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Der zweite Schlag

Der Bozner Motorradfahrer Marino Bonatti stieß am 29. April 2013 auf der Reschenbrücke gegen einen SEAB-Müllwagen und ist seitdem querschnittgelähmt. Nun verliert er auch den Zivilprozess und muss 180.000 Euro Prozessspesen zahlen.

Von Thomas Vikoler

Marino Bonatti hat seine Hoffnung nicht aufgegeben.

Aber seine Stimmung ist nicht die beste. Immerhin zieht sich der Mann im Rollstuhl nicht in seiner Bozner Wohnung zurück, sondern spricht im Hotel Sheraton offen über die Schrecknisse, die ihm widerfahren sind.

Der inzwischen 42-jährige Bozner hatte am 29. April 2013 einen Unfall mit seinem Kawasaki-Motorrad. Gegen 6.10 Uhr prallte er, auf dem Weg zur Arbeit, auf der Bus-Vorzugsspur zwischen Volta-Straße und Reschenbrücke in Bozen gegen einen links auf die Eisackuferstraße abbiegenden Müllwagen der Umweltbetriebe SEAB.

Ein häufiger Unfallort.

Für Marino Bonatti ein folgenschweres Ereignis: Seine Wirbelsäule wurde mehrmals gebrochen, er blieb querschnittgelähmt und ist heute auf den Rollstuhl angewiesen.

„Der Müllwagen hätte nicht abbiegen dürfen“, bekräftigt der frühere, nun arbeitslose Druckerei-Angestellte.

Zu einem anderen Schluss kam vor kurzem Zivilrichterin Julia Dorfmann am Landesgericht. Sie wies eine Zivilklage Bonattis gegen den Fahrer des Müllwagens, einem Mann aus Mölten, die SEAB und mehrere Versicherungsgesellschaften ab.

Und damit steht auch fest: Der Kläger muss – neben seinen eigenen – die Prozessspesen der Beklagten übernehmen. „Es dürften insgesamt 180.000 Euro sein“, schätzt Marino Bonatti, „ die 120.000 Euro für die Prozessgegner sind sofort vollstreckbar“.

Letztere haben bereits rechtliche Initiativen zur Eintreibung der Beträge gestartet.

Auch gegen Bonattis Ex-Frau, die, wie die beiden minderjährigen Kinder, die Klage mitunterzeichnet haben. Sie hatten zusammen knapp fünf Millionen Euro an Schmerzensgeld von den Beklagten gefordert.

Laut Urteil müssen sie nun dem LKW-Fahrer, der SEAB und der Versicherungsgesellschaft Itas Mutua jeweils 25.000 Euro plus Mehrwertsteuer sowie verschiedene Spesen bezahlen.

Prozessrisiko nennt man das.

Bonatti ist derzeit am Überlegen, ob es Sinn macht, Berufung gegen das Urteil einzulegen. Auch weil vor dem Oberlandesgericht aufgrund desselben Gutachtens entscheiden dürfte, das ihm Unrecht gab. Zusätzliche Verfahrensspesen würden dazukommen.

„Finanziell ist für mich das Ganze ein Desaster“, gesteht der Mann im Rollstuhl. Um seine Wohnung behindertengerecht umzubauen, nahm er einen Kredit von 180.000 Euro auf. Nun besteht die ernsthafte Gefahr, dass er seine Wohnung verliert und dass das Gehalt seiner Ex-Frau gepfändet wird.

Und dies deshalb, weil Richterin Dorfmann zum Schluss gekommen ist, dass er allein, der Motorradfahrer, den folgenschweren Unfall auf der Reschenbrücke verursacht hat. „Dabei bin ich vielleicht 15 Stundenkilometer gefahren“, sagt Bonatti. Gerichtsgutachter Antonio Pietrini hielt aber fest, dass der Bozner mit seiner Kawasaki den Stopp-Streifen überfahren hat.

„Es ist erwiesen, dass sich der LKW zu jenem Zeitpunkt bereits beim Abbiegen auf der Vorzugsspur befand, während der Motorradfahrer nicht anhielt und auf jedem Fall Vorfahrt hätte geben müssen“, heißt es auf Seite 9 des Urteils. Bonatti und sein Anwalt hatten hingegen argumentiert, dass die Vorrangspur für Taxis und Busse, nicht aber für Müllwagen reserviert sei. Und dass das Motorrad sehr wohl anhielt.

Der Müllwagen-Fahrer hatte ausgesagt, erst dann einen lauten Knall gehört zu haben, als er sein Einfahrtsmanöver so gut wie abgeschlossen war. „Der Fahrer ist ohne Schuld“, steht im Urteil, das für Kläger Bonatti einen zweiten, lebensveränderter Schicksalsschlag bedeutet.

Seine Ehefrau, die er drei Monate nach dem Unfall im Bozner Krankenhaus geheiratet hatte, hat der 42-Jährige inzwischen ebenfalls verloren. Sie ist mit ihren beiden Töchtern aus dem gemeinsamen Haushalt ausgezogen.

Verbunden bleiben sie auf jeden Fall, mehr als ihnen lieb ist, über das Urteil des Bozner Zivilgerichts.

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