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„… dann wird es gefährlich“

Bauernbund-Direktor Siegfried Rinner erklärt, warum Stadtmenschen mehr Sympathien für Wolf und Bär haben als Bauern. Und: Was die Politik tun muss.

TAGESZEITUNG Online: Herr Rinner, 2017 war in Südtirol auch das Jahr der Großraubtiere. Ist das Thema Wolf und/oder Bär ein tatsächliches, oder nur ein gefühltes Problem?

Siegfried Rinner: Bär und noch mehr der Wolf sind wirkliche Probleme. Beim Wolf sind wir erst am Beginn und hier gilt mehr denn je: wehret den Anfängen! Der Wolf wird die Berglandwirtschaft und insbesondere die Almwirtschaft mit ihrer Weidehaltung unmöglich machen. Herdenschutz wird nur in den wenigsten Fällen funktionieren und zudem kann man diese Last den Bergbauern nicht auch noch aufbürden. Wir werden vieles von dem was uns wichtig ist verlieren. Und wofür? Weil Einige partout eine flächendeckende Präsenz des Wolfes wollen und auf Kosten der Allgemeinheit und der Berglandwirtschaft ihre realitätsfremde Naturromantik leben wollen, ohne direkt davon betroffen zu sein. Es gibt derzeit schon 20.000 Wölfe in Europa und eine flächendeckende Verbreitung macht nicht nur keinen Sinn, sondern wird unsere gewachsene Kulturlandschaft zerstören.

Wie erklären Sie sich die Tatsache, dass die Stadtbevölkerung eher Sympathien für Wolf und Bär hat, währenddem die Landbevölkerung für eine – um es nobel auszudrücken – ehe härtere Gangart ist?

Der Unterschied liegt in der direkten Betroffenheit. In der Stadt ist der Wolf noch weit weg. Am Land sind die Berg- und Almbauern direkt davon betroffen. Die Menschen am Land haben einen direkteren Bezug zum bäuerlichen Leben und auch zu den Schwierigkeiten am Berg. Die Menschen in der Stadt sehen den Wolf vielfach als Inbegriff der wilden Natur, als Symbol für den Naturschutz und Artenvielfalt. Aber der Wolf hat recht wenig mit Naturschutz und Artenvielfalt zu tun.

Um bei diesem Aspekt zu bleiben: Wie würden Sie einem Stadtmenschen die Leiden eines Bauern erklären, dem ein Wolf Dutzend Schafe reißt?

Es geht um den wirtschaftlichen und um den emotionellen Schaden. Ich möchte keinen Vergleich zwischen einem Haustier in der Stadt und Schafen ziehen. Nehmen wir doch etwas anderes: ihr geliebtes Auto. Jemand besprüht kunstvoll ihr Auto. Sie wissen wer es war, aber niemand unternimmt etwas. Stattdessen sagt man ihnen: Das ist die Freiheit der Kunst, bringen sie ihr Auto doch in die Garage! Ok, sie tun es, aber auch dort wird ihr Auto beschädigt. Dann sagt man Ihnen: Ok, sie müssen ihr Auto halt noch besser schützen. Die Versicherung zahlt zwar, aber sie verlieren langsam den Glauben an Gesetz, Verwaltung und Politik. Und sie fragen sich zu recht: was zum Teufel hat das mit Kunst und Freiheit zu tun? Und was hat der Wolf in unserer Kulturlandschaft mit Natur und Freiheit zu tun? Nichts!

War es ein Fehler, die Bären in der Region wieder anzusiedeln?

Foto: 123RF

Mit dem Projekt Life Ursus wollte man die letzten und alten Bären im Adamello-Gebiet retten. Nun, diese Bären sind ausgestorben. Die Rettung hat nicht geklappt. Die Chance, dass diese Blutauffrischung klappen würde, war minimal. Insofern war es ein Fehler. Ebenso ist es ein Fehler, dass man nicht den Mut aufbringt die Population, welche nun überlebensfähig ist, zu bejagen und zwar beginnend bei jenen Bären, die Schäden anrichten.

Wäre es denn möglich, dieses Life-Ursus-Wiederansiedlungsprojekt wieder rückgängig zu machen?

Auch der Bär ist geschützt. Das Projekt kann nicht rückgängig gemacht werden, aber es kann eingegrenzt werden. Tiere müssen entnommen werden, wenn sie Weidetiere reißen.

Wie gefährlich sind Bären wirklich?

Wir haben bereits Erfahrungen im Trentino. Leider muss immer etwas Gravierendes passieren, bevor gehandelt wird.

Und Wölfe?

