Abgeblasene Kandidatur
Erstmals seit 21 Jahren treten die Freiheitlichen nicht zu den italienischen Parlamentswahlen an. Warum an der verpatzten Kandidatur nicht nur die SVP schuld ist – und man in der Fraktion Bauchweh mit dieser Entscheidung hat.
Von Matthias Kofler
Bei der 25-Jahr-Feier der Freiheitlichen zeigte sich Andreas Leiter Reber noch kampfeswillig: Die SVP werde sich bei den Parlaments- und Landtagswahlen „warm anziehen müssen“, tönte der Neo-Obmann auf der Versammlung in Marling.
Wenige Wochen später folgte der Paukenschlag: Die Freiheitlichen gaben überraschend bekannt, am Urnengang Anfang März nicht teilzunehmen. Grund dafür sei vor allem das neue Wahlgesetz, das sich die SVP auf den eigenen Leib geschneidert habe. Dieses Gesetz sei „schlimmer als in der Türkei“, echauffierte sich der Parteiobmann. Und die Fraktionschefin im Landtag, Ulli Mair, sekundierte: „Es wäre sinnlos rausgeschmissenes Geld gewesen, wenn wir ohnehin keine Chance auf ein Mandat gehabt hätten.“
Für viele Basis-Funktionäre kam die Entscheidung der neuen Freiheitlichen-Führung, die Parlamentswahlen sausen zu lassen, aus heiterem Himmel. Sie haben davon erst aus den Zeitungen erfahren. Auch die Landtagsabgeordneten gingen bis zum Schluss davon aus, dass die Blauen in den Ring steigen würden.
Immerhin sind die Parlamentswahlen am 4. März die ersten seit 1996 (also seit 21 Jahren!), die ohne die Freiheitlichen stattfinden werden.
Offen traut sich keiner der sechs Mandatare im Hohen Haus, die Entscheidung des Obmanns in Frage zu stellen. Sie begründen ihr Schweigen damit, dass intern vereinbart worden sei, dass nur der Obmann und der Generalsekretär zu den Parlamentswahlen Stellung nehmen dürfe.
„Wir sind alle überrascht“, sagt ein Abgeordneter und fügt ergänzend hinzu, dass er „Bauchweh mit dieser Entscheidung“ habe. Immerhin überlasse man das Feld nun ganz der SVP und den Grünen.
Hinter vorgehaltener Hand wird darauf hingewiesen, dass es der neue Vorstand verabsäumt habe, die Landtagsfraktion rechtzeitig in die Vorbereitungsarbeiten für die Parlamentswahlen miteinzubeziehen. Insgesamt scheinen der Obmann und die Abgeordneten noch nicht richtig eingespielt zu sein. Das Wahlgesetz, mit dem das eigene Fernbleiben begründet wird, dient eher als Ausrede, um nun das eigene Scheitern – insbesondere bei der Kandidatenfindung und bei den Gesprächen über eine Zusammenarbeit mit der Lega und der Süd-Tiroler Freiheit – zu kaschieren. Denn bis spätestens 21. Januar hätten die Freiheitlichen landesweit 750 Unterschriften sammeln müssen, um überhaupt antreten zu dürfen. Dafür hätten aber schon vorher die Kandidaten feststehen müssen.
Das Problem: Die sechs Landtagsabgeordneten standen für eine Kandidatur nicht zur Verfügung, und auch die neuen Köpfen im Vorstand wollten ihre Energien (und die finanziellen Ressourcen) lieber für die Landtagswahlen im November aufsparen.
Vor fünf Jahren war das noch anders: Obwohl das Wahlgesetz damals noch restriktiver als heute war (mittlerweile braucht man „nur“ mehr einen Einer-Wahlkreis gewinnen, um ein Ticket nach Rom zu ergattern), erklärten sich 2013 mit Sigmar Stocker und Pius Leitner gleich zwei namhafte Abgeordnete für eine Kandidatur bereit. Die Freiheitlichen erreichten bei den anschließenden Wahlen ein Super-Ergebnis von 16 Prozent.
Ob die Blauen dieses Mal erneut so erfolgreich abgeschnitten hätten, ist schwer zu sagen. Noch immer wiegen der Renten- und Penisring-Skandal schwer. Ein erneutes Fiasko wie bei den Europawahlen 2015, als die Grüne Oktavia Brugger dreimal so viele Vorzugsstimmen wie Pius Leitner ergattern konnte, wollten sich Leiter Reber und Co. unbedingt ersparen. Immerhin stehen im Herbst die Landtagswahlen an.
Es ist ein offenes Geheimnis, dass der Neo-Obmann nie sonderliche Interessen für die Parlamentswahlen zeigte. Auch die Sondierungsgespräche sei er nur halbherzig angegangen, heißt es vonseiten der Lega. In der Carroccio-Zentrale in Mailand soll schon Anfang Dezember die Losung ausgegeben worden sein, die Gespräche mit den Freiheitlichen auf Eis zu legen, da diese ohnehin nicht in einem gemeinsamen Bündnis antreten würden.
Nun kann sich der neue Obmann voll auf die Mission im Herbst konzentrieren. Noch im Januar, so kündigte Leiter Reber vor ein paar Wochen an, wolle er landesweit neue Ortsgruppen gründen. Ein politischer Mitwerber kommentiert diese Ankündigung augenzwinkernd: „Das wäre dann mal was Neues, denn bislang hat er vor allem haufenweise WhatsApp-Gruppen gegründet.“
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Kommentare (6)
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andreas
Da haben sich die Alten Neue ins Boot geholt, welche die Alten gerade aus dem Boot kippen wollen, amüsant zuzusehen, wie sich die Freiheitlichen gerade das eigene Grab schaufeln.
josef.t
wenn man in Rom vertreten wäre, müssten so manche „Sprüche“
unterlassen werden ?