Vom Hotel zum Hof
Der Entwurf zum neuen Landesgesetz für Raum und Landschaft enthält einen höchst zweifelhaften blinden Passagier: Zu geschlossenen Höfen, die als Gastbetriebe genutzt wurden, kann eine neue Hofstelle errichtet werden. Ein Bauboom wäre garantiert.
Von Thomas Vikoler
Das neue Landesgesetz für Raum und Landschaft (Ex-Urbanistikgesetz) ist wahrlich ein work in progress. Am 9. Oktober hatte die Landesregierung den Gesetzentwurf genehmigt. Inzwischen, am 28. Dezember, folgte ein weiterer Beschluss mit einer neuen Textversion. Diese ist erheblich länger ausgefallen als die erste, was zeigt, dass in den vergangenen Monaten eine Vielzahl von Änderungen angebracht wurden.
Während die erste Version 96 Seiten umfasste, sind es in der jüngsten nicht weniger als 124.
Und die haben es teilweise in sich. Zum einen wird in einem Anhang genau definiert, für welche baulichen Eingriffe eine landschaftsrechtliche, eine Baugenehmigung oder eine Betriebsbeginnmeldung notwendig sind. Zum anderen wurden Artikel um eine Reihe von neuen Absätzen ergänzt.
So wie Artikel 102, Übergangsbestimmungen. Enthielt dieser in der Version vom Oktober acht Absätze, sind es im Beschluss von Ende Dezember deren 13 und als blinde Passagiere zum Gesetzentwurf zu betrachten, die laut dem zuständigen Landesrat Richard Theiner die Zersiedelung eindämmen soll.
Einer davon, Absatz 12, ist besonders brisant.
Er soll das möglich machen, was bei vorangegangenen Überarbeitungen des Urbanistikgesetzes stets abgeblockt worden war: Die Errichtung von neuen Hofstellen zu geschlossenen Höfen, die im Laufe der Zeit zu Hotels bzw. Gastbetrieben wurden.
Eine bizarre Umkehrung einer Entwicklung, die in den 1950iger und 1960iger Jahren ihren Ausgang nahm: Bauernhöfe im damals touristisch unterentwickelten Südtirol wurden zu Garnis und Hotels ausgebaut, blieben formell aber geschlossene Höfe. Einen Bauleitplan gab es damals bekanntlich nicht.
Ein Fall ließ diese Typologie im vergangenen Jahr anschaulich werden: Das Luxushotel Rosalpina in St. Kassian, zu dem die Gemeinde Abtei die Errichtung einer neuen Hofstelle erlaubte. Zwar ist diese Causa rechtlich etwas anders gelagert als jene der geschlossenen Höfe, auf die Artikel 102, Absatz 12 im Gesetzentwurf Bezug nimmt – im Grunde geht es aber um dieselbe Fragestellung: Wie wird in baurechtlicher Hinsicht aus einem Bauern, der zu einem Hotelier wurde, wieder ein Bauer?
Die Frage dürfte sich vor allem in jenen Fällen stellen, wo der Jung-Hotelier inzwischen die Führung des Hotels übernommen hat, während der Senior-Chef wieder gern den Bauer machen würde, der er einmal war.
Der entsprechende Passus im Gesetzentwurf ist – wohl bewusst und nach der bekannten krypto-legislativen Tradition auf diesem Gebiet – umständlich und negativ formuliert, um die tatsächlichen Absichten zu verschleiern.
Der Text im Wortlaut:
„Im Sinne dieses Gesetzes gilt Baumasse, egal mit welcher Zweckbestimmung, die am 01.01.2000 tatsächlich für die Ausübung gastgewerblicher Tätigkeit genutzt wurde, mit Baumasse mit Zweckbestimmung laut Artikel 23 Absatz 1 Buchstabe d) gleichgestellt. Sofern die Anwendung dieser Regel eine Verringerung der Baumasse mit Zweckbestimmung Wohnen an der Hofstelle des geschlossenen Hofes bewirkt, ist die Errichtung von neuer Baumasse mit der Zweckbestimmung Wohnen an der Hofstelle laut Artikel 36 Absatz 5 nur zulässig, wenn die Voraussetzungen für die Neubildung eines geschlossenen Hofes gegeben sind.“
Der Stichtag für betroffene Eigentümer von geschlossenen Höfen, die zu Hotels wurden, ist also der Beginn des neuen Jahrtausends. Wer bis dahin auf einem geschlossenen Hof eine gastgewerbliche Tätigkeit ausübte (und damit das Wohnvolumen der Hofstelle verringerte), kann eine neue Hofstelle errichten, sofern er die Voraussetzungen für eine Hofschließung erfüllt.
