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Sillianer Christkindl

Das Postamt Sillian versinkt in diesen Tagen unter Bergen von Paketen mit Südtiroler Adressaten. Vor Weihnachten boomt der Online-Handel – und wer in der Nähe der Grenze wohnt, lässt sich die Pakete nach Österreich schicken.

von Silke Hinterwaldner

Die Menschenkette reicht beinahe durch das gesamte Geschäft in Sillian.

Dicht an dicht stehen hier Kunden aus Innichen, Toblach, Sexten oder auch von weiter her. Hinter dem kleinen Tresen hängt ein großes gelbes Schild mit der Aufschrift „Post“, davor steht eine junge Frau, die sich mit stoischer Gelassenheit durch enorme Berge von Paketen wühlt. Mit blauem Filzstift hat sie die Namen der Adressaten auf die Pakete geschrieben, die von großen Versandhäusern wie Amazon oder E-bay kommen, um sich so halbwegs einen Überblick verschaffen zu können.

Die Menschen warten und hoffen, dass ihr Packtl schon angekommen ist und auch gefunden wird – in den Wochen vor Weihnachten erreicht das Business mit den Paketen hier seinen unbestrittenen Höhepunkt.

Grundsätzlich gilt das gesamte Jahr über: Wer auf Südtiroler Seite in der Nähe der Grenze wohnt, lässt sich seine Online-Einkäufe in die kleine Zweigstelle der Post nach Sillian schicken. Bestellt werden längst nicht mehr nur Zeitschriften, Filme oder Bücher. In riesigen Paketen werden auch Matratzen, Fahrräder, Waschbecken, Reifen oder andere Ersatzteile für das Auto geliefert. Aber während übers Jahr die Berge an Paketen fein säuberlich sortiert noch halbwegs überschaubar sind, wird das Weihnachtsgeschäft zur echten Herausforderung. Jahr für Jahr werden die Paketberge höher.

Die Ursache für dieses außergewöhnliche Phänomen ist schnell erklärt: Viele Südtiroler, die ihre Geschenke nicht in einem Geschäft kaufen wollen, weichen auf Anbieter in Deutschland oder Österreich aus, anstatt in Italien zu bestellen. Zum einen, weil sich Werbung und Markt stark am deutschsprachigen Ausland orientieren, zum anderen, weil sie so die sprachliche Hürde beim Bestellen umschiffen. Aber wer beispielsweise bei Amazon in Deutschland bestellt und sich die Ware an die Wohnadresse in Südtirol liefern lässt, muss empfindlich mehr Versandgebühr berappen. Um sich zehn oder 20 Euro zu sparen, lassen sie das Paket an das Postamt in Sillian liefern und holen es dort ab – für einen Euro an Zusatzspesen. Finanziell lohnt sich das auf jeden Fall.

„Es ist schon eigenartig“, sagt Philipp Moser, Vorsitzender der Handels- und Dienstleister im Pustertal, „dass die Versandhäuser für eine Lieferung nach Italien viel mehr verlangen als nach Österreich oder Deutschland. Mittelfristig werden sich die Tarife sicherlich anpassen, davon bin ich überzeugt.“ Aber so lange die Versandspesen nach Sillian deutlich günstiger sind als nach Winnebach, das nur weniger Kilometer davon entfernt liegt, boomt das Postamt in Sillian.

Dabei hat der kleine Ort hinter der Grenze längst kein eigenes echtes Postamt mehr. Den Service hat die österreichische Post an einen Blumenhandel mit kleinem Kaufhaus in Sillian weitervergeben. Neben den eigentlichen Verkaufsartikeln stapeln sich so all jene Dinge, die Kunden online bestellen und eben nicht im Kaufhaus vor Ort erwerben – weil es billiger ist oder es größere Auswahl gibt.

Philipp Moser beobachtet die Entwicklung des Online-Handels schon lange: Viele Südtiroler lassen sich die Pakete frei Haus liefern. Lieferautos von DHL oder GLS, die durch die Dörfer kurven, sind stumme Zeugen dieser Entwicklung. „Wir müssen uns neu aufstellen“, sagt er, „und auf unsere Stärken setzen, die in der persönliche Beratung und im Service liegen. Es bringt nichts, sich über den Online-Handel nur zu beschweren. Diese Entwicklung lässt sich nicht aufhalten.“

 

Foto(s): © 123RF.com und/oder/mit © Archiv Die Neue Südtiroler Tageszeitung GmbH (sofern kein Hinweis vorhanden)

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