Wölfe sind sehr lernfähig. Wenn sie nicht bejagt werden, verlieren sie die Scheu vor dem Menschen. Außerdem steigt die Gefahr der Hybridisierung (Vermischung mit Haushunden). Und dann kann es gefährlich werden. Und wenn sie krank sind, werden sie unberechenbar.

Es ist ein offenes Geheimnis, dass das Feeling zwischen dem mächtigen Bauernbund und Landesrat Arnold Schuler anfangs nicht besonders gut war. Die Art und Weise, wie Schuler die Bären- und Wolf-Geschichte gemanagt hat, wurde im Bauernbund goutiert. Welche Note würden Sie „Ihrem“ Landesrat in der Wolf- (und in der Pestizid-)Geschichte geben? Und welche Note insgesamt?

Es gibt keine Noten, denn die Schule haben wir alle lange schon hinter uns gelassen. Aber der Bauernbund tauscht sich mit dem Landesrat aus und beide lernen wir tagtäglich dazu. Wenn wir uns die Probleme im Alpenraum und darüber hinaus ansehen, so wird klar, dass beim Wolf Naturromantik keinen Platz hat. Der Landesrat sieht das genauso; einige Beamte weniger.

Zurück zum Thema Großraubtiere: Ist ein Nebeneinander zwischen Großraubtieren und der Südtiroler Landwirtschaft überhaupt möglich?

Foto: 123RF.com

Beim Bär vielleicht. Beim Wolf sehe ich schwarz. Die Naturschutzpolitik war sehr erfolgreich, sonst wären wir jetzt nicht in dieser Lage. Jetzt gilt es, auch die andere Seite der Medaille zu sehen: wir brauchen gezielte Abschüsse, um die Großraubtiere scheu zu halten und Schäden zu minimieren. Es wird ein langer und steiniger Weg, um die internationalen und nationalen Bestimmungen mit mehr Hausverstand auszustatten. Ob die Berg und Almbauern diese Geduld aufbringen, wage ich zu bezweifeln.

In Italien sind die Tierschützer sehr mächtig. Glauben Sie, dass ein Gesetz, das die Möglichkeit einer Entnahme von Großraubtieren vorsieht, in Italien mehrheitsfähig ist?

Tierschutz ist im Kommen. Einige Parteien machen damit kräftig Wahlwerbung. Bei den Bildern und Filmen der gerissenen Schafe, Rinder und Pferde, gehen Ihnen aber bald die Argumente aus. Für die Entnahme braucht es kein neues Gesetz, sondern eine vernünftige Umsetzung der internationalen und europäischen Richtlinien. Die Schweiz macht es uns vor: dort kann ein Wolf, der mehr als 25 Schafe reißt, geschossen werden. Das wäre ein Anfang.

Interview: Artur Oberhofer

Foto(s): © 123RF.com und/oder/mit © Archiv Die Neue Südtiroler Tageszeitung GmbH (sofern kein Hinweis vorhanden)

Kommentare (33)

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  • heinz

    Was dringend geändert werden müsste, sind die erlaubte Viehstückzahl pro Bauer und Fläche. Die Wiesen und Felder werden alljährlich mit Gülle überschwemmt, dass nichts mehr wächst außer Löwenzahn und das soll Naturschutz sein? Tausende Schafe werden auf die Almen getrieben, von niemanden und nichts beaufsichtigt und das Problem sollen drei Wölfe sein? Wer verschiebt denn permanent das Gleichgewicht der Natur? Wieviele Wildtiere werden täglich von Autos getötet?

  • heinz

    @einereiner
    Meine Vorfahren haben noch auf ihr Vieh aufgepasst. Und wenn Herdenschutzmaßnahmen zu teuer sind, muss man die Almbewirtschaftung halt bleiben lassen. Übrigens hat Tourismus und Almwirtschaft nur indirekt was miteinander zu tun, sonst gäbe es beispielsweise in den Rocky Mountains auch keinen Tourismus…

  • heinz

    @einereiner
    Wer keinen blassen Schimmer hat, bist du. Wenn die Bewirtschaftung der Almen schon so bedeutend für den Tourismus ist, wird es auch kein Problem sein, Herdenschutzmaßnahmen zu finanzieren. Das ist eine einfache Rechnung, jedoch bei weitem zu viel für deine Intelligenz

    • robby

      @ heinz, den einereiner könnten wir doch als Schafhirten auf eine Alm schicken? Allzuteuer dürfte das nicht werden. Dazu einen Herdenschutzhund der auf ihn aufpasst damit er sich nicht verläuft.

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