„Perverser Mechanismus“
Die Grünen sehen die Doppelte Staatsbürgerschaft als Gefahr für das friedliche Zusammenleben in Südtirol
(arob) Die Grünen haben „nicht grundsätzlich“ etwas gegen die Doppelstaatsbürgerschaft. Schon heute, so heißt es in einem Positionspapier, leben in Europa Tausende von Menschen, die eine doppelte Staatsbürgerschaft besitzen. Diese Einzelpersonen hätten den Doppelpass aus geschichtlichen oder familiären Gründen erhalten, und zwar im Kontext einer Europäischen Union, deren innere Grenzen ständig überschritten wurden.
„Unser Einwand richtet sich gegen die Übertragung dieses individuellen Rechts auf ein eingegrenztes Kollektiv, im spezifischen Fall die deutsche und ladinische Bevölkerung Südtirols“, so die Grünen. Damit werde eine Rechtsungleichheit zu den restlichen, vielfach seit langem im Lande lebenden SüdtirolerInnen geschaffen.
Das Recht auf die doppelte Staatsbürgerschaft wäre auf zwei Personengruppen eingeschränkt, weil begründbar:
- a) Auf Personen, die nachweisen können, VorfahrInnen in Südtirol (gehabt) zu haben, die zum Zeitpunkt der Abtrennung Südtirols von Österreich österreichische StaatsbürgerInnen waren (Begründung durch Abstammung).
- b) Auf Personen, die der deutschen oder ladinischen Volksgruppe angehören (Begründung durch die Schutzmachtfunktion Österreichs für diese beiden Gruppen).
Im Detail würde dies zu einer Vielzahl von Problemen führen, befürchten die Gründen – und listen diese auf: Wer kann nachweisen (und wie), dass seine/ihre Vorfahren einmal BürgerInnen des österreichischen Staates vor 1919 waren, wenn in unseren Gemeinden erst ab 1922 Standes- und Meldeämter geführt werden? Sollen also wieder Ahnenpässe über die Taufbücher der Pfarrarchive eingeholt werden?
Wer ist der deutschen und ladinischen Sprachgruppe zugehörig? Denkt man zum Nachweis an die Sprachgruppenzugehörigkeitserklärung? Was ist mit den Zwei-, Mehr- und Anderssprachigen im Lande?
Die Grünen befürchten eine „fortschreitende Marginalisierung der italienischen SüdtirolerInnen“. Gewiss würden nicht viele ItalienerInnen den Wunsch hegen, österreichische StaatsbürgerInnen zu werden. „Aber allein die bloße Tatsache, darauf keinen Anspruch zu haben, wird Benachteiligungsgefühle entstehen lassen“, so die Grünen.
Kritik üben die Grünen an den deutschen Rechtsparteien, die mit dem Doppelpass provozierten. „Mit der vordergründigen Berufung auf das historische Unrecht, das zweifelsfrei an Südtirol begangen wurde, wird ständig am kollektiven Selbstwertgefühl der italienischen Südtiroler gesägt“, so die Grünen. Jegliche Identifikation mit Italien werde als Nationalismus etikettiert und beanstandet. Dieses kontinuierliche Herumstochern habe zu einem Wettlauf der Benachteiligung und zum Kampf um die Opferrolle zwischen der deutschen und italienischen Volksgruppe geführt. Ein, wie die Grünen finden, „perverser Mechanismus“.
Die Grünen haben auch darüber nachgedacht, was passierten könnte, wenn viele oder nur wenigen Südtiroler den Doppelpass beantragen.
„Wenn sehr wenige deutsche und ladinische SüdtirolerInnen um den österreichischen Pass ansuchen, könnte Rom dann annehmen, dass die Verbindung zu Österreich mittlerweile an Bedeutung verloren hat; die Schutzmachtfunktion könnte sich schwächen. Hingegen würde eine Kampagne zugunsten massiver Ansuchen um den Doppelpass die deutsche Sprachgruppe in Spaltung und Bedrängnis bringen. Ferner könnte ein Ansturm um die österreichische Staatsbürgerschaft die Beziehungen zu Italien verhärten und dem weiteren Ausbau der Autonomie alles andere als dienlich sein.“
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Kommentare (20)
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imago
Endlich wieder einmal ein Thema in den Medien die Gemüter aufzubringen wobei die grosse Mehrheit der Südtiroler das ganze Thema gelassen sieht und das nächste Jahr ist noch Wahljahr. Den Italienern würde mit der eventuellen Verleihung des Doppelpasses an Deutschen und Ladinern die es möchten ja nichts genommen. Hier wird von möglicher Schwächung der Schutzmachtfunktion oder einer möglichen Spaltung der Gesellschaft plädiert aber das ist ja alles Schmarrn. Mal abgesehen von einzelnen Hitzköpfen die es überall auf der Welt gibt ist die Gesellschaft in Südtirol viel weiter entwickelt als man ihr in diesem Thema zutrauen möchte.