbeiter, der hart arbeiten musste, um das Geld anzusparen. Bei den ganzen Steuern, die er über die ganzen Jahre gezahlt hat, hätte er jetzt einmal im Leben eine Wohnbauförderung kriegen können. Das Ansparen darf nicht bestraft werden. Ein anderes Problem sehe ich bei der Sprachgruppenzugehörigkeitserklärung.

Inwiefern?

Viele kriegen keinen Beitrag, weil sie die Erklärung nicht gemacht haben. Die Jugendlichen wissen mit 18 Jahren nicht, was die Auswirkungen sind. Eine Gemeinde sagte mir, man schätze, dass fast 50 Prozent der Jungen die Erklärung nicht gemacht haben. Da kommt die Welle erst. Wenn man die Erklärung nachträglich macht, ist sie erst nach 18 Monaten gültig. Bei einem Kaufvertrag muss man das Gesuch aber nach sechs Monaten eingereicht haben. Krass ist, dass ein Nicht-EU-Bürger die Erklärung bei einem Ansuchen hingegen gar nicht braucht.

Sie sagen, dass immer mehr Menschen keine Wohnbauförderung erhalten. Hat das Land insgesamt auch entsprechend weniger Geld ausbezahlt?

Es wurde wegen der Sparmaßnahmen im Wohnbaubereich schon weniger Geld ausgegeben. Und wenn weniger Geld da ist, muss man sich eben Kriterien schaffen, damit einige hinausfliegen. Aber dann soll man die Beiträge bitteschön reduzieren und nicht wegen ein paar Cent über der Einkommensgrenze gar nichts mehr zahlen. Früher hat man einfach einen geringeren Beitrag gekriegt. Eine kleine Hilfe war er somit trotzdem. Die Alles-oder-Nichts-Regelung hat brutale Auswirkungen.

Interview: Heinrich Schwarz

Foto(s): © 123RF.com und/oder/mit © Archiv Die Neue Südtiroler Tageszeitung GmbH (sofern kein Hinweis vorhanden)

Kommentare (15)

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  • andreas

    Ich würde das Interview wiederholen, wenn Herr Lutz sich etwas beruhigt hat.
    „fregiert“, „fregatura“ und in den Wind geschossen sind nicht unbedingt sachliche Aussagen.

    Auch folgender Satz hat Stammtischniveau.
    „Bei den ganzen Steuern, die er über die ganzen Jahre gezahlt hat, hätte er jetzt einmal im Leben eine Wohnbauförderung kriegen können.“

  • florianegger

    Ein kompetenter Mann, der die Materie sehr gut kennt, da tatöglich damit konfrontiert. Dies kommt beim Interview nur ansatzweise rüber. Meistens wurde das Ersparte bereits einmal versteuert, dies sollte reichen. Sollte auch bei Renten ua. gelten

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