Die Flughafen-Klage
Rechtsstreit um Charterflüge am Bozner Flughafen: Warum Private von der öffentlichen Hand mindestens 720.000 Euro forderten. Und welche Rolle dabei Südtiroler Wirtschaftsgrößen spielten.
von Heinrich Schwarz
Anwaltskosten können mitunter sehr hoch sein – vor allem dann, wenn sich ein Verfahren über mehrere Jahre hinzieht. So ist in der Liste der von öffentlichen Gesellschaften ausgestellten Honorare – die TAGESZEITUNG berichtete ausführlich (https://www.tageszeitung.it/2017/12/11/die-hager-millionen/) – eine hohe Zahlung an die Kanzlei „Christoph Perathoner & Partner“ zu finden: Die Südtiroler Transportstrukturen AG (STA) überwies im vergangenen Mai 29.665,58 Euro.
Hintergrund ist ein interessantes Kapitel in der Geschichte um das Millionengrab Flughafen Bozen. „Für mich war es eine Erbschaftsgeschichte“, sagt Martin Ausserdorfer, der seit wenigen Jahren Präsident der STA und damit Nachfolger von Dieter Schramm ist.
Eines vorneweg: Die STA, die zu 100 Prozent dem Land Südtirol gehört, hat das Gerichtsverfahren gewonnen und muss damit die geforderte Summe von mindestens 720.000 Euro nicht bezahlen. Auf den hohen Verfahrenskosten bleibt die STA trotzdem sitzen. Denn der Rechtsstreit ist laut Richter Simon Tschager von der STA mitverursacht worden.
Die Charterflüge
Im Jahr 2005 wurden die Gesellschaften „Alps Fly Reservation GmbH“ und „Alps Incoming Fly & Service Gmbh“ gegründet. Hinter ihnen stand das Tourismusunternehmen Falkensteiner mit einer Mehrheitsbeteiligung, Weiters der Hoteliers- und Gastwirteverband (HGV), der Landesverband der Tourismusorganisationen (LTS) und die Südtirol Marketing Gesellschaft (SMG) mit jeweils einem 10-Prozent-Anteil. Erich Falkensteiner war gesetzlicher Vertreter der einen Gesellschaft, sein Bruder Andreas stand der anderen Gesellschaft vor.
Ziel war es, ein breites Angebot an Charterflügen am Bozner Flughafen aufzubauen. Um für das Vorhaben finanziell auf soliden Beinen stehen zu können, sollte – neben dem Einstieg der Landesagentur SMG – weiteres öffentliches Geld eingesammelt werden. Eben von der STA, die beim Airport in finanziellen Aspekten immer wieder eine Rolle spielte.
Wobei: Wie die Gebrüder Falkensteiner später vor Gericht vermerkten, soll die Initiative nicht von den Privaten, sondern von der STA ausgegangen sein. So sollen die Ex-STA-Verantwortlichen Dieter Schramm (Präsident), Heinz Peter Hager (Aufsichtsratspräsident) und Klaus Kemenater (Direktor) im Jahr 2005 bei Erich Falkensteiner in Ehrenburg vorstellig geworden sein, um ihm einen Vorschlag für eine Zusammenarbeit zu machen: Die Auslastung des Flughafens solle erhöht werden. Mehr Flüge. Mehr Fluggäste. Eine bessere Erreichbarkeit Südtirols.
Im Anschluss an das Treffen wurden die beiden genannten Gesellschaften gegründet. Und von den Beratern der Parteien, Alois Volgger und Peter Malsiner – ein Kanzleikollege von Heinz Peter Hager –, wurde ein Dienstleistungsvertrag ausgearbeitet.
Doch dann der Paukenschlag: Die Falkensteiner-Brüder legten der STA den von ihnen unterschriebenen Vertrag vor – die STA unterzeichnete aber nicht, obwohl es mündliche Zusagen dafür gegeben hatte. Konkret hätte die STA bei einer Vertragsdauer von drei Jahren jährlich 240.000 Euro für die Durchführung der Charterflüge zahlen sollen – insgesamt also 720.000 Euro.
Die Klage
Während „Alps Fly“ mit den Charterflügen loslegte und auf die Vertragsunterzeichnung bzw. auf die Zahlungen wartete, machte die STA keine Anstalten, die Dienstleistungen finanziell zu vergüten. Letztendlich klagten die Gesellschaften gegen die STA. Denn das Bestehen eines „faktischen Vertragsverhältnisses“ zwischen den Parteien sei wegen der Zusagen unbestritten.
Neben der Schadenersatzforderung von 720.000 Euro plus Spesen, Zinsen usw. wurde auch eine weitere Klage aufgrund des finanziellen Schadens und des Imageschadens in den Raum gestellt.
Warum hat sich die STA plötzlich zurückgezogen und damit mit dazu beigetragen, dass die Charterflug-Pläne bereits nach wenigen Jahren wieder beendet wurden?
Gut möglich, dass das Vorhaben einer öffentlichen Mitfinanzierung von politischer Seite gebremst wurde, nachdem bereits sehr viel Geld in den Flughafen geflossen war. Vielleicht wurde es den STA-Vertretern auch selbst zu brenzlig.
