Die zerstöre Krippe
Felix Steger hat vier Tage lang an einer Krippe aus Eis vor der Stiftskirche in Innichen gearbeitet. Am Donnerstag hat der Bagger die Skulptur zerstört – weil sie dem Dekan im Weg war.
von Silke Hinterwaldner
„Wenn ein Pfarrer eine schöne Krippe vor der Kirche nicht mehr haben will, dann verstehe ich die Welt nicht mehr.“ Felix Steger ist mehr als nur enttäuscht. Er hat vor einigen Tagen am Eingang zum Friedhof vor der Stiftskirche Innichen mit der Arbeit an einer Eisskulptur begonnen.
Akribisch hat er aus einem riesigen Würfel Eis einen Stall geformt, das Jesukind und alles, was sonst noch zu einer schönen Krippe gehört, sollten noch folgen. Aber die Arbeit des Eiskünstlers aus Innichen wurde jäh unterbrochen. Mehr noch: Am Donnerstag ist der Bagger aufgefahren und hat die Skulptur dem Erdboden gleich gemacht.
Dabei hat die Krippe oder eine ähnliche Eisskulptur auf dem Platz vor der Friedhofsmauer durchaus Tradition. Bereits in den Jahren zuvor hat Felix Steger immer wieder ein kleines eisiges Kunstwerk geschaffen. Sehr zur Freude von Dorfbewohnern und Touristen, die sich immer gern neben die Krippe stellten, um einen magischen vorweihnachtlichen Moment mit dem Fotoapparat festzuhalten.
Warum müsste die Krippe heuer weg – obwohl die Arbeit von Felix Steger auch vom Tourismusverein und der Gemeindeverwaltung mit Wohlwollen zur Kenntnis genommen wurde? Aber die Krippe aus Eis soll dem Dekan von Innichen im Weg gewesen sein. Am Platz vor der Friedhofsmauer nimmt er seit rund einem Jahr die Einsegnung vor einem Begräbnis vor – und weil gerade jetzt ein Begräbnis anstand, musste die Eiskrippe weg. Schließlich sollte jeder Verstorbene Anrecht auf eine würdevolle Bestattung haben.
Viele Innichner verstehen das rüde Vorgehen gegen die Eisskulptur trotzdem nicht. Der Platz vor der Friedhofsmauer scheint den meisten groß genug, um sowohl eine Krippe vor Weihnachten als auch eine Trauergesellschaft unterzubringen.
„Die gesamte Dorfgemeinschaft“, sagt Felix Steger, „unterstützt mich und steht hinter meiner Arbeit.“ Weil er von allen Seiten viel Zuspruch erfahren hat, ließ Felix Steger sich gestern dazu überreden, noch einmal Pickel und Schaufel zur Hand zu nehmen. Einige Meter vom ursprünglichen Standort entfernt wird er jetzt noch einmal von vorne beginnen.
„Dass ausgerechnet der örtliche Pfarrer wenige Tage vor dem dritten Advent für eine Aufregung im Pusterer Dorf sorgt, damit hätten wahrscheinlich nur die Wenigsten gerechnet“, sagt der Freiheitliche Hannes Zingerle, „das ist unglaublich und skandalös.
Eine solche Anweisung des Kirchenoberen ist eines Pfarrers absolut nicht würdig.“
Alles Einwirken der Bürgermeisterin und Tourismusvereinsverantwortlichen soll nichts genützt haben und so wurde das mühevoll und mit Liebe begonnene Handwerk mit brachialer Maschinengewalt zerstört. „Der Künstler“, sagt Zingerle, „ist nun am Boden zerstört. Er hat bereits einiges in seinem Leben erlebt, doch so etwas ist ihm noch nie passiert.“
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Kommentare (6)
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andreas
Wie es auf dem Bild aussieht, steht die aber wirklich mitten im Weg.
meintag
In der heutigen Zeit kann man sogar Begräbnisse um Tage nach und Wochen verschieben. Ob der Herr Pfarrer hier auf seine Herde schaut lässt zweifeln.