Die Kriterien dafür wurden jüngst mit einem Gesetzentwurf zum Höfegesetz neu definiert, der nun vom Landtag genehmigt werden soll.
Der Südtiroler Bauernbund (SBB), der sich zuletzt stark um die gänzliche Streichung des sogenannten Wertausgleichs aus dem neuen Gesetz für Raum und Landschaft bemühte (bisher ohne Erfolg), zeigte sich wenig begeistert über Artikel 102, Absatz 12. Denn mit der Schließung eines Hofes ist, immer laut Urbanistik-Gesetzentwurf, die Errichtung von 1.500 Kubikmetern Wohnkubatur verbunden. Der Bauernbund hatte eine Erhöhung der Höchstkubatur von derzeit 1.200 Kubikmetern erwirkt.
Die Befürchtung ist, dass aufgrund des Passus nun landesweit Hunderte neue Höfe entstehen – betrieben von Alt-Hoteliers oder ihren Söhnen, die mit der Landwirtschaft nicht viel auf dem Hut haben. Deshalb gab es bereits den Vorschlag, die Höchst-Wohnkubatur für diese Fälle auf 750 Kubikmeter zu beschränken.
Wie viele geschlossene Höfe/Hotels von der Bestimmung Gebrauch machen könnten, ist schwer abzuschätzen.
Insbesondere im Burggrafenamt und im Überetsch ist die Zahl der Gastbetriebe, die bis zur Jahrtausendwende aus Bauernhöfen hervorgingen, erheblich.
Sollte der Passus so genehmigt werden, wäre eine zusätzliche Zersiedelung der Landschaft jedenfalls garantiert. Und voraussichtlich die Schaffung von neuen Gästebetten.
Diesmal mit Urlaub auf dem Bauernhof.
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Kommentare (11)
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tiroler
Ein Vortei für alle! Die Hofstellen dürfen gebaut werden. Es wird Arbeit geschaffen für das Baugewerbe. Es werden auch mehr Steuern bezahlt um die ganzen Landes und Gemeindebediensteten durchzufüttern.
leser
tiroler
welche steuern werden da bezahlt, ein bauernhof ist doch steuerfrei, da gibt es doch lediglich einen ertragswert, oder verstehe ich da etwas nicht
vielleicht solltest du mal prüfen welchen steuernaufwand die hotels gemacht haben, die fast ausnahmslos aus landwirtschaftlichen grundbuchlagen entstanden sind
so wertvoll unsere bauernhöfe und hotels für südtirol gepredigt werden, dass sie zahlreiche privilegien genutzt haben, darf man auch nicht wegreden
zumindest macht man den leuten jetzt ein weiteres geschenk und einigen findigen spekulanten einen neuen weg auf
george
Das sind die „unverschuldet Verschuldeten“, denen man solche Gesetzestexte widmet. War schon so und bleibt so, Herr Theiner u. co. Sie versprechen eine einheitlichere und ausgeglichene klare Vorgangsweise und schreiben ins Gesetz etwas anderes, wo wiederum verschiedenste Interpretationen möglich sind, zumindestens für jene, die genug Geld haben gefuchste Advokaten einzusetzen.
Ich sehe von Quallität an diesem neu aus Raumordnung und Umwelt zusammengewürfeltenGesetz, das hinter den Kulissen doch wiederum im letzten Moment hunderterlei Ausnahmeregulungen als blinde Passagiere einschiebt, recht wenig.
leser
ja das ist so da genügt ein blick auf die namen der berater für die neuen texte zum raumordnungsgesetz