Vor Gericht jedenfalls, wo die STA die Abweisung der Klage wegen Nicht-Bestehens eines rechtsgültigen Vertrages forderte, wurde ein rechtlicher Grund für die Nicht-Unterzeichnung des Dienstleistungsvertrages genannt: Als Inhouse-Gesellschaft des Landes sei man an das öffentliche Vergaberecht gebunden. Die Dienstleistungen hätten demnach über eine öffentliche Ausschreibung vergeben werden müssen. Darauf hätten die damaligen STA-Verantwortlichen gegenüber den Falkensteiner-Brüdern mehrmals hingewiesen.
Die STA, die von Rechtsanwalt Christoph Perathoner vertreten wurde, erklärte vor Gericht auch, dass im Business-Plan für den Aufbau eines Charterflug-Services in Bozen erhebliche Anfangsinvestitionen erforderlich seien, die in den ersten drei Jahren zu einem Verlust von 600.000 Euro führen würden.
Zudem sei das Charter-Geschäft letztendlich nur 2006 und 2007 „einigermaßen organisiert und beworben worden“, im Jahr 2008 aber „völlig ausgefallen“. Auch wenn es ein Vertragsverhältnis gegeben hätte, so das Argument der STA, hätte „Alps Fly“ wegen Nicht-Erfüllung keinen Anspruch auf Entgelt gehabt, da das Ziel der STA – wenn schon – gewesen wäre, einen dauerhaft funktionierenden Charterflug-Dienst am Flughafen Bozen aufzubauen.
Das Urteil
Das Verfahren am Landesgericht Bozen, das erst 2010 gestartet wurde, zog sich aufgrund mehrerer Vertagungen hin. Ein Schlichtungsversuch blieb ergebnislos.
Im Mai 2017 dann das Urteil von Einzelrichter Simon Tschager: Die Klage sei unbegründet und müsse daher abgewiesen werden.
Laut Tschager habe es keinen rechtsgültigen Vertrag gegeben. Von einem stillschweigenden Vertragsabschluss könne keine Rede sein. Das hätten die Falkensteiner-Brüder wissen müssen, nachdem der Vertragstext trotz mehrfacher Aufforderung nicht unterzeichnet wurde, meint der Richter.
Auch der Umstand, dass es sich um öffentliche Geldmittel handelte, habe die Kläger davon ausgehen lassen müssen, dass ein Vertragsabschluss nur in schriftlicher Form erfolgen würde. Für eine Inhouse-Gesellschaft des Landes sei ein stillschweigender Vertragsabschluss, also ohne Unterschrift, ohnehin nichtig.
Interessant auch ein Verweis im Urteil auf das Umfeld von Heinz Peter Hager, Ex-Aufsichtsratspräsident der STA: Die Mitteilungen von dessen Kanzleikollegen Peter Malsiner, der im konkreten Fall als Berater der STA fungierte, belegen in der Tat, dass STA-Präsident Dieter Schramm eine Unterzeichnung des Vertrages mündlich in Aussicht stellte. Das habe aber nichts mit einem rechtsgültigen Abkommen zu tun. Auch hatte Malsiner keine Entscheidungsbefugnisse. Außerdem seien die Mitteilungen von Peter Malsiner unter dem Logo der Kanzlei „Hager & Partners“ und nicht unter jenem der STA verfasst worden. Deshalb seien sie auch der Form nach nicht direkt der STA zuzuschreiben.
Die Mitschuld
Obwohl Erich und Andreas Falkensteiner eine klare Niederlage einstecken mussten, muss die STA die Verfahrenskosten selbst zahlen. Der Richter verfügte eine gegenseitige Kostenaufhebung. Denn die STA habe das Verfahren mitverursacht, indem sie mehrmals einen Vertragsabschluss in Aussicht stellte und damit bei den Gebrüdern Falkensteiner entsprechende Erwartungen weckte.
Der heutige STA-Präsident Martin Ausserdorfer, der sich mit dem „geerbten“ Rechtsstreit befassen musste, sagt: „Ich habe selbst alles überprüft. Es gab niemals eine offizielle Beauftragung an Alps Fly, sondern nur Gespräche, wie Incoming-Flüge gemeinsam forciert werden könnten, wobei die öffentliche Hand einen Teil mitfinanzieren könnte. Dass die Vertreter von Alps Fly dann dennoch aktiv wurden, kann die STA nicht verantworten. Deshalb wurde auch keine Zahlung gemacht, was schließlich die Klage zur Folge hatte. Das Urteil ist nun klar und deutlich – und die Sache für uns damit abgeschlossen.“
Ohne schriftliche Beauftragung werde kein öffentliches Geld ausgegeben, so das Credo.
Jetzt ist also ein weiteres Kapitel rund um den Flughafen, bei dem immer wieder öffentliche und private Interessen aufeinandertreffen, abgeschlossen. Ein neues Kapitel ist aber bereits in der Anfangsphase: Der Einstieg der Privaten in den Flughafenbetrieb steht an. Welche Unternehmer dabei mitmischen werden, wird sich in den nächsten Wochen und Monaten zeigen.
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Kommentare (3)
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guyfawkes
So ein langer Artikel nur wegen läppischen 30Tausend Euro Anwaltskosten („hohe Zahlung“). Wenn man die ganzen öffentlichen Gelder die im Laufe der Jahre in den Flughafen bzw den Flughafenbetrieb geflossen sind (und leider noch fliessen werden) bedenkt, dann macht das doch gar nichts aus.