Zeitbanken in Südtirol
Eine neue Studie zu den Zeitbanken wurde in Bozen vorgestellt. Diese Tauschsysteme könnten vor allem für junge Familien eine wertvolle Unterstützung sein.
Tauschsysteme, wie Zeitbanken, erfreuen sich in vielen Ländern der Welt immer größerer Beliebtheit.
Die Zeit wird als eine Art Währung betrachtet. Man schenkt Zeit für andere, erledigt bestimmte Aufgaben für sie, und bekommt dafür ein Guthaben an Zeit, den man zu einem späteren Zeitpunkt einlösen kann.
In Südtirol ist dieses Phänomen noch relativ jung. Obgleich es einige Schwachstellen aufweist, wie zum Beispiel die Versicherung der eingebrachten Zeit oder die mangelnde Vernetzung der bestehenden Initiativen, birgt dieses System auch hierzulande große Potentiale.
Die Ergebnisse des Forschungsprojekts „Sozialwirtschaftliche Potenziale der Zeitbanken in Südtirol“ wurden nun vom Südtiroler Genossenschaftsverband Legacoopbund im neuen Coworking-Space HUBZ in Bozen vorgestellt.
Die Studie der Genossenschaft für Forschung und soziale Innovation „Sophia“, welche von der Stiftung Südtiroler Sparkasse gefördert und von Legacoopbund im Auftrag gegeben wurde, erfasst Stärken, Schwächen und Potenziale der in Südtirol tätigen Zeitbanken. Dabei zeigt das Forschungsprojekt auch mögliche Zukunftsszenarien und Entwicklungspotenziale auf.
„In Südtirol gibt es rund 15 Zeitbanken, die auf Vereinsebene organisiert sind. Sie sind unabhängig voneinander entstanden und oft nur im jeweiligen Gemeindegebiet tätig“, erklärt der Vorsitzende von Legacoopbund Heini Grandi: „Ziel des Forschungsprojekts ist es, neue Möglichkeiten aufzuzeigen, wie diese Zeitbanken sich in Zukunft weiterentwickeln könnten. Durch die Zusammenarbeit und Fortentwicklung dieser Organisationen könnten neue Dynamiken zugunsten der gesamten Gemeinschaft entstehen“.
Vor allem für Familien könnten Zeitbanken eine nützliche Unterstützung sein. „Der verstärkte Druck in der Arbeitswelt, das erhöhte Vereinbarkeitsproblem von Frauen und Männern, sowie die Sorge und Pflege der eigenen Eltern bringt vermehrt Spannungen und Stresssituationen in die Südtiroler Familien“, so der Autor der Studie und Mitglied der Genossenschaft „Sophia“, Armin Bernhard: „Junge Familien benötigen Zeit, können aber seltener Zeit geben. Zeitbanken, welche ihre Tätigkeit auf einen regelmäßigen Austausch beschränken, erschweren die Beteiligung von Familien“.
Familien bräuchten vor allem eine größere Flexibilität in der Handhabung des Zeitkontos. Nur wenige nehmen deswegen die Dienstleistungen der Zeitbanken in Anspruch. Die meisten Zeitbanken in Südtirol machen nämlich die Erfahrung, dass sie weniger Nachfrage als Angebot haben. Es sind also vorrangig jene Personen Mitglied, welche etwas einbringen möchten.
„Zeit schenken“ über Generationen hinweg, um in Zeiten der Bedürftigkeit Unterstützung zu bekommen und sie in anderen Zeiten zu geben, Versicherung der eingebrachten Zeit, Weitergabe von Stunden über Landesteile hinweg: Dies könnten laut des Forschungsprojekts von Legacoopbund mögliche Lösungsansätze sein, um die Bedürfnisse der verschiedenen Lebenslagen zusammenzubringen und die Arbeit der Zeitbanken einfacher zu gestalten.
„Vor allem wäre eine landesweite Vernetzung der Zeitbanken sinnvoll. Dadurch könnte gewährleistet werden, dass bei Auflösung einer Zeitbank das angesparte Zeitguthaben nicht verloren geht“, betont der Autor der Studie Oscar Kiesswetter und weist auf weitere Handlungsoptionen hin: „Möglich wäre auch eine Kooperation mit anderen Initiativen der bargeldlosen Tauschwirtschaft. Mitglieder, welche Zeit einbringen, könnten dadurch anstatt Stundenguthaben vor Ort, Gutscheine mit landesweiter Anerkennung erhalten“.
Zeitbanken nutzen bürgerschaftliches Engagement zugunsten des Gemeinwohls und ermöglichen lokal-regionale Wertschöpfungsprozesse. Sie bauen auf Vertrauen, Solidarität und Gegenseitigkeit. Die Mitglieder ergreifen selbst die Initiative, um ohne öffentliche Fördermittel, Antworten auf die Bedürfnisse der Gemeinschaft zu geben.
Auch in Südtirol birgt die Fortentwicklung und Konsolidierung der Zeitbanken großes Potential. Deswegen hat es sich Legacoopbund zum Ziel gesetzt, diese Initiativen in Zukunft noch stärker zu unterstützen. Mit der Einrichtung des neuen Informationsschalters zu den Zeitbanken wird der Genossenschaftsverband Gruppen und Vereinen, welche eine Zeitbank errichten möchten oder bereits führen, bei der Umsetzung ihrer Projekte beratend zur Seite stehen.
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